Mit Fünfjahresplan zu mehr Profit
Die Nummer eins in Frankfurt am Main will sich im Rahmen ihrer neuen Strategien von ihrer Tochter trennen
In Zeiten von historisch niedrigen Zinsen will sich die Deutsche Bank immer mehr vom normalen Filialkunden trennen. Dafür werden Vermögende für sie immer attraktiver.
Fünfjahrespläne kennt man eigentlich aus dem real existierenden Sozialismus. Doch die beiden Chefs der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, haben offenbar beim Klassenfeind von gestern abgeschaut. Mit ihrer »Strategie 2020« wollen sie nämlich Deutschlands größtes Finanzinstitut umstrukturieren und noch effizienter machen, bis es in fünf Jahren seinen 150. Geburtstag feiern kann.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres machte die Bank nach Abzug von Steuern einen Gewinn von 559 Millionen Euro. Die Chefs des Branchenprimus gaben am Montag als Ziel eine Rendite nach Steuern auf das materielle Eigenkapital von mehr als zehn Prozent aus. Dafür wollen sie einmalig 3,7 Milliarden Euro investieren und bis zum Jahr 2020 Einsparungen bei den operativen Kosten von jährlich 3,5 Milliarden Euro erzielen.
Fitschen fasste die neue Strategie am Montagvormittag kurz und knapp zusammen: »Wir werden nicht mehr versuchen, alles für jeden zu sein.« Zwar wolle man weiterhin eine global agierende Universalbank mit einer besonderen Verankerung auf dem heimischen Markt zu sein. Doch will man das Investmentbanking etwas zurückfahren und vor allem auf »Kundenbeziehungen ausrichten, die für beide Seiten vorteilhaft sind«.
Das erste Opfer dieser Neuausrichtung ist die Postbank. Seit einigen Wochen wurde über die Zukunft der erst 2010 erworbenen Tochter spekuliert, die vor allem im klassischen Filialkundengeschäft stark ist. Am vergangenen Freitagabend ließen Jain und Fitschen nach einer Aufsichtsratssitzung die Katze aus dem Sack. Die Postbank werde »entkonsolidiert«, hieß es knapp.
Nun gaben die obersten Manager die Details bekannt: Zunächst soll die Postbank von der Börse genommen werden. Dafür werden alle verbliebenen Aktionäre mittels eines sogenannten Squeeze-Outs bis Ende dieses Jahres aus dem Konzern gedrängt und mit einer Zwangsabfindung abgespeist. Um dies zu ermöglichen, hat die Deutsche Bank ihren Anteil an ihrer Tochter bereits von 94,1 auf 96,8 Prozent erhöht, da für einen solchen Schritt der Besitz von mindestens 95 Prozent aller Aktien notwendig ist. Danach soll die Postbank wieder an die Börse gebracht und bis Ende 2016 mindestens die Hälfte von ihr verkauft werden. Ziel sei ein kompletter Ausstieg aus der Postbank, erklärte der Vorstand am Montag.
Die rund 14 000 Beschäftigten der Postbank können nur vorerst aufatmen. Seit Anfang März hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu Warnstreiks aufgerufen. Zuletzt war der Arbeitskampf noch ausgeweitet und waren bundesweit unbefristete Streiks durchgeführt worden. Am späten Sonntagabend bekam die Gewerkschaft ihre wichtigste Forderung teilweise erfüllt. Die rund 10 000 Tarifbeschäftigten erhalten bis Ende Juni 2017 einen Kündigungsschutz. Ver.di hatte dies jedoch bis 2020 gefordert.
Auch die Beschäftigten der Deutschen Bank müssen jetzt zittern. Die Konzernchefs kündigten an, bis zu 200 der insgesamt circa 700 Filialen schließen zu wollen. Wie viele Mitarbeiter deswegen ihren Job verlieren, wollte der Vorstand jedoch noch nicht bekannt geben und verwies dabei auf Gespräche, die vorher noch mit den Arbeitnehmervertretern geführt werden müssten.
Für den linken Ökonomen Rudolf Hickel ist dabei auch der »normale Bankkunde« der Verlierer, da er in Zukunft zunehmend mit Onlineangeboten abgespeist werden soll. So investiert die Deutsche Bank eine Milliarde Euro in Digitalisierung ihres Geschäfts. Zeitgleich wird jedoch in Zeiten einer immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich eine ganz besondere Kundengruppe immer attraktiver für die Deutsche Bank.
»Der reiche Kunde soll mit der Verwaltung seines Vermögens bedient werden«, meint Hickel. Denn gerade bei dem Geschäft mit wohlhabenden Kunden will die Deutsche Bank noch stärker wachsen. Mittlerweile verwaltet sie in diesem Bereich rund 1,2 Billionen Euro. Für Co-Chef Fitschen war die Bank in diesem Bereich noch nie »so gut aufgestellt«. Doch sei das Potenzial auch »noch längst nicht ausgeschöpft«.
Beim krisentreibenden Investmentbanking ist in Sachen Wachstum jedoch offenbar das Ende der Fahnenstange erreicht. »Wir werden die Bilanzsumme um 200 Milliarden Euro zurückschrauben«, sagte Jain mit Blick auf den für seine Bank enorm wichtigen Geschäftsbereich. Ökonom Hickel bleibt jedoch skeptisch. Das Investmentbanking werde nicht definitiv abgetrennt, sondern auf etwas niedrigem Niveau fortgesetzt. »Die Deutsche Bank will bei hochgradig gefährlichen Spekulationsgeschäften weiterhin mitmischen. Es ist zu erwarten, dass dieser Spekulationsbereich immer wieder zu Krisen der Bank führen wird«, erklärt Hickel.
Insgesamt will die Bank mit ihren Maßnahmen die Eigenkapitalausstattung verbessern. Die Verschuldungsquote, der Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme, soll mittelfristig von 3,4 Prozent auf 5 Prozent steigen. Zudem will das Institut die sogenannte Tier-1-Kernkapitalquote auf elf Prozent heraufsetzen. Für Hickel ist dies weniger ein Beweis für den angeblichen Kulturwandel in dem Konzern, als dem Versuch geschuldet, zügig die Rentabilität zu steigern. »Die Deutsche Bank bleibt auch nach dieser Restrukturierung dramatisch gefährdet«, so Hickels Fazit.
»Wir werden nicht mehr versuchen, alles für jeden zu sein.«
Co-Chef Jürgen Fitschen