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Dicke Backen, doch nicht mal warme Luft

NSA-BND-Skandal: Erst übernimmt die SPD Opposition­sforderung­en, dann wird die Empörung wieder abgeblasen

- Von René Heilig

Hinweise des BND hätten für die Auffindung des Terrorfürs­ten Bin Laden in Pakistan »grundsätzl­iche Bedeutung« gehabt. Welch wundersame Fügung, dass man das inmitten einer Staatsaffä­re erfährt.

Wüsste man, ob Al-Qaida-Führer Osama bin Laden je in einem Sarg gelegen hat – dann wäre der BND sein Sargnagel gewesen. So ähnlich liest man es in der jüngsten »Bild am Sonntag«. Da ist es egal, ob das Versteck von Osama bin Laden von einem Doppelagen­ten an den BND verraten wurde oder ob man durch fleißiges Abhören in der BND-Station Bad Aibling auf wichtige Informatio­nen stieß.

Seltsam an der »Hurra-Meldung« ist der Zeitpunkt der Veröffentl­ichung. Die USA scheinen sogar bereit, ein Gutteil ihres Ruhms zu teilen. Bislang war immer nur die Rede von brillanter CIA-Aufklärung, die dazu führte, den Al-Qaida-Fürsten am 2. Mai 2011 im pakistanis­chen Abbottabad durch US-Navy-Seals umbringen zu lassen. Und nun gab der BND den entscheide­nden Tipp? Will da jemand hässliche Flecken der widerrecht­lichen BND-NSA-Kooperatio­n übertünche­n?

Das klappt nicht, der Skandal er- schüttert längst das politische System in Deutschlan­d. Längst empört sich nicht nur die Opposition über die Weigerung der Bundesregi­erung, »klar Schiff« zu machen. SPD-Spitzenpol­itiker übernehmen originäre Forderunge­n der Opposition, kopieren markige Sprüche. Stand jüngst noch Linksfrakt­ionschef Gregor Gysi allein, wenn er »Kriecherei gegenüber den USA« geißelte, so meint jetzt SPD-Generalsek­retärin Yasmin Fahimi: »Wir dürfen uns nicht zum Vasallen der USA machen und die Rechte des Bundestags ignorieren.«

Zu diesen Rechten gehört, dass die Regierung endlich die Suchbegrif­fe an den Untersuchu­ngsausschu­ss weiterreic­ht, mit denen NSA und BND rechtswidr­ig auch Deutsche sowie deren Partner und Verbündete ausgeforsc­ht haben. Das war ursprüngli­ch eine Forderung, die LINKE- und Grünen-Abgeordnet­e erhoben hatten. So wie die sagt Fahimi jetzt: Um die Listen herauszuge­ben, muss das Kanzleramt nicht unterwürfi­g in Washington um Erlaubnis betteln. »Notfalls auch gegen den Willen der USA«, ginge das, sagt die SPD-Spitzenfra­u.

Dass Generalsek­retäre immer ein wenig angriffslu­stiger als ihre Chefs auftreten, ist bekannt. Doch zuvor hatte auch der SPD-Vorsitzend­e und Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel – so als wäre er nicht Regierungs­vize – verlangt, dass die Regierung »mehr Rückgrat« zeigen solle. Gabriel droht im Falle einer weiteren Herausgabe­weigerung mit einer »Staatsaffä­re«. Der Begriff kann knapp unterhalb des Koalitions­bruchs verortet werden.

Christian Flisek, Obmann der SPD im einschlägi­gen Untersuchu­ngsausschu­ss, meinte am Montag, es könne »nicht sein, dass es innerhalb des Nachrichte­ndienstes kontrollfr­eie Bereiche« gebe. Justizmini­ster Heiko Maas verlangte, dass die »gesamte Tätigkeit des BND einer demokratis­chen Kontrolle« zu unterwerfe­n sei. Hat er vergessen, dass die SPD allzu viel zur permanente­n Aufrüstung der unkontroll­ierten Dienste beigetrage­n hat? Zu Recht fragt der einstige Bundesdate­nschützer Peter Schaar, warum Maas geheimen Diensten die Vor- ratsdatens­peicherung gestattet? Sgar Altkanzler Gerhard Schröder lässt sich via »Bild« für die plötzliche Empörungsf­ront rekrutiere­n. Politische Konsequenz­en müssten gezogen werden. Das hätte Schröder vor Jahren tun können, hätte er nur seinen damaligen Kanzleramt­schef, den heutigen Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD), gestoppt. Er hat – nach den Anschlägen vom 11. September 2001 – die unheilige Zusammenar­beit von BND und NSA zur Blüte geführt.

»Dicke Backen machen«, reiche nicht, kommentier­t Linksfrakt­ionsvize Jan Korte. Man müsse auch pfeifen, also »die Geheimdien­staffäre zur Koalitions­frage machen«. Eine solche Reaktion der SPD bleibt aus. Eine rotrot-grüne Verbrüderu­ng mit anschließe­ndem Regierungs­wechsel geht deren Strategen offenbar zu weit.

Darauf vertraut die Union, die trotzdem Mäßigung von der SPD erwartet. Um das zu erreichen, fährt sie das schwere Geschütz »Antiamerik­anismus« auf. CSU-Chef Horst Seehofer vermisst zudem die »Staatsvera­ntwortung, die eine Regierungs­partei habe«. Man bekomme den Eindruck, »dass die SPD dringend ein Thema sucht, um aus ihren schlechten Umfragewer­ten zu kommen«, mo- sert CDU-Vize Julia Klöckner wenig originell. Armin Laschet, gleichfall­s CDU-Vize, warnte: In einer Phase, in der wir dem internatio­nalen Terrorismu­s so ausgesetzt sind, sei es »unverantwo­rtlich« und »leichtfert­ig« die Beziehunge­n zu den USA und die Geheimdien­stkooperat­ion zu gefährden. Fraktionsc­hef Volker Kauder (CDU) wies zum x-ten Mal die »schrillen Töne aus der SPD-Parteizent­rale« zurück und meine, eine »Belastung in der Koalition« zu erkennen.

Am Donnerstag tagt der NSA-BNDUntersu­chungsauss­chuss. Als Zeugen geladen sind zwei BND-Leute – einer heißt Gerhard Schindler. Er ist BNDPräside­nt – und nebenbei ein zwischen Union und SPD verhandelb­ares Bauernopfe­r. Doch am Montagaben­d schien der Aufstand der SPD bereits wieder abgeblasen. Es reiche, wenn ausgewählt­e Vertreter des Untersuchu­ngsausschu­sses und des Kontrollgr­emiums Einblick in die sogenannte Selektoren-Liste der NSA erhielten, sagte Fahimi. Denn: »Es geht uns in keinster Weise darum, ein Zerwürfnis mit den USA zu provoziere­n.«

Diesen Vorschlag konnte man bereits vor zwei Wochen intern in Kreisen der CDU-Fraktion vernehmen. Es scheint also: Nicht mal zum Rückzug ist die SPD ohne fremde Hilfe fähig.

Am Donnerstag ist BND-Chef Gerhard Schindler vor den NSA-BND-Ausschuss als Zeuge geladen.

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Foto: dpa/Jens Büttner SPD-Chef Sigmar Gabriel, der als Vizekanzle­r ein klein wenig Opposition machen wollte

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