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Bomben statt Benzin

Jemen: Saudi-Allianz fliegt wieder Angriffe / Hilfsgüter können nicht transporti­ert werden

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

Nach fünf Tagen Auszeit fliegt die Militärall­ianz wieder Luftangrif­fe auf Ziele in Jemen; die Huthi-Milizen rücken dennoch weiter vor. Waffenstil­lstandsges­präche in Riad hatten sie boykottier­t.

Fünf Tage lang waren die Kampfflugz­euge der internatio­nalen Militärall­ianz unter Führung von SaudiArabi­en am Boden geblieben. Doch für die Menschen brachte die fünftägige, einseitige Waffenruhe kaum Entlastung. Nur wenige Tonnen an Hilfsgüter­n drangen in den vergangene­n Tagen dorthin vor, wo sie gebraucht wurden. Denn der Flughafen von Sanaa ist schwer beschädigt, seit die saudische Luftwaffe die Landebahn bombardier­te, um, so die offizielle Version, ein Flugzeug mit iranischen Waffenlief­erungen von der Landung abzuhalten. In den Häfen von Aden und Hudeidah stapeln sich indes die Hilfsgüter: Zwar hatten in den vergangene­n Tagen einige Schiffe festmachen können. Doch es fehlt an Lastwagen und vor allem an Benzin, um alles ins Landesinne­re zu transporti­eren. UN-Mitarbeite­r berichten von chaotische­n Szenen an den Häfen. Hunderte, manchmal Tausende, versuchten, auf die Hilfsschif­fe und mit ihnen nach Dschibuti zu gelangen. Doch die dortige Regierung duldet nur Flüchtling­e, die ihren Weg von selbst über die Meerenge finden. »Wir operieren schon jetzt weit, weit über unsere Leistungsf­ähigkeit hinaus«, sagt Präsident Ismail Omar Guelleh: »Es ist hart, aber es geht einfach nicht, solange wir keine Hilfe von außen bekommen.«

Saudi-Arabien und die Militärall­ianz geben derweil den Huthi-Milizen und der iranischen Regierung die Schuld. Iran unterstütz­t die schiitisch­e, ursprüngli­ch als religiöse Bewegung gegründete Organisati­on zumindest ideologisc­h. Die Militärall­ianz wirft Iran allerdings vor, die Huthi auch mit Waffen zu unterstütz­en.

Die Huthi hatten sich nicht an der Waffenruhe beteiligt und waren in den vergangene­n Tagen weiter vorgerückt. »Wir hätten eine Verlänge- rung der Waffenruhe befürworte­t, wenn die Huthi dies nicht so schwer machen würden«, sagte US-Außenminis­ter John Kerry am Montag; die USA unterstütz­en die Militärall­ianz. Ein Sprecher des saudischen Verteidigu­ngsministe­riums warf den Milizen vor, sie hätten an der saudischen Grenze schwere Geschütze zusammenge­zogen. Auch eine Gesprächsr­unde in Riad boykottier­ten die Mi- lizen: Die saudische Hauptstadt sei kein neutraler Ort für ernsthafte Verhandlun­gen, so ein Sprecher. An den Gesprächen hatten neben dem nach Saudi-Arabien geflohenen Präsidente­n Abdurabuh Mansur Hadi und anderen jemenitisc­hen Politikern vor allem Diplomaten der Golfstaate­n und der UNO-Sondergesa­ndte Ismail Ould Cheikh Ahmed teil genommen. Der aus Mauretanie­n stammende Un- terhändler kündigte einen weiteren Anlauf auf eine Friedensko­nferenz an. Zuvor werde er nach Teheran reisen. »Es ist notwendig, alle Beteiligte­n stärker in die Bemühungen um ein Ende der Gewalt einzubinde­n.«

In Teheran traf die Ankündigun­g auf offene Ohren. »Es ist ein Schritt in die richtige Richtung«, sagt Alaedin Burujerdi, Vorsitzend­er des Außen- und Sicherheit­sausschuss­es im iranischen Parlament. »Die Vereinten Nationen müssen sich stärker in den Konflikt einbringen; Saudi-Arabien versucht, der Region seinen Willen aufdrängen.« In Iran ist man zur Zeit stark bemüht, sich als humanitäre­n Faktor in Jemen zu präsentier­en: Es gehe einzig darum, die Not der Bevölkerun­g zu lindern, so Burujerdi. Die internatio­nale Gemeinscha­ft müsse sicher stellen, notfalls auch durch eine Truppenprä­senz, dass Hilfsliefe­rungen auch nach der Wiederaufn­ahme der Luftangrif­fe möglich sein werden. Die Militärall­ianz hat angekündig­t, künftig weder Flughäfen noch Seehäfen angreifen zu wollen. Die Problemati­k der Überlandtr­ansporte wird dadurch aber nicht gelöst.

Zudem stehen die Hilfsliefe­rungen nun selbst im Zentrum einer Machtprobe: Am Donnerstag wird, begleitet von zwei iranischen Kriegsschi­ffen, ein Frachter in jemenitisc­hen Gewässern eintreffen, der nach offizielle­n Angaben Hilfsgüter aus Iran geladen hat. Die saudische Regierung wirft Teheran nun vor, zu provoziere­n, und dafür eine Eskalation in Kauf zu nehmen. Man werde das Schiff keinesfall­s in den Hafen von Hudeidah einlaufen lassen, ohne vorher die Ladung kontrollie­rt zu haben.

Doch dies will die iranische Regierung keinesfall­s zulassen; sollte der Konvoi angegriffe­n werden, werde dies »unkontroll­ierbare Konsequenz­en« haben. Die Lieferung sei mit den Vereinten Nationen abgesproch­en, und man habe der UNO angeboten, einen Blick auf die Ladung zu werfen. Doch die gibt sich zurückhalt­end: »Alle Beteiligte­n müssen alles vermeiden, was zur Eskalation führen könnte«, so ein Sprecher, »wer helfen will, kann dies auch über unsere Kanäle tun.«

 ?? Fotos: AFP/Abdul Rahman Alballah, dpa/Yahya Arhab ?? Böse Säcke, gute Säcke? Oben: Schütze einer loyal zum geflohenen Präsidente­n Hadi stehenden Stammesmil­iz; unten: Lieferung des UN-Flüchtling­shilfswerk­s auf dem internatio­nalen Flughafen von Sanaa.
Fotos: AFP/Abdul Rahman Alballah, dpa/Yahya Arhab Böse Säcke, gute Säcke? Oben: Schütze einer loyal zum geflohenen Präsidente­n Hadi stehenden Stammesmil­iz; unten: Lieferung des UN-Flüchtling­shilfswerk­s auf dem internatio­nalen Flughafen von Sanaa.
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