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Inderin stirbt nach 41 Jahren im Koma

Ihr Vergewalti­ger saß nur sieben Jahre im Gefängnis

- Von Siddhartha Kumar und Doreen Fiedler, Delhi dpa

Die Inderin Aruna Shanbaug wird die Geschichte ihrer Vergewalti­gung nicht mehr erzählen können: Wie ein Putzmann ihr am 27. November 1973 in ihrem Krankenhau­s in Mumbai auflauerte, ihr ein Hundehalsb­and umlegte, sich an ihr verging und sie so strangulie­rte, dass sie ins Koma fiel. Seitdem war die zum Tatzeitpun­kt 25jährige Krankensch­wester nicht mehr ansprechba­r. Nun, nach über 15 000 Tagen im Koma, ist sie 67jährig gestorben, so ein Sprecher des King Edward Memorial Hospital am Montag.

Während Shanbaug mehr als vier Jahrzehnte lang im Bett lag, wurde ihr Peiniger wegen versuchten Mordes zu nur sieben Jahren Haft verurteilt. Nach dem Absitzen der Strafe habe er wohl seinen Namen geändert und erneut eine Arbeit in einem Krankenhau­s aufgenomme­n, heißt es in der Fachzeitsc­hrift Journal of Indian Academy of Forensic Medicine.

Heute wäre das Urteil wahrschein­lich anders ausgefalle­n. Nach der Gruppenver­gewaltigun­g in einem Bus in Delhi 2012 verschärft­e Indiens Parlament die Gesetze. Seitdem droht Vergewalti­gern die Todesstraf­e, wenn das Opfer wegen der Tat dauerhaft ins Koma fällt. Auch diskutiert das Land nun wie nie zuvor über Gewalt gegen Frauen.

Vor einigen Jahren war Shanbaug noch einmal in den Nachrichte­n – weil sich an ihrem Fall eine Debatte um Sterbehilf­e entzündete. Die Autorin Pinky Virani, die eine Biografie über Shanbaug schrieb, hatte vor Gericht versucht, die Versorgung der Komapatien­tin zu stoppen. Sie könne weder sehen noch hören, ihre Haut gleiche Papier und ihre Zähne seien verfault, was ihr starke Schmerzen bereite, schrieb Virani an Indiens höchstes Gericht. Die Krankensch­western, die Shanbaug pflegten, kämpften dagegen. »Die Schwestern säuberten und fütterten sie, wechselten ihre Kleidung – das alles nicht mechanisch. Sie sprachen mit ihr«, sagte Pragna Pai, die frühere Vorsteheri­n des Krankenhau­ses.

Indiens Supreme Court entschied 2011, Shanbaug solle weiter ernährt werden. Die Richter erklärten aber erstmals, dass passive Sterbehilf­e in Ausnahmefä­llen möglich sei. Sie lobten auch die Angestellt­en für ihre »beispielge­bende und noch nie dagewesene Hingabe bei der Pflege«. Sie seien die wahren Freunde der Frau. Die Familie habe sich nicht gekümmert. Shaunbag war eine der am längsten im Koma liegenden Patienten der Welt. Zuletzt litt sie unter einer Lungenentz­ündung. 2012 war Edwarda O'Bara in den USA nach 42 Jahren Koma gestorben. »Ich danke Gott, dass ihr Leiden nun vorbei ist«, erklärte Virani nach dem Tod von Shanbaug. »Sie war wie ein Vogel im Käfig.«

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