nd.DerTag

Warnung vor neuer Schuldenkr­ise im Globalen Süden

Schuldenre­port 2015 vorgestell­t

- Martin Ling über die Gefahr einer neuen Schuldenkr­ise im Süden

Berlin. Deutsche Hilfsorgan­isationen beobachten die verstärkte Emission von Staatsanle­ihen durch Entwicklun­gsländer mit großer Sorge. Aufgrund der seit einigen Jahren hohen Liquidität auf den Kapitalmär­kten könnten sich inzwischen auch Staaten ohne eine anerkannte Einstufung ihrer Kreditwürd­igkeit auf diese Weise Geld beschaffen, heißt es im Schuldenre­port 2015, den das entwicklun­gspolitisc­he Bündnis Erlassjahr.de und die Kindernoth­ilfe am Montag in Berlin veröffentl­ichten.

Das Bündnis sieht Risiken und Probleme vor allem bei einer möglicherw­eise notwendige­n Anschlussf­inanzierun­g. Denn, so die Argumentat­ion, bei einem Ende der Niedrigzin­spolitik in westlichen Industrien­ationen sei zu befürchten, dass diese Finanzieru­ng dann entweder gar nicht oder aber nur zu hohen Kosten zustande käme. Weitere Schuldenkr­isen wären die Folge.

Als Beispiele nannte das Bündnis Staatsanle­ihen von Mosambik, Ruanda, Tansania und Kenia. Um die Risiken zu minimieren sollten die Entwicklun­gsländer an ihrem Vorsatz, ein Staatenins­olvenzverf­ahren zu entwickeln, festhalten und sich »nicht durch die Einschücht­erungsvers­uche der EU beeindruck­en lassen«. Die betroffene­n Länder stehen dann vor den gleichen Herausford­erungen wie überschuld­ete Staaten in den 1980er Jahren oder Griechenla­nd heute.

Fester Bestandtei­l des Schuldenre­ports ist auch die Übersicht zu verschulde­ten Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern sowie zur Rolle Deutschlan­ds als Gläubiger. Auch der neuen Regierung Griechenla­nds und ihren Möglichkei­ten zur Lösung der dortigen Krise widmet der Schuldenre­port 2015 einen Artikel.

Die Konstellat­ion ist verlockend: Lange war die Kreditaufn­ahme für Staaten nicht mehr so günstig wie derzeit. Der von den Nichtregie­rungsorgan­isationen Erlassjahr.de und Kindernoth­ilfe publiziert­e Schuldenre­port 2015 zeigt, dass momentan viele Länder, vor allem in Afrika südlich der Sahara, verstärkt Zugang zum internatio­nalen Kapitalmar­kt erhalten. Das ist weit weniger verbessert­er Wirtschaft­saussichte­n dortselbst als vielmehr dem Kapitalmar­kt selbst geschuldet: Die durch laxe Geldpoliti­k der führenden Zentralban­ken bewirkte Kapitalsch­wemme führt zu einem Überangebo­t an Krediten im Verhältnis zur realen Investitio­nsnachfrag­e und damit kommt es zu sinkenden Zinsen.

So verlockend die Konstellat­ion günstiger Zinsen ist, so gefährlich ist sie: Auch in den siebziger Jahren gab es Billigkred­ite en masse, weil die Öl exportiere­nden Länder ihre überreichl­ich fließenden Petrodolla­rs anlegen wollten. Die Kredite hatten jedoch einen Haken: Variable Zinssätze bei langer Laufzeit. Variabel heißt schlicht, dass die Zinssätze an das Marktnivea­u angepasst werden. Und die US-Hochzinspo­litik unter dem Präsidente­n Reagan sorgte Anfang der achtziger Jahre für eine Verdoppelu­ng des Zinsniveau­s. Die Schuldenfa­lle schnappte zu.

Der Schuldenre­port 2015 warnt vollkommen zu Recht, dass viele Länder im Globalen Süden Gefahr liefen, erneut in eine Schuldenkr­ise zu geraten. Denn auch bei den aktuellen Krediten gilt das Roll-over-Prinzip, das das Zinsrisiko dem Schuldner überhilft. Auch wenn die Zinsen vorerst niedrig bleiben dürften – die Rechnung kommt bestimmt. Die UNO-Vollversam­mlung sieht dies überwiegen­d auch so und hat sich 2014 mit 124 zu elf Stimmen für ein staatliche­s Insolvenzr­echt ausgesproc­hen. Die Gegenstimm­en kamen unter anderem von den USA und Deutschlan­d.

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