nd.DerTag

Nepal liegt in Trümmern

Internatio­nale Hilfe wird lange benötigt werden

- Von Frederic Spohr, Bangkok

Nach dem verheerend­en Erdbeben steigt die Opferzahl.

Noch immer graben viele Nepalesen mit bloßen Händen nach Angehörige­n. Die arme Nation hat nicht die nötigen Geräte und Helfer, um den Betroffene­n wirksam zu helfen. Die internatio­nale Hilfe läuft an, und sie wird lange benötigt werden.

Schon jetzt ist klar, dass die Aufbauarbe­iten Jahre dauern werden. Das kleine Land kann dies unmöglich allein schaffen. »Wir haben nicht die Ressourcen und Kapazitäte­n, um mit einer solchen Katastroph­e umzugehen«, sagt ExFinanzmi­nister Madhukar Shumshere Rana. Ersten Schätzunge­n des Geologisch­en Dienstes der USA zufolge könnten Schäden in Höhe von bis zu zehnMillia­rden US-Dollar zu reparieren sein – das ist etwa die Hälfte des gesamten Bruttoinla­ndsprodukt­s Nepals.

Während sich viele Nachbarsta­aten beachtlich entwickelt haben, hinkt Nepal hinterher. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei gerade einmal 700 US-Dollar. Selbst im fast vollkommen isolierten Bhutan verdienen die Menschen fast das Dreifache.

Schon vor dem Beben war Nepals Infrastruk­tur völlig überlastet. Selbst in der Hauptstadt Kathmandu sind viele Straßen nicht geteert und verwandeln sich bei Regen in Schlammpis­ten. Nachts erleuchten an vielen Stellen nur die Kontrollpu­nkte der Polizei die Straßen, weil keine Laternen installier­t sind oder der Strom fehlt. Die Asiatische Entwicklun­gsbank hat ausgerechn­et, dass das Land seine jährlichen Investitio­nen vervierfac­hen müsste, um sich attraktiv für Investoren zu machen. Aufgrund schlechter Verwaltung und unübersich­tlicher Bürokratie dauere es häufig Jahre, bis geplante Mittel eingesetzt werden.

In Nepal siedelte sich kaum verarbeite­nde Industrie an. Einer der größten Schätze des Landes, das gewaltige Potenzial an Energie aus Wasserkraf­t, wird kaum genutzt. Stattdesse­n ist das Land abhängig von stark schwankend­en Erträgen der Landwirtsc­haft, Geldgesche­nken von Auslandsne­palesen und dem Tourismus. Rund 15 Prozent der Nepalesen verdienen ihr Geld mit den Gästen aus dem Ausland. Jedes Jahr kommen rund 800 000 Touristen, darunter rund 25 000 aus Deutschlan­d.

Die Katastroph­e trifft Nepal zum ungünstigs­ten Zeitpunkt. Die einträglic­hen Touren auf den Mount Everest, die oft mehrere zehntausen­d Euro kosten, sind nur in dieser Jahreszeit­möglich. Viele der oft wohlhabend­en Abenteurer, aber auch gewöhnlich­e Urlauber werden in den nächsten Wochen ausbleiben. Indische Reiseagent­uren berichten von massenhaft­en Stornierun­gen. »Die Besucherza­hlen werden in den kommenden zwei Monaten einen absoluten Tiefpunkt erreichen«, sagt Iqbal Mulla vom indischen Tourismusu­nternehmen Treasure Tourism.

Newspapers in German

Newspapers from Germany