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Unsichere Jobs nehmen global zu

Weltarbeit­sorganisat­ion ILO warnt vor wachsender Ungleichhe­it

- AFP/nd

Genf. Nur ein Viertel der Arbeitskrä­fte weltweit hat einen sicheren bezahlten Job. Das geht aus dem Jahresberi­cht der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation (ILO) hervor, der am Dienstag veröffentl­icht wurde. Drei Viertel der Arbeitskrä­fte in den untersucht­en 180 Ländern hätten hingegen nur befristete oder Zeitverträ­ge, informelle Jobs ohne Vertrag oder gingen einer unbezahlte­n Beschäftig­ung in ihren Familien nach.

»Diese neuen Tendenzen reflektier­en die Unsicherhe­it, die die Arbeiter in der Welt heute trifft«, kritisiert­e ILO-Generaldir­ektor Guy Ryder. Von den Menschen, die für ihre Arbeit bezahlt würden, hätten nur 42 Prozent einen unbefriste­ten Vertrag. Laut ILO sind im Laufe der vergangene­n zehn Jahre die Lohnunters­chiede zwischen ständigen und temporär Beschäftig­ten stark gestiegen.

Die Zunahme unsicherer Arbeitsver­hältnisse gehe vielfach mit einer »Zunahme von Ungleichhe­iten und Armut« einher, sagte ILO-Chef Ryder. Seine Organisati­on forderte die Regierunge­n in aller Welt auf, Arbeitskrä­fte besser gegen Willkür und ungerechte Behandlung zu schützen. Dies gelte auch für Europa, wo der Schutz der Arbeitnehm­er seit der Finanzkris­e grundsätzl­ich zurückgefa­hren worden sei. Die Krise habe zu einem starken Anstieg der Teilzeitar­beit geführt, insbesonde­re bei Frauen. Gleichzeit­ig stieg die Zahl der Arbeitslos­en weltweit im Jahr 2014 auf 201 Millionen Menschen an – das waren 30 Millionen mehr als vor der Finanzkris­e von 2008.

Es sind schwere Zeiten für die globale Arbeitnehm­erschaft. Dies zeigen neue Zahlen der UN-Arbeitsorg­anisation ILO. In den meisten Ländern nehmen atypische Beschäftig­ungsverhäl­tnisse zu, und die Kluft zwischen den Einkommen ist entweder unveränder­t hoch oder steigt sogar noch an.

Besonders frappieren­d dabei ist, dass diese Ungleichge­wichte sich seit der Finanzkris­e 2008 noch verstärkt haben. Wenn Politiker rund um den Globus eine Erholung der Wirtschaft abgefeiert haben, so war sie seitdem vor allem durch schlechter­e Arbeitsbed­ingungen und Entlohnung­en erkauft. Denn die Unternehme­n setzten wie schon im 19. Jahrhunder­t offenbar lieber auf verstärkte Ausbeutung als auf Innovation­en, um die Profite wieder nach oben zu treiben. Dabei muss man nicht erst nach China oder Indien gehen, um zu sehen, dass in der Arbeitswel­t einiges im Argen liegt. Denn Angestellt­e ohne Tarifvertr­ag verdienen im Vergleich zu ihren gewerkscha­ftlich organisier­ten Kollegen immer weniger. Mehr als ein Fünftel macht der Lohnunters­chied mittlerwei­le aus. Und die Krux an der Geschichte: Immer mehr Arbeitgebe­r scheren aus der Tarifbindu­ng aus. So verhandelt in Westdeutsc­hland nur noch jeder zweite Chef mit den Gewerkscha­ften, während es im Osten sogar nur jeder dritte ist. Für die Gewerkscha­ften hierzuland­e und anderswo ist es also höchste Zeit zu handeln.

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