In Jemen ausgebombt
Hunderttausende Migranten zu gefährlicher Überfahrt von Jemen nach Ostafrika genötigt
Saudi-Arabiens Krieg schafft neues Flüchtlingselend.
Angriffe aus der Luft und von See aus, heftige Gefechte an Land: In Jemen sind mittlerweile Hunderttausende auf der Flucht. Mehrere hundert Personen haben dabei ihr Leben verloren.
Es ist eine gespenstische Ruhe, die am jemenitisch-saudi-arabischen Grenzübergang herrscht. Nur sehr wenige Fußgänger und noch weniger Fahrzeuge verlassen den streng bewachten Grenzterminal auf der saudischen Seite, nach stundenlangen Sicherheitschecks, sagen die Neuankömmlinge. Niemand könne vorhersehen, wie die Kontrollen ausgehen, ob man tatsächlich über die Grenze komme, sagt ein Mann, der gemeinsam mit seiner Familie einreisen durfte.
Eine Nachbarsfamilie, »Freunde seit 20 Jahren«, habe zurückbleiben müssen. An die 50 000 Personen wurden von den saudischen Behörden seit Beginn der Militäroperation gegen die Huthi-Milizen in Jemen abgewiesen, sagt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Mindestens 150 000 Menschen seien vor den Bombenangriffen und Straßenkämpfen aus Aden und Sanaa aufs Land geflüchtet. Eine unbekannte Zahl von Menschen hat sich auf den Seeweg nach Dschibuti und Somaliland gemacht.
Es heißt, dass es derzeit in Jemen gut 250 000 Flüchtlinge aus Süd- und Zentralsomalia gibt; darüber hinaus befinden sich eine Million Äthiopier im Lande, die weiter ins reiche Saudi-Arabien wollten, welches sie aber nicht haben will. »Diese Menschen sind die Hauptleidtragenden des Krieges«, sagt der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, der ehemalige portugiesische Ministerpräsident António Guterres. »Sie haben keine Ersparnisse, keine Familie auf dem Land, und je knapper die zur Verfü- gung stehenden Ressourcen werden, desto feindseliger steht die Bevölkerung den Migranten gegenüber.«
Und so machen sich vor allem viele der somalischen Flüchtlinge auf den Weg übers Wasser zurück nach Afrika. Nach Schätzungen der dschibutischen Marine haben bis zu 700 Menschen auf dieser Reise seit Anfang April ihr Leben gelassen; die Vereinten Nationen sprechen von bis zu 1000 Toten.
Zwar bietet die Marine von Dschibuti auf der Route von Aden aus sicheres Geleit in ein kurzfristig zusammen mit den Vereinten Nationen eingerichtetes Flüchtlingslager an. Doch am Hafen von Aden lassen die Hafenmeister nur jene auf die Boote, die eine »Ausreisegebühr« von umgerechnet rund 280 Euro bezahlen – viel zu viel für die meisten somalischen und äthiopischen Migranten, die sich deshalb auf eigene Faust auf eine Reise machen, die oft mehrere Tage dauert.
Und die dann oft in Somaliland endet. Dabei handelt es sich um den Nordteil Somalias, der sich für unabhängig erklärte, aber international nicht anerkannt ist. Dabei ist das Land vergleichsweise stabil: Von der Gewalt, die den Rest Somalias im Griff hat, ist man hier verschont.
Nun soll dieses Land innerhalb kürzester Zeit Zehntausende Flüchtlinge versorgen. »Es ist eine Aufgabe, die wir alleine nicht lösen können«, sagt Präsident Ahmed Silanyo. Ein Jahresbudget von umgerechnet 40 Millionen Euro hat die Regierung; das Einkommen der Bevölkerung hängt zum großen Teil von Überweisungen von Angehörigen aus dem Ausland ab. Aber: Mit Beginn der Flüchtlingskrise haben die Banken den Zahlungsverkehr mit Somalia eingestellt, und dazu zählt nach internationaler Lesart auch Somaliland.
»Meine Befürchtung ist, dass es auch hier zu Konflikten kommen wird, wenn wir nicht sofort Hilfe von außen bekommen«, sagt Silanyo. Aus seiner Sicht ist es auch ein Risiko, dass viele der Ankömmlinge aus den Krisenregionen in Somalia stammen. Silanyo: »Ich weiß noch nicht, wie wir all das verkraften können.«
Zumal die Hilfe nur langsam anläuft. Das UNHCR hat Zelte und Nahrungsmittel geschickt, und die äthiopische Regierung hat zumindest versprochen, ihren Staatsbürgern zu helfen. Allerdings räumen Regierungssprecher in Addis Abeba ein, dass man wenig tun könne. Für die Repatriierung von einer Million Menschen fehlten dem Land die Mittel.
Ähnlich die Probleme in Dschibuti. Zwar hatte man dort schon Tage nach dem Beginn der Angriffe gemeinsam mit dem UNHCR Platz für ein Flüchtlingslager geschaffen und Hilfsgüter gelagert. Doch wie Somaliland macht auch Dschibuti zur Zeit eine tiefe Krise durch: Es herrscht Dürre, man hat Mühe, die eigene Bevölkerung zu versorgen.