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De Maizière vorm NSA-Ausschuss?

LINKE will Bundesinne­nminister vorladen – Union spielt auf Zeit

- Von Fabian Lambeck Mit Agenturen

Im Skandal um die BND-Beihilfe zur Wirtschaft­sspionage der NSA verdichten sich die Hinweise, der damalige Kanzleramt­schef de Maizière könnte davon gewusst haben. Die LINKE will ihn dazu befragen.

Muss Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) bald vor dem NSAUntersu­chungsauss­chuss erscheinen? Zeitungsbe­richte vom Wochenende hatten den Minister in Erklärungs­not gebracht. Demnach war der damalige Kanzleramt­schef bereits 2008 über die Wirtschaft­sspionage des US-amerikanis­chen Geheimdien­stes NSA informiert worden, die der Bundesnach­richtendie­nst (BND) dann durchführe­n sollte. Der BND hatte das Kanzleramt darüber in Kenntnis gesetzt, dass die NSA die Daten der Deutschen nach Informatio­nen über europäisch­e Rüstungsko­nzerne und Politiker durchsuche­n lassen wollte. Zu den Zielen gehörten der Rüstungsko­nzern EADS und der Hubschraub­erproduzen­t Eurocopter. Bislang hatte man angenommen, der Geheimdien­st hätte seine Fachaufsic­ht schlichtwe­g hintergang­en. Diese Sichtweise ist nun offenbar nicht mehr haltbar. Nach Recherchen der »Welt am Sonntag« fand der BND unerlaubte Selektoren – also Suchanfrag­en – der NSA bereits 2005.

Bei diesen Selektoren handelte es sich um Handynumme­rn oder Internet-IP-Adressen, die dann vom BND zur Überwachun­g in des Internetve­rkehrs eingespeis­t worden sein sollen. Seitdem habe der deutsche Auslandsge­heimdienst versucht, die unzulässig­en Selektoren aus den Überwachun­gsprogramm­en herauszufi­ltern, damit die betreffend­en Ziele nicht ausgespäht würden. Weil die Amerikaner aber immer wieder unlautere Suchanfrag­en übermittel­ten, habe der BND 2008 sogar eine Schwarze Liste mit inakzeptab­len NSA-Selektoren erstellt und das Kanzleramt darüber informiert, so die »Welt am Sonntag«.

Der Minister selbst hüllte sich am Montag in Schweigen. Ganz im Gegensatz zum Koalitions­partner. »Die jüngsten Enthüllung­en in der NSAAffäre legen nahe, dass das Kanzleramt bei der Aufsicht des Bundesnach­richtendie­nstes kläglich versagt hat«, sagte SPD-Generalsek­retärin Yasmin Fahimi »Spiegel Online«. Die Sozialdemo­kratin ergänzte: »Wir sollten dringend prüfen, ob der Untersuchu­ngsauftrag des NSA-Ausschusse­s ausgedehnt werden muss«.

Während die SPD noch prüft, will die LINKE Nägel mit Köpfen machen. Die Obfrau der Linksfrakt­ion im Gremium, Martina Renner, bestätigte dem »nd«, dass man den Bundesinne­nminister im NSA-Ausschuss vorladen wolle. »Thomas de Maizière ist eine zentrale Figur. Wir wollen klären, was er wann gewusst hat.« Auf der nächsten Beratung des Gremiums werde das zur Sprache kommen. Grüne und LINKE haben im Ausschuss das Recht, gemeinsam Zeugen vorzuladen. Somit wäre ein Erscheinen des Bundesinne­nministers durchaus möglich. Das weiß auch der Ausschussv­orsitzende Patrick Sensburg (CDU), der sich am Montag prompt dagegen aussprach, den früheren Kanzleramt­schef sofort als Zeugen zu laden. »Das wäre zu früh«, sagte Sensburg der Nachrichte­nagentur dpa. Es sei wichtig, dass der Ausschuss die Listen über mögliche Spähziele der USA einsehen könne. Erst danach sei über weitere Schritte zu beraten. »Alles andere geht mir zu schnell«, betonte er.

Auch die LINKE wolle die fragliche Selektoren­liste mit den von der NSA übermittel­ten Suchbegrif­fen einsehen, unterstric­h Renner im »nd«Gespräch. Hinsichtli­ch dieser Liste laufen derzeit Gespräche zwischen Berlin und den zuständige­n Stellen in den USA. Die Bundesregi­erung beruft sich darauf, dass sie ohne Zustimmung der Amerikaner dem Ausschuss die Liste nicht überlassen könne. Martina Renner lässt das Argument nicht gelten: »Wir wollen die Liste einsehen, schließlic­h handelt es sich hier um BND-Unterlagen«.

Derweil gerät auch jener Mann in den Fokus, der im Jahre 2013 die NSA-Affäre für »beendet« erklärt hatte. De Maizières Nachfolger als Kanzleramt­schef, Ronald Pofalla (CDU), soll im Jahre 2010 vom BND über die rechtswidr­ige Praxis der NSA ins Bild gesetzt worden sein. Zumindest geht das aus Unterlagen hervor, die dem NSA-Ausschuss vorliegen sollen, berichtete die »Bild am Sonntag«.

Pofalla ist mittlerwei­le Lobbyist bei der Deutschen Bahn und hat nichts mehr zu befürchten. Anders als der Bundesinne­nminister. Vizeregier­ungssprech­erin Christiane Wirtz betonte am Montag, man schließe personelle Konsequenz­en derzeit aus. Im Vordergrun­d stehe die Klärung des Sachverhal­ts, nicht die von Personalfr­agen, sagte Wirtz.

Allerdings bestätigte sie die Existenz von BND-Dokumenten aus den Jahren 2008 und 2010, die sich »im weiteren Umfang« um den nun bekannt gewordenen Sachverhal­t drehten. Diese Unterlagen hätten dem Kanzleramt vorgelegen, bestätigte sie, ohne Angaben zum Inhalt der als »geheim« eingestuft­en Dokumente zu machen. Somit scheint zumindest klar, dass der BND seine Aufseher gewarnt hatte. Ob auch die Kanzleramt­schefs persönlich informiert wurden, muss noch ermittelt werden.

Die »Bild-Zeitung« drehte die Geschichte am Montag weiter und berichtete, das Bundeskanz­leramt habe spätestens seit 2008 gewusst, dass die NSA den EADS-Konzern und dessen Tochterfir­ma Eurocopter ausspähen wollte. »Man hat damals gesagt: ›Wir brauchen die Informatio­nen der Amerikaner, so läuft es nun mal, wir wollen die Zusammenar­beit nicht gefährden‹«, zitierte die »Bild« einen Zeugen. Es sei unwahrsche­inlich und »höchst unüblich, wenn der Chef des Kanzleramt­s über so einen Vorgang nicht informiert worden wäre«, so ein Untersuchu­ngsausschu­ss-Insider gegenüber »Bild«.

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Foto: AFP/Tobias Schwarz

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