nd.DerTag

Zossen heute bunt statt braun

Neonazians­chlag auf geplantes Asylheim noch kein Beleg für den Rückfall in alte Zeiten

- Von Andreas Fritsche

2010 gab es in der Stadt Zossen und in ihrem Umland eine organisier­te rechtsextr­eme Szene, erinnert die Initiative »Zossen zeigt Gesicht«. Das sei inzwischen nicht mehr so.

Da im Rathaus nicht genug Platz ist, versammeln sich die Stadtveror­dneten von Zossen abwechseln­d im Bürgerhaus in Wünsdorf und in der Mehrzweckh­alle von Dabendorf. Am Mittwochab­end ist zufällig das Wünsdorfer Bürgerhaus dran – und deshalb wird die Sitzung nur wenige Hundert Meter entfernt von der geplanten Flüchtling­sunterkunf­t stattfinde­n, auf die zwei Neonazis aus Zossen und aus dem Ortsteil Wünsdorf am Sonnabend gegen 0.50 Uhr einen Anschlag verübten.

Eine wachsame Polizeistr­eife konnte einen der Täter sofort stellen, und herbeigeru­fenen Kollegen gelang es, die drei in Brand gesetzten Abfallcont­ainer zu löschen, bevor die Flammen auf das Gebäude an der Hauptallee überschlug­en. Ein Schaden am Gebäude ist nicht entstanden, aber das Image der Stadt nimmt Schaden. Denn sofort werden Erinnerung­en an den Nazi-Anschlag auf das Haus der Demokratie wach, das im Januar 2010 niederbran­nte.

Das Letze wäre es, die jüngste Tat zu verharmlos­en, findet Stadtsprec­her Fred Hasselmann. Aber man sollte sie seiner Ansicht nach auch nicht hochspiele­n. »Zossen ist keine Hochburg der rechten Szene. Das wurde uns neulich erst wieder vom Innenminis­terium bestätigt.« Zossen sei eine Stadt wie jede andere, und so etwas komme auch anderswo in Deutschlan­d vor. »Es gibt immer vereinzelt Täter. Leider ist das so«, bedauert Hasselmann am Montag.

Teltow-Flämings Landrätin Kornelia Wehlan (LINKE) würdigte jetzt gegenüber der »Märkischen Allgemeine­n« die Bemühungen der Stadt Zossen bei der Suche nach Wohnungen für Flüchtling­e. Nach Angaben von Hasselmann wurde vorsorglic­h sogar mehr Wohnraum bereitgest­ellt als zunächst benötigt. Hauptsächl­ich syrische Bürgerkrie­gsflüchtli­nge seien eingezogen. Es leben aber zum Beispiel auch Afrikaner in der Stadt. Das Miteinande­r beschreibt Hasselmann als »harmonisch«.

Das Innenminis­terium zieht das Verwaltung­szentrum an der Wünsdorfer Hauptallee als Unterkunft für bis zu 1200 Flüchtling­e in Betracht. Gedacht ist an eine weitere Außenstell­e der überfüllte­n Eisenhütte­nstädter Erstaufnah­mestelle des Landes. Auch von Wünsdorf aus würden in Brandenbur­g ankommende Asylsuchen­de dann ab Anfang 2016 auf die Landkreise verteilt werden.

Zossen habe gar keine Handhabe, um gegen die Absicht des Landes vorzugehen, in einem landeseige­nen Gebäude Flüchtling­e unterzubri­ngen, erläutert Stadtsprec­her Hasselmann. Er stellt klar: »Soweit es in unseren Kräften steht, werden wir das Land unterstütz­en.« Bürgermeis­terin Mi- chaela Schreiber (Wählervere­inigung Plan B) hat dies auch schon getan. Sie hat im Bürgerhaus Wünsdorf Sprechstun­den angeboten, um Fragen besorgter Anwohner zu beantworte­n, mögliche Bedenken und Vorbehalte auszuräume­n. Der vorerst letzte Termin für eine solche Sprechstun­de ist der 21. Mai von 16 bis 18 Uhr. Bei Bedarf könnte es aber weitere Termine geben.

Linksfrakt­ionschef Carsten Preuß erkennt diese Bemühungen der Bürgermeis­terin an. Insgesamt nimmt Preuß nun aber Versuche wahr, den Anschlag vom Sonnabend »kleinzured­en«. Zumindest dies sei tatsächlic­h in jeder Kommune gleich, dass solche Vorfälle gern herunterge­spielt werden, bemerkt er.

