Nur »befriedigend« für den Musterschüler
EU stellt Empfehlungen für deutsche Wirtschaft vor
Die schwarz-rote Regierung in Berlin schafft zwar ihre schwarze Null. Doch in anderen Bereichen hat Berlin der EU-Kommission zufolge großen Nachholbedarf.
Müssten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Minister noch mal die Schulbank drücken, wären sie bei weitem nicht in allen Fächern Musterschüler. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hat SchwarzRot am Montag in Berlin zu mehr Investitionen aufgerufen. Angesichts der derzeitigen Überschüsse gebe es dazu einen finanziellen Spielraum, so der Brüsseler Spitzenpolitiker.
Bereits vergangenen Mittwoch hatte Brüssel Handlungsempfehlungen für Berlin, Madrid, Paris und Co. veröffentlicht. Dies geschieht jährlich im Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters, das die EU im Jahr 2011 einführte. Damit soll die Wirtschaftspolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten besser untereinander abgestimmt werden. So überwacht die EU-Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters, ob die einzelnen Nationalstaaten ihren Verpflichtungen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nachkommen.
Zumindest Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kann sich freuen, dass er sein Soll mehr als erfüllt hat: »Nach der Frühjahrsprognose 2015 der Kommission wird der strukturelle Saldo das mittelfristige Ziel weiterhin übertreffen«, schreibt Brüssel. Damit dürfe der Bruttoschuldenstand »über die Anforderung der Schuldenregel hinaus auf einem festen Abwärtspfad bleiben«. Deutschlands oberster Kassenwart hofft, bis 2019 den öffentlichen Schuldenstand auf 61,5 Prozent der Wirtschaftsleistung senken zu können.
Doch Schäubles Sparfüchsigkeit hat auch seine Schattenseiten. Das wohl größte Problem: Deutschland investiert zu wenig. »Angesichts weiterhin unzureichender privater und öffentlicher Investitionen, die das Wachstum bremsen« seien die Risiken gewachsen, schreibt die Kommission. Neben dem »weiterhin genau im Auge zu behaltenden« Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands im Außenhandel ist dies Brüssel zufolge ein wirtschaftliches Ungleichgewicht, das »entschlossene politische Maßnahmen« erfordert. Die bisher geplanten zehn Milliarden Euro für die Infrastruktur sowie fünf Milliarden Euro für die Kommunen reichen da nicht aus, um den Investitionsstau aufzulösen.
Auch die Ungerechtigkeit des deutschen Steuersystems nimmt die EUKommission ins Visier. Die Steuer- und Abgabenbelastung von Geringverdienern sei seit 2001 unverändert und gehöre nach wie vor zu den höchsten in der EU, prangern die Brüssler Beamten an. Auch sei das Ehegattensplitting ein Fehlanreiz, der Anteil vollzeitbeschäftigter Frauen gering und die Zahl der von Frauen im Durchschnitt geleisteten Arbeitsstunden eine der niedrigsten in der EU.
Schwarz-rot bekommt von Brüssel also nur ein »befriedigend«. Doch ob eine bessere Benotung wirklich besser wäre, ist fraglich. Schließlich empfehlen die Bürokraten Deutschland auch, »mehr Anreize für einen späteren Renteneintritt« zu setzen und »ehrgeizigere Maßnahmen« zu ergreifen, um den Wettbewerb im Dienstleistungssektor zu verstärken.