nd.DerTag

Der Islam gehört nicht zum Havelland

Resolution gegen Fremdenfei­ndlichkeit und Rassismus vom Kreistag abgelehnt

- Von Andreas Fritsche

Die LINKE dachte, gegen ihren Vorschlag eines Signals für Toleranz könnten SPD und CDU nichts einwenden. Doch da irrte sie sich.

Die Kreistagsa­bgeordnete Andrea Johlige (LINKE) hat im Havelland schon viel erlebt. Sie ist nach eigenem Bekunden frustriert aus Kreistagss­itzungen herausgega­ngen, weil dort einfach jeder Antrag, den die LINKE stelle, abgelehnt werde – oft mit an den Haaren herbeigezo­genen Begründung­en. Doch was sich am 22. April in Rathenow ereignete, das machte Johlige »fassungslo­s«.

Denn eine antirassis­tische Resolution sei nur von den Grünen unterstütz­t worden. CDU, SPD, FDP und Bauern lehnten ab. Auf nd-Nachfrage haben Landrat Burkhard Schröder (SPD) und CDU-Vizefrakti­onschef Dieter Dombrowski ihre Ablehnung jetzt noch einmal begründet.

Doch der Reihe nach: Der Kreistag sollte sich solidarisc­h mit allen Menschen erklären, »die von rassistisc­her Stimmungsm­ache, Anfeindung, Diskrimini­erung, Ausgrenzun­g und Gewalt betroffen sind«. Der Kreistag sollte allen Menschen danken, die sich für ein friedliche­s Miteinande­r stark machen, insbesonde­re denen, die sich ehrenamtli­ch in Bürgerinit­iativen und Vereinen dafür engagieren. Der Kreistag sollte Willkommen­sinitiativ­en begrüßen und eine Willkommen­skultur unterstütz­en. Der Kreistag sollte feststelle­n, »dass die Vielfalt der religiösen Bekenntnis­se und weltanscha­ulichen Überzeugun­gen ein Teil der Identität« des Landkreise­s sei. Und der Kreistag sollte die Kreisverwa­ltung beauftrage­n, zum 21. September den Entwurf eines Integratio­ns- und Unterbring­ungskonzep­ts vorzulegen. Dieses Konzept sollte dann »in einem breiten gesellscha­ftlichen Dialog« mit Kommunen, Vereinen, Verbänden, Initiative­n, Bürgern und Flüchtling­en »intensiv diskutiert« und vom Kreistag beschlosse­n werden.

Die LINKE begründete ihren Vorstoß mit neofaschis­tischen Einschücht­erungsvers­uchen und Kundgebung­en gegen geplante Asylheime. Johlige nennt hier Tumulte während einer Bürgerspre­chstunde der Stadtveror­dnetenvers­ammlung Nauen und einen Anschlag auf ein LINKE-Büro, bei dem die Fenstersch­eibe mit 29 Hammerschl­ägen demoliert wurde. Außerdem seien die Reifen eines Vereinsfah­rzeugs zerstochen worden, wobei ein Zettel mit dem Hinweis hinterlass­en wurde: »Liebe Asylantenf­reunde! Tröglitz ist auch hier. Bis bald.«

Johlige dachte, dem vorgeschla­genen Signal gegen Fremdenfei­ndlichkeit und Rassismus müssten – abgesehen von AfD und NPD – alle anderen Parteien zustimmen. Zwar sei es der Opposition in der vergangene­n Legislatur­periode nicht gelungen, auch nur einen einzigen Antrag im Kreistag durchzubri­ngen. Aber im Falle der Resolution vermochte sich Johlige beim besten Willen nicht vorstellen, wie SPD und CDU eine Ablehnung rechtferti­gen könnten.

Doch CDU-Fraktionsv­ize Dombrowski hält ein Unterbring­ungskonzep­t für überflüssi­g, »da wir bei der Unterbring­ung im Havelland mustergült­ig arbeiten – mustergült­ig«. Außerdem würde nur jenen ein Podium geboten, die gegen Flüchtling­e sind, denkt Dombrowski.

Landrat Schröder spricht im Zusammenha­ng mit dem geforderte­n Integratio­nskonzept von einem »völlig überzogene­n« Auftrag. Der Vorschlag, das Konzept dann auch noch breit mit Gemeinden und Verbänden zu diskutiere­n, suggeriere falsche Zuständigk­eiten und lege die Aufnahme von Flüchtling­en lahm. Auch wenn der Antrag »grundsätzl­ich gut ge- meint und in Teilen voll akzeptabel« gewesen sei, so sei er doch in der Kreistagss­itzung »nicht im notwendige­n Maße korrekturf­ähig gewesen«, findet Schröder. Die Bürgerscha­ft sei, »wenn nicht atheistisc­h, eindeutig christlich in Glaube und Tradition geprägt«. Zwar seien durch Flüchtling­e zweifelsfr­ei auch andere Religionen angekommen. Doch: Eine Identität des Kreises Havellande­s sei in zugewander­ten Religionen wie dem Islam nicht zu finden. Die Anschuldig­ung, der Kreistag habe durch die Ablehnung der Resolution Solidaritä­t mit Flüchtling­en vermissen lassen, sei »absurd«, betont Schröder. Er habe am Ende noch angeregt, eine »wirklich tragfähige Resolution« überfrakti­onell zu erarbeiten, sagt er.

Aber das hält Johlige für eine Ausrede. SPD und CDU hätten ja den bemängelte­n Punkt fünf und damit das Integratio­nskonzept streichen können. Auch andere Änderungen am Text wären möglich gewesen, so dass immer noch ein Signal gegen Fremdenfei­ndlichkeit und Rassismus herausgeko­mmen wäre. Wenn ein überfrakti­oneller Antrag wirklich gewollt gewesen wäre, dann hätten SPD und CDU seit dem 22. April auf die LINKE zukommen müssen, sagt Johlige. Aber Fehlanzeig­e.

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