Sozialpartner
Dass mit Berthold Huber ein führender Gewerkschafter den Aufsichtsrat im VW-Konzern kommissarisch leitet, ist in erster Linie dem überstürzten Abgang Ferdinand Piëchs geschuldet. Dieses Novum dürfte bei bundesdeutschen Eliten kaum Erschütterung ausgelöst haben. Schließlich ist der VW-Konzern seit der Nachkriegszeit eine Hochburg der Sozialpartnerschaft, in der Aufsteiger mit gewerkschaftlichem Stallgeruch steile Karrieren hingelegt haben. Statt Piëch wird nun Huber, seit 2010 Vize-Aufsichtsratschef, die anstehende VW-Hauptversammlung am 5. Mai leiten.
Die Diagonalkarriere (von links unten nach rechts oben) des heute 65-jährigen Ex-IG-Metall-Chefs Huber begann in seiner Heimat in Ulm. Der gelernte Werkzeugmacher verbrachte wenige Jahre in der Produktion und wurde mit 28 Jahren Betriebsratschef beim Fahrzeugbauer Kässbohrer. Wenig später brach er mit der Kleinstpartei und MLPD-Vorläuferorganisation KABD, einer schwäbischen Variante des Maoismus. Der SPD trat er allerdings erst 1991 bei.
Nach einem Philosophiestudium in Frankfurt am Main bot der Mauerfall Huber die Gelegenheit zum Neueinstieg und Karrieresprung im Gewerkschaftsapparat, als IG-Metall-Chef Franz Steinkühler ihn mit dem Aufbau neuer Gewerkschaftsstrukturen in Sachsen beauftragte. Danach arbeitete er in der Frankfurter Zentrale Steinkühler sowie dem Vizechef und späteren Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) zu, wurde mächtiger Bezirksleiter in Stuttgart, später Zweiter und 2007 Erster Vorsitzender der IG Metall.
Als »Reformer« und »Modernisierer« betrieb Huber über Jahre hinweg eine konsequente Abkehr von einer klassenkämpferischen und Konfliktorientierung, legte Wert auf Nähe zur Bundesregierung und distanzierte sich 2010 demonstrativ von den französischen Massenprotesten gegen eine Anhebung des Rentenalters. Bei VW genießt er nun die »ausdrückliche Unterstützung der Anteilseigner«, versicherte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der sein Land als Anteilseigner im Aufsichtsrat vertritt.