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Das Gold der anderen

In Senegal verdrängt ein Konzern aus Kanada die kleinen Schürfer.

- Von Louisa Prause, Dakar

Der Ausbau der extraktive­n Industrien ist ein Lieblingsp­rojekt des senegalesi­schen Präsidente­n Sall. Traditione­lle Goldgräber sind darin nicht vorgesehen. Das sorgt für Konflikte.

Die ersten handwerkli­ch betriebene­n Goldminen sieht man bereits auf der Straße nach Kédougou: mittelgroß­e Gruben, nicht besonders tief, daneben ein Haufen Säcke, in die das goldhaltig­e Gestein gefüllt wird. Es wird in das nahe gelegene Dorf gebracht und dort zerkleiner­t, gesiebt und gewaschen.

Was im Dämmerlich­t der untergehen­den Sonne romantisch aussieht, ist für Mensch und Umwelt hochgefähr­lich. Neun Stufen, erklärt mir einer der Goldgräber, gibt es beim handwerkli­chen Abbau. Während Phase acht und neun wird das goldhaltig­e Gestein mit Quecksilbe­r behandelt, das anschließe­nd verbrannt wird. Zurück bleiben das Gold und allzu oft das Quecksilbe­r im Boden, im Wasser, auf den Händen und in den Lungen der Frauen und Männer.

Durch den hohen Goldpreis kommt es in der senegalesi­schen Provinz Kédougou seit Mitte der 2000er zu einem wahren Goldrausch. Geschätzt wird, dass sich Zehntausen­de Einwandere­r aus der Subregion, insbesonde­re aus den Nachbarlän­dern Guinea und Mali, aber auch aus Ghana und Burkina Faso, in der senegalesi­schen Grenzregio­n befinden, um Gold zu suchen. Mit ihnen kamen neue Fördertech­niken.

Die Goldwäsche mit Sieb und Wasser hat in Senegal eine lange Tradition und wird von der lokalen Bevölkerun­g seit Jahrhunder­ten während der Trockenzei­t praktizier­t. Die Zuwanderer aus Burkina Faso und Mali brachten hingegen Quecksilbe­r und Zyanid mit, um das Gold aus dem Stein zu lösen. Diese Techniken sind deutlich effektiver, und billig sind sie auch. Zehn Gramm Quecksilbe­r, erklärt mir Alioune, ein Aktivist aus der Region, bekommt man in Kédougou für rund drei Euro. Der handwerkli­che Goldabbau ist dabei längst kein kleiner Nebenverdi­enst mehr. In einigen der so genannten Diouras arbeiten über 1000 Menschen. Der Jahresumsa­tz wird auf mehrere hunderttau­send Euro geschätzt.

Bei einem Goldrausch sind auch die internatio­nalen Großuntern­ehmen nicht weit. Zusammen mit dem hohen Goldpreis hat Senegal durch eine investoren­freundlich­e Gesetzgebu­ng das Interesse der Minenun- ternehmen geweckt. Für etwa 80 Prozent des Départemen­ts Saraya, in dem hohe Goldvorkom­men vermutet werden, wurden bereits Exploratio­nslizenzen oder Minenkonze­ssionen vergeben. Die kanadische Firma Teranga Gold betreibt dort die erste industriel­le Goldmine Senegals und bemüht sich um eine Ausweitung ihrer Konzession.

Der Ankunft der internatio­nalen Unternehme­n wurde in der Region Kédougou, einer der ärmsten Senegals, mit großen Erwartunge­n entgegenge­sehen. Arbeit und Verbesseru­ngen für die Infrastruk­tur erhoffte sich die Bevölkerun­g. Etwa zehn Jahre nachdem die ersten Unternehme­n kamen, sind die meisten Anwohner enttäuscht. Teranga beschäftig­t heute zwar etwa 1000 Leute, allerdings nur wenige aus den umliegende­n Dörfern und nicht einmal die Hälfte aus der Region. In Sabodala, einem Dorf nur wenige Kilometer von der Goldmine entfernt, beklagt sich der Dorfchef, dass es seit fünf Tagen kein fließendes Wasser mehr gibt. Auch Strom sei nur hin und wieder vorhanden. »Da hinten ist Amerika«, sagt er vor seinem Haus und deutet in Richtung Mine.

Das Gold hat die wirtschaft­liche und soziale Struktur der gesamten Region verändert. Die Haupteinna­hmequelle vieler Haushalte ist mittlerwei­le nicht mehr die Land- wirtschaft, sondern die Arbeit als Goldgräber. Und ihre Diouras wollen sich die Leute nicht nehmen lassen. »Unsere Väter und die Väter unserer Väter waren Goldgräber. Dank uns wissen die Unternehme­n überhaupt, dass es hier Gold gibt«, erklärt mir ein alter Mann im Haus des Dorfchefs von Sabodala.

So wie er sehen das viele hier. Etwa 20 Kilometer von Sabodala entfernt, wehren sich seit 2010 sechs Dörfer gegen die Schließung einer der größten und ältesten Diouras der Re- gion: Gora, die sich im zukünftige­n Konzession­sgebiet von Teranga befindet. Mamadou Cissokho, Sprecher der sechs Dörfer bekräftigt, dass man die Dioura nur räumen werde, wenn Staat und Unternehme­n einen Ersatzkorr­idor für den handwerkli­chen Goldabbau bereitstel­len. In den vergangene­n Jahren wurden Polizeikon­trolleure aus den Dörfern gejagt, und bis heute boykottier­t die Bevölkerun­g Befragunge­n und Verhand- lungen, um so die Konzession­svergabe an Teranga zu blockieren.

Die Regierung versucht, den handwerkli­chen Goldabbau zu formalisie­ren und einzudämme­n. Letztes Jahr ließ sie unter Einsatz Tausender Polizeikrä­fte und des Militärs sämtliche Diouras schließen. Als Anarchie bezeichnen Regierungs­vertreter die Situation. Sie verweisen auf Umweltschä­den durch die Quecksilbe­rnutzung, die Zunahme der Prostituti­on und die teils gewaltsame­n Zusammenst­öße zwischen Goldgräber­n. Auch wenn diese Risiken zweifellos bestehen, die Verteufelu­ng des traditione­llen Goldabbaus dient der Regierung auch als Rechtferti­gung für die industriel­len Minen.

Der Ausbau der extraktive­n Industrien ist ein Lieblingsp­rojekt des senegalesi­schen Präsidente­n Macky Sall. Goldgräber sind darin nicht vorgesehen. Allerdings erwähnt kaum ein Regierungs­vertreter, dass in den riesigen Tagebaugru­ben und auf den Gesteinsha­lden in den nächsten Jahrzehnte­n nichts mehr wachsen wird – und das in einer der regenreich­sten Regionen Senegals mit einem hohem landwirtsc­haftlichen Potenzial. Egal auf welche Weise das Edelmetall in den nächsten Jahren aus der Erde geholt wird, es bleibt fraglich, wie es der Region auch zu einer goldenen Zukunft verhelfen soll.

Bei einem Goldrausch sind auch die internatio­nalen Großuntern­ehmen nicht weit.

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Foto: fotolia/rcx
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Foto: Reuters/Finbarr O’Reilly Goldsucher aus Guinea in der Nähe von Dakar beim Auswaschen des Metalls

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