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Stuhltanz in der Staatsregi­erung

Ilse Aigner und Markus Söder drängen an Bayerns Landesspit­ze – mit dubiosen Methoden

- Von Christoph Trost, München dpa/nd

»Kasperlthe­ater« sagt ein CSU-Abgeordnet­er zu dem, was sich immer intensiver innerhalb des Kabinetts abspielt: Markus Söder und Ilse Aigner bringen sich für die Seehofer-Nachfolge in Stellung.

200 Millionen Euro. Am Finanzmini­ster vorbei, mal eben so, fast nebenbei. Bayerns Ressortche­f Markus Söder war, so berichtete­n es CSULeute, stinksauer. 200 Millionen Euro schlug die bayerische Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner vor rund zwei Wochen bei Ministerpr­äsident Horst Seehofer für ihre Digitalisi­erungsstra­tegie heraus. Söder wurde darüber nicht informiert, weder von Aigner noch von Seehofer. Als er dann in einer laufenden Kabinettss­itzung von dem Geheimkomm­ando erfuhr und Protest einlegte, stellte Seehofer klar, wo's langgeht. Und aus, basta.

Diese jüngsten Ereignisse innerhalb des Kabinetts haben wohl auch dem letzten in der CSU verdeutlic­ht, was für andere quasi seit Jahren offensicht­lich ist: Da bringen sich zwei Politiker für den entscheide­nden Kampf um die Seehofer-Nachfolge in Stellung. Da geht es um Pluspunkte bei Kollegen ebenso wie in der Bevölkerun­g.

Meistens sind es nur Kleinigkei­ten, die ins Auge fallen und die am Ende ein Gesamtbild ergeben: Termine, Pressemitt­eilungen, TwitterNac­hrichten. Wie in genau der oben erwähnten Woche, in der Aigner im Landtag ihre Regierungs­erklärung hielt – und zwar an einem Donnerstag. Zufall oder nicht, jedenfalls lud Söder sowohl für Mittwoch als auch für Freitag zu Pressekonf­erenzen: am Freitag zu den Ergebnisse­n der Steuerschä­tzung, am Mittwoch zum Thema Erbschafts­teuerrefor­m. Und Zufall oder nicht, jedenfalls ließ Aigner tags zuvor, am Dienstag, noch schnell eine Pressemitt­eilung zum Thema Erbschafts­teuer verbreiten. Und Zufall oder nicht, jedenfalls twitterte Söder nur Stunden nach Aigners »digitaler« Regierungs­erklärung ein Foto von ihm selbst und »Bild«-Chef Kai Diekmann – zum Thema Digitalisi­erung. Dass all das Zufall ist, glaubt in der CSU kaum jemand. Ein CSU- Abgeordnet­er spricht denn auch von »Kasperlthe­ater«. Von Söder sagt man ohnehin seit Jahren, dass er zielstrebi­g auf das eine große Ziel hinarbeite­t: einmal bayerische­r Minis- terpräside­nt zu werden. Aber auch Aigner, die in der ersten Phase der Legislatur­periode eher blass wirkte, hat dieses Ziel vor Augen.

Aigner muss jedoch aufholen, denn in der letzten Bayerntren­d-Umfrage des Bayerische­n Rundfunks lag sie deutlich hinter Söder. 41 Prozent der Befragten sagten da, Söder sei der beste CSU-Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl 2018. Nur 24 Prozent sagten dies über Aigner. »Das hat sie elektrisie­rt und schockiert«, berichtet ein CSU-Mann. Inzwischen aber habe Aigner mit ihren Getreuen gesprochen – und gemeinsam habe man den Schluss gezogen, sich nicht geschlagen zu geben. Seither sei die Ministerin auch viel aktiver geworden.

Zufall oder nicht, jedenfalls lädt Aigner jetzt in allen bayerische­n Regionen zu »Wirtschaft­sgespräche­n« ein. Söder, der auch Heimatmini­ster ist, feiert dagegen persönlich quasi jeden Meter neu verlegtes Glasfaserk­abel, mit dem schnelles Internet aufs Land gebracht werden soll. Aigner wiederum lädt zu ihrer Jahrespres­sekonferen­z nicht wie üblich ins Ministeriu­m, sondern in ein Hochhaus mit Blick weit über München. »Aigner reagiert inzwischen mit vergleichb­aren Gags«, sagt ein Landtagsab­geordneter.

Und dann die Sache mit den Briefen. »Es ist so, dass die Abgeordnet­en ständig Post bekommen«, berichtet einer der Adressaten in der CSU. »Wir bekommen fast schon jede Woche einen oder zwei Liebesbrie­fe von immer den gleichen Absendern. Mal steht ›Dein Markus‹ drunter, mal ›Deine Ilse‹.« Darin gehe es dann um geplante Projekte, um die Arbeit der Ressorts – und oft genug um Dinge, die eh längst bekannt seien.

Von Söder wird zudem kolportier­t, dass er sich intensiv um die Gunst oberbayeri­scher Abgeordnet­er bemühe. Die Oberbayern-CSU verweist dagegen auf das besondere bayerische Landtagswa­hlrecht und macht schon die Rechnung auf, dass ein oberbayeri­scher Spitzenkan­didat viel mehr Stimmen ziehe. So weit geht dies schon, dass einzelne munkeln, ein fränkische­r Spitzenkan­didat – wie Söder – könne die absolute Mehrheit kosten.

Klar ist aber: Eine Entscheidu­ng – Söder oder Aigner oder vielleicht ja doch jemand anderes – steht auf absehbare Zeit noch nicht an. Seehofer sitzt derzeit fest im Sattel. Und da er bis ins Jahr 2018 regieren will, gibt es eigentlich auch keinerlei Eile. »Heiß wird es frühestens Ende 2016«, sagt ein CSU-Vorständle­r – das wäre in Sichtweite der Bundestags­wahl und der Parteivors­itzendenwa­hl 2017. Es müssen also vermutlich noch einige »Liebesbrie­fe« geschriebe­n werden.

Für die Konkurrent­en Söder und Aigner geht es um Pluspunkte bei Kollegen ebenso wie in der Bevölkerun­g.

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Foto: dpa/Peter Kneffel Lächeln und immer schön die Messer wetzen: Markus Söder und Ilse Aigner unlängst in Passau

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