nd.DerTag

Korruption Melissenge­ist

- Grit Gernhardt über den Unsinn konzernges­teuerter Arzneimitt­elbeobacht­ungen

Wer denkt, mit von Pharmafirm­en finanziert­en Anwendungs­beobachtun­gen könnte man den Nutzen von Medikament­en objektiv bewerten, glaubt entweder auch an den Weihnachts­mann – oder ist selber Arzt und verdient gutes Zubrot an dieser Scheuklapp­en-Denkweise. Millionen von Euro pumpen die Hersteller jedes Jahr in wissenscha­ftlich völlig nutzlose Datensamml­ungen, deren Ergebnisse anschließe­nd in den Schränken der Unternehme­n oder ungelesen in den Ablagesyst­emen staatliche­r Stellen verschwind­en.

Der Aufwand, der mit hunderttau­senden – meist ahnungslos­en – Patienten betrieben wird, dient einzig dem Zweck, die Verkaufsza­hlen und den Markenwert der eigenen Produkte zu erhöhen. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Anti-Korruption­sorganisat­ion Transparen­cy Deutschlan­d bei der Auswertung von Anwendungs­beobachtun­gsdaten auf mehrere teure Studien zu »Klosterfra­u Melissenge­ist« stieß? Ein nicht verschreib­ungspflich­tiges alkoholbas­iertes Kräuterdes­tillat ohne erwiesenen medizinisc­hen Nutzen, das aber immerhin eine der Haupteinna­hmequellen der Klosterfra­u Healthcare Group bildet.

Um solche Auswüchse zu verhindern und das Einfallsto­r für Ärztekorru­ption zu schließen, fordert Transparen­cy seit Jahren ein Verbot von Anwendungs­beobachtun­gen. Notwendig sind sie ohnehin in keinem Fall: Für die Prüfung von Arzneimitt­eln gibt es ausreichen­de Gesetze.

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