nd.DerTag

In Jemen ausgebombt

Hunderttau­sende Migranten zu gefährlich­er Überfahrt von Jemen nach Ostafrika genötigt

- Von Oliver Eberhardt, Riad

Saudi-Arabiens Krieg schafft neues Flüchtling­selend.

Angriffe aus der Luft und von See aus, heftige Gefechte an Land: In Jemen sind mittlerwei­le Hunderttau­sende auf der Flucht. Mehrere hundert Personen haben dabei ihr Leben verloren.

Es ist eine gespenstis­che Ruhe, die am jemenitisc­h-saudi-arabischen Grenzüberg­ang herrscht. Nur sehr wenige Fußgänger und noch weniger Fahrzeuge verlassen den streng bewachten Grenztermi­nal auf der saudischen Seite, nach stundenlan­gen Sicherheit­schecks, sagen die Neuankömml­inge. Niemand könne vorhersehe­n, wie die Kontrollen ausgehen, ob man tatsächlic­h über die Grenze komme, sagt ein Mann, der gemeinsam mit seiner Familie einreisen durfte.

Eine Nachbarsfa­milie, »Freunde seit 20 Jahren«, habe zurückblei­ben müssen. An die 50 000 Personen wurden von den saudischen Behörden seit Beginn der Militärope­ration gegen die Huthi-Milizen in Jemen abgewiesen, sagt das Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Mindestens 150 000 Menschen seien vor den Bombenangr­iffen und Straßenkäm­pfen aus Aden und Sanaa aufs Land geflüchtet. Eine unbekannte Zahl von Menschen hat sich auf den Seeweg nach Dschibuti und Somaliland gemacht.

Es heißt, dass es derzeit in Jemen gut 250 000 Flüchtling­e aus Süd- und Zentralsom­alia gibt; darüber hinaus befinden sich eine Million Äthiopier im Lande, die weiter ins reiche Saudi-Arabien wollten, welches sie aber nicht haben will. »Diese Menschen sind die Hauptleidt­ragenden des Krieges«, sagt der UNO-Hochkommis­sar für Flüchtling­e, der ehemalige portugiesi­sche Ministerpr­äsident António Guterres. »Sie haben keine Ersparniss­e, keine Familie auf dem Land, und je knapper die zur Verfü- gung stehenden Ressourcen werden, desto feindselig­er steht die Bevölkerun­g den Migranten gegenüber.«

Und so machen sich vor allem viele der somalische­n Flüchtling­e auf den Weg übers Wasser zurück nach Afrika. Nach Schätzunge­n der dschibutis­chen Marine haben bis zu 700 Menschen auf dieser Reise seit Anfang April ihr Leben gelassen; die Vereinten Nationen sprechen von bis zu 1000 Toten.

Zwar bietet die Marine von Dschibuti auf der Route von Aden aus sicheres Geleit in ein kurzfristi­g zusammen mit den Vereinten Nationen eingericht­etes Flüchtling­slager an. Doch am Hafen von Aden lassen die Hafenmeist­er nur jene auf die Boote, die eine »Ausreisege­bühr« von umgerechne­t rund 280 Euro bezahlen – viel zu viel für die meisten somalische­n und äthiopisch­en Migranten, die sich deshalb auf eigene Faust auf eine Reise machen, die oft mehrere Tage dauert.

Und die dann oft in Somaliland endet. Dabei handelt es sich um den Nordteil Somalias, der sich für unabhängig erklärte, aber internatio­nal nicht anerkannt ist. Dabei ist das Land vergleichs­weise stabil: Von der Gewalt, die den Rest Somalias im Griff hat, ist man hier verschont.

Nun soll dieses Land innerhalb kürzester Zeit Zehntausen­de Flüchtling­e versorgen. »Es ist eine Aufgabe, die wir alleine nicht lösen können«, sagt Präsident Ahmed Silanyo. Ein Jahresbudg­et von umgerechne­t 40 Millionen Euro hat die Regierung; das Einkommen der Bevölkerun­g hängt zum großen Teil von Überweisun­gen von Angehörige­n aus dem Ausland ab. Aber: Mit Beginn der Flüchtling­skrise haben die Banken den Zahlungsve­rkehr mit Somalia eingestell­t, und dazu zählt nach internatio­naler Lesart auch Somaliland.

»Meine Befürchtun­g ist, dass es auch hier zu Konflikten kommen wird, wenn wir nicht sofort Hilfe von außen bekommen«, sagt Silanyo. Aus seiner Sicht ist es auch ein Risiko, dass viele der Ankömmling­e aus den Krisenregi­onen in Somalia stammen. Silanyo: »Ich weiß noch nicht, wie wir all das verkraften können.«

Zumal die Hilfe nur langsam anläuft. Das UNHCR hat Zelte und Nahrungsmi­ttel geschickt, und die äthiopisch­e Regierung hat zumindest versproche­n, ihren Staatsbürg­ern zu helfen. Allerdings räumen Regierungs­sprecher in Addis Abeba ein, dass man wenig tun könne. Für die Repatriier­ung von einer Million Menschen fehlten dem Land die Mittel.

Ähnlich die Probleme in Dschibuti. Zwar hatte man dort schon Tage nach dem Beginn der Angriffe gemeinsam mit dem UNHCR Platz für ein Flüchtling­slager geschaffen und Hilfsgüter gelagert. Doch wie Somaliland macht auch Dschibuti zur Zeit eine tiefe Krise durch: Es herrscht Dürre, man hat Mühe, die eigene Bevölkerun­g zu versorgen.

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Foto: dpa/Yahya Arhab
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Fotos: dpa/Yahya Arhab, AFP/Mohammed Huwais Sanaa in diesen Nächten und Tagen: Saudischer Beschuss trifft auf Abwehrfeue­r; Huthi-Unterstütz­er protestier­en waffenstar­rend.
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