Warnung vor neuer Schuldenkrise im Globalen Süden
Schuldenreport 2015 vorgestellt
Berlin. Deutsche Hilfsorganisationen beobachten die verstärkte Emission von Staatsanleihen durch Entwicklungsländer mit großer Sorge. Aufgrund der seit einigen Jahren hohen Liquidität auf den Kapitalmärkten könnten sich inzwischen auch Staaten ohne eine anerkannte Einstufung ihrer Kreditwürdigkeit auf diese Weise Geld beschaffen, heißt es im Schuldenreport 2015, den das entwicklungspolitische Bündnis Erlassjahr.de und die Kindernothilfe am Montag in Berlin veröffentlichten.
Das Bündnis sieht Risiken und Probleme vor allem bei einer möglicherweise notwendigen Anschlussfinanzierung. Denn, so die Argumentation, bei einem Ende der Niedrigzinspolitik in westlichen Industrienationen sei zu befürchten, dass diese Finanzierung dann entweder gar nicht oder aber nur zu hohen Kosten zustande käme. Weitere Schuldenkrisen wären die Folge.
Als Beispiele nannte das Bündnis Staatsanleihen von Mosambik, Ruanda, Tansania und Kenia. Um die Risiken zu minimieren sollten die Entwicklungsländer an ihrem Vorsatz, ein Staateninsolvenzverfahren zu entwickeln, festhalten und sich »nicht durch die Einschüchterungsversuche der EU beeindrucken lassen«. Die betroffenen Länder stehen dann vor den gleichen Herausforderungen wie überschuldete Staaten in den 1980er Jahren oder Griechenland heute.
Fester Bestandteil des Schuldenreports ist auch die Übersicht zu verschuldeten Entwicklungs- und Schwellenländern sowie zur Rolle Deutschlands als Gläubiger. Auch der neuen Regierung Griechenlands und ihren Möglichkeiten zur Lösung der dortigen Krise widmet der Schuldenreport 2015 einen Artikel.
Die Konstellation ist verlockend: Lange war die Kreditaufnahme für Staaten nicht mehr so günstig wie derzeit. Der von den Nichtregierungsorganisationen Erlassjahr.de und Kindernothilfe publizierte Schuldenreport 2015 zeigt, dass momentan viele Länder, vor allem in Afrika südlich der Sahara, verstärkt Zugang zum internationalen Kapitalmarkt erhalten. Das ist weit weniger verbesserter Wirtschaftsaussichten dortselbst als vielmehr dem Kapitalmarkt selbst geschuldet: Die durch laxe Geldpolitik der führenden Zentralbanken bewirkte Kapitalschwemme führt zu einem Überangebot an Krediten im Verhältnis zur realen Investitionsnachfrage und damit kommt es zu sinkenden Zinsen.
So verlockend die Konstellation günstiger Zinsen ist, so gefährlich ist sie: Auch in den siebziger Jahren gab es Billigkredite en masse, weil die Öl exportierenden Länder ihre überreichlich fließenden Petrodollars anlegen wollten. Die Kredite hatten jedoch einen Haken: Variable Zinssätze bei langer Laufzeit. Variabel heißt schlicht, dass die Zinssätze an das Marktniveau angepasst werden. Und die US-Hochzinspolitik unter dem Präsidenten Reagan sorgte Anfang der achtziger Jahre für eine Verdoppelung des Zinsniveaus. Die Schuldenfalle schnappte zu.
Der Schuldenreport 2015 warnt vollkommen zu Recht, dass viele Länder im Globalen Süden Gefahr liefen, erneut in eine Schuldenkrise zu geraten. Denn auch bei den aktuellen Krediten gilt das Roll-over-Prinzip, das das Zinsrisiko dem Schuldner überhilft. Auch wenn die Zinsen vorerst niedrig bleiben dürften – die Rechnung kommt bestimmt. Die UNO-Vollversammlung sieht dies überwiegend auch so und hat sich 2014 mit 124 zu elf Stimmen für ein staatliches Insolvenzrecht ausgesprochen. Die Gegenstimmen kamen unter anderem von den USA und Deutschland.