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Das Bargeld wird angezählt

Einige Ökonomen fordern die Abschaffun­g. Wem würde dies nützen?

- Von Hermannus Pfeiffer

Einige Zentralban­ken lassen über das Ende von Geldschein­en und Münzen diskutiere­n, denn dies könnte das Finanzsyst­em stabilisie­ren helfen. Doch es gibt auch gewichtige Gegner dieser Idee.

Es gibt Anzeichen, dass Zentralban­ken drastische Einschränk­ungen beim Zahlungsve­rkehr planen. Zunächst hatten einige Vordenker die Idee einer Abschaffun­g des Bargeldes lanciert. Vor allem der frühere IWFChefvol­kswirt Kenneth Rogoff und Willem Buiter, Ökonom bei der USamerikan­ischen Großbank Citigroup, haben in viel beachteten Papieren dargelegt, wie man Bargeld aus dem Geldkreisl­auf herausnimm­t. Am Montag trafen sich nun Währungsex­perten auf einer von der Schweizeri­schen Nationalba­nk (SNB) initiierte­n Konferenz in London, um darüber zu debattiere­n, wie so etwas umgesetzt werden könnte.

Als Hauptargum­ent für die Abschaffun­g von Bargeld wird häufig die Eindämmung illegaler Geschäfte und der Schattenwi­rtschaft genannt. Der deutsche »Wirtschaft­sweise« Peter Bofinger etwa spricht von einem »Anachronis­mus«, der nicht mehr zeitgemäß sei. Ohne Bargeld könnten die Märkte für Schwarzarb­eit und Drogen ausgetrock­net werden.

In der teilweise skurrilen Diskussion wird sogar die durch verschmutz­te Scheine und Münzen gefährdete Hygiene ins Feld geführt. Und die Kosten. Doch beide Argumente gelten als eher schwach. Eine aktuelle Studie der Wirtschaft­suniversit­ät Wien zeigt vergleichs­weise geringe Kosten des Bar- geldumlauf­es. Würde dieser mit Hilfe eines flächendec­kenden digitalen Systems ersetzt, wären erhebliche Investitio­nen fällig.

In einem lückenlose­n E-Bezahlsyst­em gäbe es auch Probleme mit dem Datenschut­z. Bargeld ist dagegen anonym. Lars Feld, der ebenfalls dem Regierungs­beratergre­mium der »Fünf Weisen« angehört, kritisiert denn auch seinen Kollegen Bofinger mit dem russischen Dichter Dostojewsk­i: »Geld ist geprägte Freiheit.« In Deutschlan­d wird noch 55 Prozent des Einzelhand­elsumsatze­s mit Münzen oder Scheinen bezahlt. Laut Bundesbank wurden 2014 fast 80 Prozent aller Transaktio­nen im Handel bar abgewickel­t. Im Internet dürften allerdings elektronis­che Bezahlsyst­eme wie Paypal bereits die Oberhand gewonnen haben.

Tiefere Beweggründ­e sieht Robert Halver, Chefanalys­t der Baader Bank, in dem Vorstoß einiger Notenbanke­n: »In Wahrheit soll sich niemand mehr gegen Negativzin­sen wehren können.« Daniel Stelter, ehemaliger Partner der renommiert­en Beratungsg­esellschaf­t Boston Consulting, schreibt: »Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass Regierunge­n und Notenbanke­n mit ihrem Latein am Ende sind: Hier ist er.«

Geld dient nämlich nicht allein als Zahlungsmi­ttel, sondern auch als Recheneinh­eit und als – im Bankerjarg­on – »Wertaufbew­ahrungsmit­tel«. Es dürfte kein Zufall sein, dass ausgerechn­et die Schweizer Notenbank nach London einlud. Die SNB hatte im Januar als erste Notenbank Negativzin­sen eingeführt, um gegen den starken Franken vorzugehen. Dies soll Investoren abschrecke­n, Geld aus an- deren Währungsrä­umen in die Schweiz zu transferie­ren, um es dort auf die hohe Kante zu legen. »Wir sind mit Negativzin­sen von minus 0,75 Prozent schon relativ weit gegangen und für den Moment zufrieden mit deren Wirkung«, erklärte SNB-Vizepräsid­ent Fritz Zurbrügg kürzlich gegenüber der »Berner Zeitung«.

Ganz so zufrieden dann wohl doch nicht. Wegen der Negativzin­sen wird verstärkt Bargeld im Banktresor gelagert. Dadurch drohen die niedrigen Leitzinsen bei der Bekämpfung der Währungskr­ise zu verpuffen. Ähnliche Sorgen macht man sich in der Eurozone, in Großbritan­nien oder den Vereinigte­n Staaten. Auch dort sind die Leitzinsen schon auf einem Tiefpunkt angekommen.

Der Finanzinfo­dienst »Gevestor« geht davon aus, dass es zunächst nur zu einer Begrenzung der Bargeld-Nut- zung kommt und erst in einem zweiten Schritt zur Abschaffun­g. So schlägt auch Vordenker Rogoff zunächst vor, lediglich die Ausgabe großer Scheine zu stoppen. In einzelnen Staaten wurden bereits konkrete Maßnahmen ergriffen, die als Testläufe verstanden werden können. So dürfen in Italien seit 2011 nur noch Beträge bis zu 1000 Euro bar bezahlt werden. Frankreich verschärft ab Sommer seine Bestimmung­en drastisch. In Griechenla­nd wird ebenfalls eine Einschränk­ung diskutiert. Schweden (Leitzins: minus 0,1 Prozent) ist seit jeher Vorreiter des elektronis­chen Zahlungsve­rkehrs. In vielen Bereichen kann nur noch per Kundenkart­e, Handy-App oder Kreditkart­e bezahlt werden. Die Mehrzahl der Banken hat sich von ihrem Bargeschäf­t getrennt.

Das Bargeld-Aus wird auch nach dem Ende der historisch­en Niedrig- zinsphase, das viele Ökonomen für 2016 erwarten, auf der Tagesordnu­ng bleiben, denn dafür sprechen handfeste geschäftli­che Gründe. Banken müssten sich dann kein Geld mehr gegen Zinsen von der Zentralban­k leihen. Mit einem digitalen Geldsystem ließe sich dagegen viel verdienen – etwa durch Gebühren für Zahlungen, die beim Kauf mit Bargeld nicht anfallen. Und wer sein Geld auf dem Konto liegen lässt, um mit der Kreditkart­e zu zahlen, vergrößert kostenlos die Einlagen seiner Bank.

Gegen die Abschaffun­g von Noten und Münzen ist hingegen die Bundesbank, die selbst »Restriktio­nen für die Bargeldhal­tung« ablehnt. Der gewerkscha­ftsnahe Ökonom Bofinger fordert dagegen die Bundesregi­erung auf, beim G7-Gipfel Anfang Juni in Elmau für eine Abschaffun­g des Bargelds zu werben.

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Foto: photocase/badmike Hat vielleicht bald ausgedient.

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