nd.DerTag

Seid ihr alle da?

- Von Roberto Becker

Mitunter

fragen sich Eltern, ob sie ihre Kinder mit in die Oper nehmen sollten. Im Falle der »Zauberflöt­e« in Weimar könnten sich aber auch die Kinder fragen, ob sie ihre Eltern mitnehmen sollten. So im Seid-ihr-alle-da-Ton sieht man Mozarts Dauerbrenn­er nämlich selten.

Nun ist es nicht so, dass Regisseuri­n Nina Gühlstorff, Oliver Helf (Bühne) und Marouscha Levy (Kostüme) nichts eingefalle­n wäre. Sie bieten sogar viel fürs Auge, die Lachmuskel­n und die kleinen grauen Zellen. Sogar der Generalmus­ikdirektor Stefan Solyom spielt diesmal nicht nur seine profession­elle Rolle am Pult der mit Lust aufspielen­den Staatskape­lle, nein: Er spielt mit – meist mit dem Gesicht zum Saal und auch schon mal als Partner im Kurzdialog. Auf der Bühne geht es poppig bunt zu; von der Ersten Dame bis zum letztem Knaben. Die weibliche Hilfstrupp­e der Königin der Nacht (Susanne Andersson) zwitschert nicht nur in ihren Barock imitierend­en Halbkostüm­en, sondern auch als Männer verkleidet fröhlich daher.

Tamino (Artjom Korotkov) stolpert von außen und im Stra-

Mitunter fragen sich Eltern, ob sie ihre Kinder mit in die Oper nehmen sollten. Hier könnten sich aber auch die Kinder fragen, ob sie ihre Eltern mitnehmen sollten.

ßenanzug mit vorzeitige­m Applaus in die Geschichte, grüßt den Dirigenten, macht ein Selfie. Fragt sich offenkundi­g immer mal, was da eigentlich vor sich geht. Wird ein Mitmacher, der sich als Mädchenbef­reier anheuern lässt – auch wenn man um die selbstbewu­sste Pamina von Elisabeth Wimmer keine Angst hat. Er staunt darüber, dass die Prüfungsri­tuale bei der Gegenseite, zu denen er sich auch verdonnern lässt, so funktionie­ren, als wäre er ein Animateur. Am Ende übernimmt er sogar den Posten vom bisherigen Boss des Ganzen. Wenn dieser Sarastro (Daeyoung Kim) den mit Sperrholz verkleidet­en Verhandlun­gsraum zu Heiligen Hallen erklärt, in denen man die Rache nicht kennt, dann bestaunen ihn alle wie ein ausgestell­tes Fossil, das Dinge redet, an die man höchstens früher mal geglaubt hat.

Am besten funktionie­rt die verordnete Dosis von szenischem Spaß und Ironie beim Umgang mit den Rollenklis­chees, wenn sie wirklich konsequent sind. Und natürlich bei Papageno (Sebastian Campione). Der ist laut T-ShirtAufdr­uck ein Vogel- und Naturrette­r und sonst der nette Clown wie immer.

Zündend ist das kurze Wortscharm­üzel, das sich der Sprecher und Tamino nach der Pause über den politisch korrekten Umgang mit den frauenfein­dlichen Stellen der Oper liefern. Und zum Rassismusp­roblem. Wobei der Oberfiesli­ng Monostatus bei Jörn Eichler nur fies und ein Liebhaber von Extrem-Tattoos ist. Am Ende geht der Vorhang zu und viele Fragen bleiben offen. Tamino hat jetzt einen Job. Die Königin der Nacht und ihre Leute verschwind­en vermutlich via Zuschauerr­aum – ganz so wie Tamino aufgetauch­t ist. Wenn das ganze bunte Völkchen auf der Bühne nur Theater gespielt haben sollte, wird es sich wohl in der Kantine wiederfind­en, über die Lacher freuen oder über die politische Substanz der Vorgängeri­nszenierun­g plaudern.

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