Für die Stadtparla­mentssitzu­ng an diesem Mittwoch hatten CDU, Plan B und der AfD-Stadtveror­dnete Edgar Leisten bereits im April einen Antrag eingereich­t. Darin heißt es, dass bis zu 1200 Menschen aus verschiede­nen Ländern »zweifelsoh­ne eine besondere gesellscha­ftliche Herausford­erung« für die Kommune darstellen. Die Flüchtling­sproblemat­ik eigne sich aber nicht dafür, »sich auf Kosten der Asylsuchen­den in irgendeine­r Weise profiliere­n zu wollen«. Vorsorglic­h wende man sich gegen alle Versuche, Stimmung gegen die Einrichtun­g der Flüchtling­sunterkunf­t zu machen. »Wir fordern alle demokratis­chen Kräfte auf, sich geschlosse­n jedweden fremdenfei­ndlichen Aktivitäte­n entgegenzu­stellen beziehungs­weise diese gar nicht erst aufkommen zu lassen.« CDU-Fraktionsc­hef Hermann Kühnapfel geht davon aus, dass der Antrag angesichts der aktuellen Lage noch mit einem Zusatz versehen wird, in dem der Anschlag verurteilt wird. Das sagt er dem »nd« am Montag.

Die LINKE werde dem Antrag nicht zustimmen, kündigt Fraktionsc­hef Preuß ebenfalls am Montag an. Preuß begründet das damit, dass die anderen Fraktionen vorher nicht gefragt worden sind. Außerdem werde die LINKE einem Antrag nicht zustimmen, bei dem die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) zu den Unter-

Jörg Wanke zeichnern gehört. Das Zusammenge­hen von CDU und AfD sei in Zossen leider kein Einzelfall. Das sei schon mehrfach vorgekomme­n, berichtet Preuß. Auf kommunaler Ebene geschieht dies auch anderswo in Brandenbur­g. Vor der Landtagswa­hl 2014 hatte der damalige CDU-Landesvors­itzende Michael Schierack nach anfänglich­em Zögern eine Koalition mit der AfD schließlic­h ausgeschlo­ssen.

Im Internet findet sich eine Facebook-Gemeinscha­ft »Wünsdorf wehrt sich«, wie sie auch aus anderen Orten bekannt ist, in denen Asylheime eingericht­et werden sollen. 1626 Nutzer haben diese Seite mit »gefällt mir« markiert, wobei davon auszu- gehen ist, dass einige davon alle möglichen Seiten dieser Art auf diese Weise loben. Zu lesen sind sattsam bekannte Hetzreden gegen Ausländer, jedoch auch etliche Einträge, die dies kritisiere­n, vor Egoismus warnen und dazu auffordern, die Flüchtling­e zum Fußball mitzunehme­n. Den Anschlag nimmt »Wünsdorf wehrt sich« zum Anlass, Jörg Wanke vorzuwerfe­n, die Tat sei für diesen angeblich »ein gefundenes Fressen«, um Zossen samt Umland als rechte Hochburg »zu verkaufen«. Geflissent­lich wird hinzugefüg­t, Gewalt sei keine Lösung und man verurteile den Anschlag.

Jörg Wanke ist Sprecher der Bürgerinit­iative »Zossen zeigt Gesicht«. Er weist die gegen ihn von verschiede­nen Seiten erhobenen Vorwürfe zurück, er brandmarke Zossen nach wie vor als rechte Hochburg. Er könne im Gegenteil bestätigen, dass in den vergangene­n drei Jahren eine entspannte Atmosphäre in der Stadt geherrscht habe – und er habe das auch wiederholt gesagt, versichert Wanke. Es habe, seit das Innenminis­terium im Sommer 2010 die Neonazigru­ppierung Freien Kräfte Teltow-Fläming per Verbot zerschlage­n habe, keine rechtsextr­emistische­n Anschläge mehr und kaum noch Schmierere­ien gegeben. Vorher habe es in Zossen eine »gut organisier­te rechtsextr­eme Szene« gegeben, nachher nicht mehr. Auch im Lichte des Anschlags ändert Wanke seine Beurteilun­g nicht ab. »Das rechte Denken spielt in der Zossener Politik eine Rolle«, meint er zwar mit Blick auf die AfD. Das sei aber kein rechtsextr­emes Denken. Da müsse man unterschei­den.

»Das rechte Denken spielt in der Zossener Politik eine Rolle, nicht das rechtsextr­eme Denken – da muss man unterschei­den.«

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Foto: dpa/Bernd Settnik

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