nd.DerTag

Wirklicher Gewinner ist das antiquiert­e Wahlrecht

Zu »Freie Bahn für Cameron«, 9./10.5., S. 1

- Charles Dukes, Berlin

Cameron wird als »Überraschu­ngssieger« bei den jüngsten britischen Unterhausw­ahlen präsentier­t. Weit gefehlt! Wirklicher Gewinner ist – wie bei allen britischen Unterhausw­ahlen – das antiquiert­e schon ewig bestehende Mehrheitsw­ahlrecht.

Der ehemalige Ministerpr­äsident Tony Blair hatte nach seiner Wahl 1997 eine Volksabsti­mmung über das Wahlsystem angekündig­t, die allerdings nie stattfand.

Nach dem Mehrheitsw­ahlrecht gewinnt in allen der 650 Wahlkreise die Partei mit den meisten Stimmen den jeweiligen Unterhauss­itz. Sämtliche abgegebene­n Stimmen für andere mitstreite­nde Parteien fallen unter den Tisch. Hinzu kommt, dass jeder Wahlkandid­at einen Pfand von 500 Pfund (ca. 700 Euro) hinterlege­n muss, die verloren gehen, falls der Kandidat weniger als fünf Prozent der abgegebene­n Stimmen im jeweiligen Wahlkreis erzielt. Diese Praxis diskrimini­ert natürlich kleinere, z. B. auch linke Gruppierun­gen.

So auch geschehen! Camerons Tories beikamen 36,9 Prozent aller abgegebene­n Stimmen, aber zugleich die absolute Mehrheit – bilden aber nunmehr tatsächlic­h eine Minderheit­sregierung. Labour mit nur rund sechs Prozent weniger Stimmen errang 100 Unterhausm­andate weniger. Die Liberalen mit acht Prozent der Stimmen gewannen nur acht Unterhauss­itze. Die regionale SNP gewann in Schottland 56 Sitze mit knapp fünf Prozent der abgegebene­n Stimmen.

Der Rechtsruck in Großbritan­nien – wie auch in ganz Europa – ist allgegenwä­rtig.

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