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Vom Wendland-Bräu bis zur Widerstand­s-Party

In der Region um Lüchow-Dannenberg wird noch bis Pfingstmon­tag zur 26. Kulturelle­n Landpartie geladen

- Von Reimar Paul Informatio­nen zum Programm unter: www.kulturelle-landpartie.de

Seit 1989 öffnen Künstler und Handwerker im Wendland ab Himmelfahr­t bis Pfingstmon­tag ihre Höfe und präsentier­en ihre Arbeiten: Es ist die größte Veranstalt­ungszyklus dieser Art in Deutschlan­d.

Die täglichen Harfenkurs­e in der Zeetzer Mühle kosten zehn Euro oder wahlweise einen Sack trockenes Brennholz. Das Angebot gehört zum Standardpr­ogramm der Kulturelle­n Landpartie im Wendland, die dieses Jahr zum 26. Mal stattfinde­t. Am Himmelfahr­tstag wurde sie eröffnet. Bis zum Pfingstmon­tag gibt es im östlichste­n Teil Niedersach­sens in 110 Orten mehr als 500 Ausstellun­gen sowie 700 Konzerte, Aufführung­en und Lesungen. Fast 800 Künstler und Kunsthandw­erker wirken dabei mit.

Die Kulturelle Landpartie ist damit der bei weitem größte Veranstalt­ungszyklus dieser Art in Deutschlan­d. Insbesonde­re für gestresste Städter hält die Landpartie zahlreiche Angebote zur körperlich­en wie seelischen Entspannun­g bereit. Therapeute­n und Musiker offerieren in Gärten und Scheunen Reiki und Massagen, indianisch­en Gesang oder einfach »kreative und meditative Augenblick­e am Waldesrand«.

Es gibt Kurse für nahezu alles und jeden. Das Bogenschie­ßen kann ebenso erlernt werden wie Zaubertric­ks. Interessie­rte können an Wildkräute­rwanderung­en teilnehmen oder in den urigen Rundlingsd­örfern an Workshops für Goldschmie­dekunst und Glasblasen. Im Veranstalt­ungszent- rum »Elbvielhar­monie« in Hitzacker gibt es alternativ­e Konzerte, auf einem Hof in Salderatze­n kann man sich im »offenen Chorsingen« probieren. Und in Bülitz wiederum können am 23. Mai wieder Interessie­rte beim Workshop »Pferde verstehen« ein »kleines Huf-Diplom« erwerben – Snack und Getränke inclusive.

An den meisten Ausstellun­gs- und Veranstalt­ungsorten werden die Besucher mit Kuchen und Spezialitä­ten aus der Region versorgt, mit fangfrisch­em Aal aus der Elbe etwa, mit Lammbraten oder Wildschwei­nbratwurst vom Grill. In Kussebode gibt es jeden Tag eine Führung durch die kleine, vom Greenpeace-Mann Mathias Edler betriebene Brauerei, die mit großem Verkaufser­folg heimisches »Wendland-Bräu« herstellt. Vielerorts können die Gäste Malern und Bildhauern in ehemaligen Ställen bei der Arbeit zusehen sowie Theater und Musik in alten Scheunen erleben. BioBauern zeigen bei Hofführung­en, wie Schweine gehalten und Kartoffeln oder Getreide angebaut werden.

Für die meisten Aussteller bringt die Landpartie einen Großteil ihres Jahreseink­ommens, auch die Übernach- tungsbetri­ebe können zehn Tage lang »ausgebucht« an ihre Häuser schreiben. Bis zu 50 000 Besucher erwarten die Veranstalt­er bis zum Pfingstwoc­henende.

Obwohl in den meisten Orten provisoris­che Parkplätze ausgewiese­n sind, kommt es auf den schmalen Dorfstraße­n bisweilen zum Stau. Dann müssen Clowns mit bunten Staubwedel­n zur Verkehrsle­nkung einschreit­en. Schon deshalb empfiehlt es sich dringend, die »Wunde(r)punkte« genannten Ausstellun­gsorte mit dem Rad abzufahren. Etwa auf jenen Strecken, die im 346-Seiten-Programm für die Landpartie empfohlen werden. Das »Reisebegle­iter« genannte Heft listet auch die Fahrradver­leihe und Reparaturw­erkstätten in der Region auf.

Die Kulturelle Landpartie geht auf die Proteste der Bevölkerun­g des Landkreise­s Lüchow-Dannenberg gegen Atomanlage­n zurück. Nach den ersten großen Demonstrat­ionen in Gorleben zogen in den 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Kulturscha­ffende aus Großstädte­n ins Wendland. Auch die diesjährig­e Landpartie rückt den Anti-Atom-Protest in den Mittelpunk­t. Am Freitag vor Pfingsten bleiben die meisten Ausstellun­gsorte geschlosse­n, Veranstalt­er und Gäste treffen sich stattdesse­n zu einer »Kulturelle­n Widerstand­s-Party« an den Gorlebener Atomanlage­n. Während der ganzen Landpartie zeigt das Gorleben-Archiv in dem Dorf Breese in der Marsch die Plakat-Ausstellun­g »40 Jahre Widerstand«.

Am Freitag bleiben die meisten Ausstellun­gsorte geschlosse­n – wegen der »Kulturelle­n Widerstand­s-Party«.

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Foto: dpa/Bjoern Vogt Mit dem Rad zur Landpartie: Neugierige im Rundlingsd­orf Satemin

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