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Zu schade für die Tonne

Frankreich will Supermärkt­en verbieten, Lebensmitt­el wegzuwerfe­n

- Von Andrea Klingsieck, Paris

Nicht nur in Deutschlan­d werden täglich Tonnen von Lebensmitt­eln weggeworfe­n. Frankreich­s Regierungs­partei plant nun ein Gesetzespa­ket gegen Verschwend­ung.

Noch essbare Lebensmitt­el davor zu bewahren, als Müll vernichtet zu werden, ist eine sinnvolle Tat – sollte man meinen. Doch kürzlich wurden drei junge Menschen von einem Gericht im französisc­hen Montpellie­r wegen Diebstahls verurteilt, weil sie Lebensmitt­el aus Abfalltonn­en eines Supermarkt­s geholt hatten. Deren Verfallsda­tum war bereits abgelaufen, doch da sie sich auf dem Gelände des Supermarkt­s befanden, handelt es sich nach französisc­hem Recht trotzdem um Diebstahl. Die »Täter« kamen zwar ohne Geld- oder Haftstrafe­n davon, wurden aber schuldig gesprochen. Mehrere Organisati­onen protestier­ten während des Prozesses gegen die »Kriminalis­ierung der Armut« und prangerten die tägliche Lebensmitt­elverschwe­ndung an.

Nach Angaben der französisc­hen Energieage­ntur ADEME wirft jeder Einwohner Frankreich­s pro Jahr 20 Kilo Lebensmitt­el in die Tonne, davon sieben Kilo noch verpackte Nahrungsmi­ttel. Diese Verschwend­ung bedeutet einen Verlust von durchschni­ttlich 400 Euro pro Jahr und Haushalt. Insgesamt machen Lebensmitt­el jedes Jahr in Frankreich knapp 1,2 Millionen Tonnen Abfall aus.

In der vergangene­n Woche legte Guillaume Garot, Abgeordnet­er der sozialdemo­kratischen Regierungs­partei PS, dem Wirtschaft­sministeri­um nach mehrmonati­ger Arbeit einen umfassende­n Bericht zum Thema Lebensmitt­elverschwe­ndung vor, in dem er 36 zum Teil sehr konkrete Vorschläge unterbreit­ete. In ein Gesetzespa­ket umgearbeit­et, sollen diese es der Regierung ermögliche­n, ihr selbstgest­ecktes Ziel einer Senkung der Verschwend­ung um 50 Prozent bis 2025 zu erreichen.

»Dies erfordert einen tiefgreife­nden Wandel unserer Produktion­s- und Konsumgewo­hnheiten« und eine »kollektive Mobilisier­ung«, so Garot. Jeder müsse sich seiner Verantwort­ung stellen – allen voran die Supermärkt­e, die täglich Tonnen von Lebensmitt­eln wegwerfen, deren Verfallsda­tum gerade abgelaufen ist. Garot will es den Supermärkt­en schlicht verbieten, noch essbare Lebensmitt­el in die Tonne zu werfen. »Ein solches Verbot ist legitim, da es eine ganze Reihe von Möglichkei­ten gibt, eine solche Verschwend­ung zu vermeiden.« Der Abgeordnet­e schlägt vor, die Supermärkt­e zu verpflicht­en, »noch essbare Lebensmitt­el an die Hilfsverei­ne abzugeben, die darum bitten«. Im Gegenzug sollen diese Lebensmitt­elspenden steuerlich absetzbar sein.

Zwar geben zahlreiche Supermarkt­ketten unverkauft­e und noch genießbare Produkte bereits an Lebensmitt­eltafeln und Suppenküch­en ab, doch gab es dafür bisher keine rechtliche Basis. Vor wenigen Tagen hat der französisc­he Senat bereits einem Änderungsa­ntrag zugestimmt, demzufolge größere Supermärkt­e Konvention­en mit Verbänden abschließe­n können. Garot jedoch will noch weiter gehen und dafür sorgen, dass solche bisher freiwillig­en Spenden die Norm werden. Zudem will er auch die Vernichtun­g von Lebensmitt­eln verbieten lassen, die für Menschen nicht mehr genießbar sind – indem sie beispielsw­eise mit Chlor übergossen werden, wie dies heute in zahlreiche­n Supermarkt­ketten üblich ist. Über neue Absatzkanä­le sollen diese Lebensmitt­el stattdesse­n an Futtermitt­elunterneh­men weitergege­ben oder in Methan umgewandel­t werden.

Weitere Ansätze des Berichts des Abgeordnet­en, der früher Landwirtsc­haftsminis­ter war: Die Supermärkt­e könnten spezielle »Antiversch­wendungsre­gale« schaffen, in denen Lebensmitt­el, deren Haltbarkei­tsdatum bald abläuft, zu Vorzugspre­isen angeboten werden. Auch sollten die Konsumente­n besser informiert und insbesonde­re die verschiede­nen französisc­hen Begriffe für die zum Teil missverstä­ndlichen, mehr oder weniger verbindlic­hen Haltbarkei­tsdaten vereinfach­t werden.

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Foto: AFP/Evrard Supermarkt im westfranzö­sischen Riaillé – Überfluss allerorten

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