Ein Sieg für die sichere Zukunft
Die Füchse Berlin feiern mit ihrem scheidenden Trainer Dagur Sigurdsson den EHF-Cup
Die Berliner Füchse feiern ihren ersten internationalen Handballtitel. Das perfekte Ende einer erfolgreichen Saison für Nationaltrainer Dagur Sigurdsson.
Von der Decke der Max-SchmelingHalle ging ein goldener Starkregen herunter, 8200 Zuschauer sangen aus voller Kehle ein altbewährtes Lied: »So ein Tag, so wunderschön ...« – die Berliner Handball-Füchse feierten mit dem Gewinn des EHF-Cups ausgelassen den größten Triumph ihrer Klubgeschichte. Und mittendrin Dagur Sigurdsson, der sonst so coole Trainer, den die Fans selten so herzerfrischend lachen sahen wie an diesem späten Sonntagabend.
Der Isländer fällt meist nur mit ernstem Blick auf, hier und da mal eine geballte Faust. Doch im Tanzreigen seiner Spieler ergriffen auch Sigurdsson die Emotionen. Seit 2009 ist er Trainer der Füchse, doch in gut vier Wochen ist Schluss, dann betreut er exklusiv die deutsche Nationalmannschaft. Bisher spielte er eine Doppelrolle. »Auf Dauer ist diese Belastung zu hoch«, gibt der Isländer zu.
Durch den 30:27-Sieg über den HSV Hamburg sicherte Sigurdsson seinem alten Klub trotzdem schon mal eine sichere Zukunft. Der Erfolg im zweitwichtigsten europäischen Klubwettbewerb war gleichzeitig die Qualifikation für diesen Wettbewerb in der kommenden Saison. Einen schöneren Abschied als das Pokalfoto zur Erinnerung war für ihn dann auch nur schwer vorstellbar: »Es ist ein wunderschöner Moment für mich. Nach unserem Ausscheiden im DHB-Pokal vor einer Woche in Hamburg war es schwer, zwischen Übereifer und Nachlässigkeit die Balance zu halten. Da bedurfte es Fingerspitzengefühls, die Vorbereitung genau zu steuern.«
Es glückte. Sigurdsson sah in dem Cup-Gewinn gar ein kleines Wunder: »Wir haben ein schweres Jahr mit schweren Verletzungen unserer Führungsspieler hinter uns. Wir haben oft nicht gut gespielt. Vor dem Finalturnier hatte ich aber ein gutes Gefühl, weil ich sah wie die Mannschaft brennt. Die Jungs haben Charakter gezeigt. Die in letzter Zeit häufig kritisierten Silvio Heinevetter und Konstantin Igropulo sind zur Glanzform aufgelaufen.« Heinevetter wurde dann auch als bester Torwart des Tur- niers ausgezeichnet und der Russe Igropulo trug mit sechs Toren wesentlich zum Sieg der Füchse bei.
Sigurdsson hinterlässt seinem Nachfolger und Landsmann Erlingur Richardsson ein geordnetes Team. Der Abschied wird ihm auch deshalb nicht schwerfallen, weil der Familienvater und 217-fache isländische Nationalspieler schon an Wohnortwechsel gewöhnt ist. Mit 25 Jahren sagte er den heimischen Geysiren tschüss und heuerte beim LTV Wuppertal an. Von dort zog es ihn nach Hiroshima in Japan. Bis heute hat er dorthin Verbindungen und der Japaner Kohei Narita spielt zur Ausbildung bei der zweiten Mannschaft der Füchse. Aus Japan wechselte Sigurdsson wiederum nach Bregenz in Österreich. Von 2007 an betreute er von Reykjavik aus sogar die österreichische Nationalmannschaft, ehe ihn Manager Bob Hanning nach Berlin lockte.
Mit dem Cupsieg liegt eine persönlich erfolgreiche Saison hinter Sigurdsson. Die Füchse stehen mit dem EHF-Pokal glänzend da, hinzukommt Platz sieben bei der WM und das Erreichen des olympischen Qualifikationsturniers 2016 mit dem National- team. Auch in der EM-Qualifikation ist die Auswahlmannschaft auf gutem Wege.
Da konnte der Isländer in der Nacht zum Montag in der Felix-Bar des Nobelhotels Adlon schon mal ein bisschen die Sau raus lassen. Dort stieß auch Hanning zum Team. Beim Spiel fehlte er noch, denn er weilte lieber bei der B-Jugend, die in Essen Meister wurde. »Auch diese Truppe liegt Bob am Herzen«, erklärte Sigurdsson. 2014 wurde sie Schulweltmeister. Und Paul Drux sowie Fabian Wiede, die beide bei tollen Quoten je vier Tore gegen den HSV erzielten, gehörten vor drei beziehungsweise vier Jahren selbst noch zur eigenen Kaderschmiede.
Vielleicht lädt Dagur Sigurdsson die Füchse noch nach Reykjavik ein, obwohl er selbst an der Umsetzung noch zweifelt: »Die Zeit wird wohl nicht reichen«, meint er. Die Unterbringung wäre jedenfalls kein Problem. Sigurdsson hat ein altes Fabrikgebäude zum Hostel umbauen lassen, wo nun zahlreiche Wanderer immer eine Bleibe finden. Ein letzter gemeinsamer Ausflug wäre ein schönes Abschiedsgeschenk. Der EHF-Pokal dürfte zur Not aber auch reichen.