Nepal liegt in Trümmern
Internationale Hilfe wird lange benötigt werden
Nach dem verheerenden Erdbeben steigt die Opferzahl.
Noch immer graben viele Nepalesen mit bloßen Händen nach Angehörigen. Die arme Nation hat nicht die nötigen Geräte und Helfer, um den Betroffenen wirksam zu helfen. Die internationale Hilfe läuft an, und sie wird lange benötigt werden.
Schon jetzt ist klar, dass die Aufbauarbeiten Jahre dauern werden. Das kleine Land kann dies unmöglich allein schaffen. »Wir haben nicht die Ressourcen und Kapazitäten, um mit einer solchen Katastrophe umzugehen«, sagt ExFinanzminister Madhukar Shumshere Rana. Ersten Schätzungen des Geologischen Dienstes der USA zufolge könnten Schäden in Höhe von bis zu zehnMilliarden US-Dollar zu reparieren sein – das ist etwa die Hälfte des gesamten Bruttoinlandsprodukts Nepals.
Während sich viele Nachbarstaaten beachtlich entwickelt haben, hinkt Nepal hinterher. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei gerade einmal 700 US-Dollar. Selbst im fast vollkommen isolierten Bhutan verdienen die Menschen fast das Dreifache.
Schon vor dem Beben war Nepals Infrastruktur völlig überlastet. Selbst in der Hauptstadt Kathmandu sind viele Straßen nicht geteert und verwandeln sich bei Regen in Schlammpisten. Nachts erleuchten an vielen Stellen nur die Kontrollpunkte der Polizei die Straßen, weil keine Laternen installiert sind oder der Strom fehlt. Die Asiatische Entwicklungsbank hat ausgerechnet, dass das Land seine jährlichen Investitionen vervierfachen müsste, um sich attraktiv für Investoren zu machen. Aufgrund schlechter Verwaltung und unübersichtlicher Bürokratie dauere es häufig Jahre, bis geplante Mittel eingesetzt werden.
In Nepal siedelte sich kaum verarbeitende Industrie an. Einer der größten Schätze des Landes, das gewaltige Potenzial an Energie aus Wasserkraft, wird kaum genutzt. Stattdessen ist das Land abhängig von stark schwankenden Erträgen der Landwirtschaft, Geldgeschenken von Auslandsnepalesen und dem Tourismus. Rund 15 Prozent der Nepalesen verdienen ihr Geld mit den Gästen aus dem Ausland. Jedes Jahr kommen rund 800 000 Touristen, darunter rund 25 000 aus Deutschland.
Die Katastrophe trifft Nepal zum ungünstigsten Zeitpunkt. Die einträglichen Touren auf den Mount Everest, die oft mehrere zehntausend Euro kosten, sind nur in dieser Jahreszeitmöglich. Viele der oft wohlhabenden Abenteurer, aber auch gewöhnliche Urlauber werden in den nächsten Wochen ausbleiben. Indische Reiseagenturen berichten von massenhaften Stornierungen. »Die Besucherzahlen werden in den kommenden zwei Monaten einen absoluten Tiefpunkt erreichen«, sagt Iqbal Mulla vom indischen Tourismusunternehmen Treasure Tourism.