»Sie werden direkt zu uns kommen«
Biplab Basu über rassistische Polizeikontrollen und seine Klage gegen die Bundespolizei wegen Racial Profilings
Am 26. Juli 2012 wurden Sie und Ihre Tochter auf der Strecke PragDresden im Zug Ihrer Einschätzung nach aus rassistischen Motiven kontrolliert. Wie kam es dazu?
Der Zug hielt an einer grenznahen, verlassenen Bahnstation. An solchen Stationen steigen typischerweise Bundespolizisten in die Züge. Deshalb ahnte ich bereits vorher, dass es nun zu Polizeikontrollen kommen würde. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich zwei Bundespolizisten einsteigen. Zu meiner Tochter meinte ich in die-
Biplab Basu
Schultes.
Hannah sem Moment: »Du wirst sehen: Sie werden direkt zu uns kommen.« Wir saßen zu zweit alleine in einem Abteilwagen. Ich steckte meinen Kopf aus dem Abteil raus und sah, wie sie tatsächlich schnurstracks auf uns zukamen, obwohl unser Abteil am Ende des Waggons war.
Wie lief die Kontrolle selbst ab?
Einer der Beamten kam ins Abteil rein und verlangte meinen Ausweis, der andere blieb draußen stehen. Ich fragte, ob es für die Kontrolle einen Grund gebe. Der Beamte antwortete, dass es sich um eine Stichprobe handele. Ich habe ihn direkt auf die vielen anderen Menschen im Waggon hingewiesen, die er nicht kontrolliert hatte, und meinte zu ihm: »Auch eine Stichprobe muss doch Kriterien haben. Zum Beispiel jede siebte Person zu kontrollieren oder die erste und die letzte Person in einem Waggon. Sie sind ein Verwaltungsbeamter und da läuft so etwas doch nicht willkürlich ab. Ich glaube, Sie machen das nicht aus Willkür heraus, sondern haben uns aufgrund der Hautfarbe ausgewählt. Was Sie hier tun ist rassistisch.« Er antwortete, dass es eine Routinekontrolle sei, und warnte mich: Er könne es als Beleidigung auffassen, dass ich sein Handeln als rassistisch bezeichnet habe. Ich antwortete: »Zeigen Sie mich ruhig an. Ich zeige Sie wegen einer rassistischen Polizeikontrolle an.« Er versuchte mich zu beschwichtigen und machte klar, dass er mich gar nicht anzeigen wolle. Wir schrieben voneinander die Namen auf und ich notierte seine Dienststelle.
Sie klagen nun gegen die Kontrolle.
Ich klage die Bundespolizei als Verwaltungsbehörde der Bundesrepublik an. Die Kontrolle ist zwar durch Paragraf 23 im Bundespolizeigesetz gedeckt. Eine andere Frage ist, ob es auch verfassungskonform ist. Nicht alles, was nach heutigem Stand rechtmäßig ist, ist auch verfassungskonform. Aus meiner Sicht sind diese Kontrollen verfassungswidrig. Eine pauschale Kontrolle aller Menschen an der Grenze, aber auch nach der Grenze ist durch die Abschaffung von Grenzkontrollen im Schengen-Raum nicht mehr zulässig. Weil eine solche flächendeckende Kontrolle nicht mehr stattfinden kann, bleibt nur die Möglichkeit, selektiv zu kontrollieren. Diese Selektivität orientiert sich an Vorstellungen von Rassen und ist damit diskriminierend. Das Europarecht und das bundesdeutsche Verfassungsrecht verbieten aber Diskriminierung. Also sind solche Kontrollen verfassungswidrig.
Am 20. Mai ist das Verfahren in Dresden. Was erhoffen Sie sich von diesem Tag?
Es geht mir nicht nur um meine individuelle Diskriminierung, sondern darum, dass solche rassistisch diskriminierenden Kontrollen verboten werden. Wir haben mit der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt im- mer wieder den Gesetzgeber aufgefordert, diese Art von Kontrollen abzuschaffen. Das würde bedeuten, Paragraf 23 zu streichen. Bis jetzt hat sich die Bundesregierung geweigert. Für uns ist also der juristische Weg gerade die einzige Möglichkeit, ein Verbot zu erwirken. Mit meiner Klage will ich zeigen: Ja, es ist verfassungswidrig. Aber im Vordergrund stehen für mich die Demütigung und der Schaden, die für Betroffene entstehen.
Wer inspiriert Sie bei Ihrem Kampf?
Die Menschen aus der Kampagne inspirieren mich. Denn viele Menschen in der Bundesrepublik, gerade sympathisierende weiße Menschen, sehen die Kontrollen zwar als verfassungswidrig an, erfassen ihre Dimension aber nicht ganz. Sie glauben, dass es nur eine harmlose Maßnahme ist. Aber eine rassistische Kontrolle geht an die Substanz der Menschen. Sie berührt die eigene Identität, weil sie das Dasein des Kontrollierten in Frage stellt, beleidigt und beschämt. Gleichzeitig erfahren die Betroffenen sich als hilflos. Das begreifen viele weiße Menschen noch nicht: die Dimension der alltäglichen Demütigung, die die Betroffenen wegstecken müssen und krank macht.