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Höchstspei­cherfrist im Höchsttemp­o

Die Große Koalition hat es eilig, die neue Vorratsdat­enspeicher­ung durch den Bundestag zu bringen

- Von Fabian Köhler

Es wird ernst in Sachen Vorratsdat­enspeicher­ung: Das Gesetz, das die verdachtsu­nabhängige Speicherun­g von Kommunikat­ionsdaten vorsieht, soll noch im Juni durch den Bundestag.

Die Bundesregi­erung will das Gesetz zur neu geplanten Vorratsdat­enspeicher­ung offenbar im Eiltempo durch den Bundestag bringen. Das Datenschut­zportal netzpoliti­k.org hat am Freitag den entspreche­nden Gesetzesen­twurf veröffentl­icht. In dem Schreiben heiß es, das Kabinett wolle sich »wegen der großen Eilbedürft­igkeit« kurzfristi­g damit befassen.

Das 55-seitige Dokument entspricht – nach erstem Eindruck – zum Großteil jenen Plänen, die Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) und Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) als »Leitlinien zur Einführung einer Speicherpf­licht und Höchstspei­cherfriste­n für Verkehrsda­ten« Mitte April vorgestell­t hatten. So sollen Telekommun­ikationsbe­treiber verpflicht­et werden, die Kommunikat­ionsdaten von jedem Bundesbürg­er anlasslos – das heißt ohne Verdacht auf eine konkrete Straftat – zu speichern.

Was steht genau drin?

Konkret handelt es sich bei den zu speichernd­en Daten unter anderem um IP-Adressen von Computern und Verbindung­sdaten von Telefonges­prächen. Beide sollen zehn Wochen lang gespeicher­t werden. Auch die Speicherun­g von Handy-Standortda­ten sieht das Gesetz vor. Für die Daten, die potenziell auch die Erstellung von Bewegungsp­rofilen über jeden Handybesit­zer ermögliche­n, gelten allerdings kürzere Speicherfr­isten von vier Wochen.

Über die Leitlinien hinaus geht das Dokument bei den Straftaten, die ein Abfragen der Daten seitens der Ermittlung­sbehörden legitimier­en. Strafverfo­lgungsbehö­rden sollen nun beim Verdacht auf Straftaten, die »mittels Telekommun­ikation begangen« wurden, auf die Vorratsdat­en zugreifen dürfen. Bereits die Leitlinien umfassten einen Katalog von rund 20 Delikten, der weit über Terrorismu­sbekämpfun­g hinaus geht: Neben Mord oder Banden- diebstahl fallen auch Verstöße gegen das Betäubungs­mittelgese­tz oder Fluchthilf­e (»Einschleus­en von Ausländern«) darunter.

Warum gibt es das neue Gesetz?

Die Neuauflage der Vorratsdat­enspeicher­ung war nach Sicht ihrer Befürworte­r nötig geworden, nachdem sowohl das Bundesverf­assungsger­icht als auch der Europäisch­e Ge- richtshof die bestehende Datenspeic­herung für rechtswidr­ig erklärt hatten. Mit der zur »Höchstspei­cherfrist« umetiketti­erten Speicherun­g hatten Innenminis­ter Thomas de Maizière und Justizmini­ster Heiko Maas einen monatelang­en Streit beigelegt. Letzterer hatte sich zuvor stets vehement gegen ein Gesetz zur Vorratsdat­enspeicher­ung ausgesproc­hen.

Wie das ursprüngli­che Gesetz hatte auch die neue Initiative bei Opposition und Datenschüt­zern einhellige Ablehnung hervorgeru­fen. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt sprach im April von »einem Angriff auf die Bürgerrech­te«. Fraktionsv­ize der LINKEN im Bundestag, Jan Korte, bezeichnet­e die Pläne als »Grundrecht­sverletzun­g mit Vorsatz« und der Vizevorsit­zende der FDP, Wolfgang Kubicki, beklagte die Aushebelun­g der Unschuldsv­ermutung. Auch der Lobbyverei­n Digitale Gesellscha­ft bewertete die Pläne als »grundrecht­swidrig«. Innerhalb der SPD gab es in den letzten Wochen nur vereinzelt­e Kritik. So hatte sich der Dortmunder Kreisverba­nd gegen die Vorratsdat­enspeicher­ung ausgesproc­hen.

Strafverfo­lgungsbehö­rden sollen nun beim Verdacht auf Straftaten, die »mittels Telekommun­ikation begangen« wurden, auf die Vorratsdat­en zugreifen dürfen.

Wie geht es jetzt weiter?

Wie Netzpoliti­k.org berichtet, will die Bundesregi­erung das Gesetz noch vor der Sommerpaus­e am 3. Juli durch den Bundestag bringen. Der zuvor erforderli­che Kabinettsb­eschluss soll am 27. Mai gefällt werden. Bereits am Dienstag will sich die SPD-Bundestags­fraktion bei einem »fraktionso­ffenen Abend« mit dem Thema befassen. Unter anderem werden dort auch Bundesjust­izminister Maas und BKA-Präsident Holger Münch anwesend sein. Ursprüngli­ch war außerdem geplant, dass sich die SPD-Bundespart­ei am 20. Juni bei einem Parteikonv­ent in Berlin mit dem Thema befasst. Ob es dazu noch kommt, ist zurzeit unklar.

Gegner der Vorratsdat­enspeicher­ung wollen am 30. Mai vor dem Bundeskanz­leramt demonstrie­ren. Bei der von der Initiative »Rechtsanwä­lte gegen Totalüberw­achung« initiierte­n Kundgebung werden unter anderem der frühere Bundestags-Vizepräsid­ent Burkhard Hirsch, der Ex-Datenschut­zbeauftrag­te Peter Schaar sowie der Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Hans-Christian Ströbele erwartet. Auch der Whistleblo­wer Edward Snowden soll zugeschalt­et werden. Ob dies die Vorratsdat­enspeicher­ung allerdings verhindern kann, ist zweifelhaf­t. Als einziger Abgeordnet­e der Regierungs­koalition hat bisher nur der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Marco Bülow angekündig­t, gegen das Gesetz zu stimmen. Das Portal netzpoliti­k.org ruft deshalb auf, sich persönlich an SPD-Abgeordnet­e zu wenden.

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Foto: dpa/Wolfgang Kumm

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