Skandinavier zahlen kaum noch mit Münzen und Scheinen
Dänische Regierung möchte Bargeldverkehr gesetzlich beschränken – Notenbank druckt ab 2017 keine Banknoten mehr
Dänemark will den Annahmezwang von Bargeld für Einzelhändler aufheben. Verbraucherschützer sehen Probleme für Senioren und sozial Schwache.
Dänemark könnte bald das erste bargeldlose Land der Welt werden. Die Regierung möchte ab kommendem Jahr den Einzelhandel von der gesetzlichen Annahmepflicht von Bargeld befreien. Dies gilt für eine dreijährige Testphase. Das Parlament muss dem zwar noch zustimmen, aber die Dänen bezahlen bereits heute fast alles bargeldlos.
Schon 2012 sollen die Dänen laut einer Erhebung 84,2 Prozent ihrer Transaktionen mit Karten und anderen bargeldlosen Methoden vollzogen haben. In Deutschland ist es noch etwas weniger als die Hälfte. Selbst für kleine Beträge wie für Kaugummis am Kiosk wird in Dänemark gerne die Plastikkarte gezückt. Auf Flohmärkten kann mit einer der zahlreichen Bezahlvarianten für das Mobiltelefon eingekauft werden. Eine App der Danske Bank wird bereits von 1,5 Millionen Dänen genutzt. Das ist viel bei insgesamt 5,6 Millionen Einwohnern.
Die Regierung rechnet vor, dass durch die Neuregelung die Kosten für den Bargeldtransport sowie das Risiko von Raubüberfällen deutlich sin- ken dürften. Zudem hofft die dänische Steuerbehörde darauf, besseren Zugriff auf die Einnahmen der Einzelhändler zu erhalten – elektronische Bezahlungen lassen sich besser nachvollziehen als solche mit Bargeld. Auch der Polizei ist bargeldloser Verkehr lieber. Mit ihm ist es schwieriger, Einnahmen aus illegalen Geschäften wie dem Drogenhandel über Einzelhändler zu waschen. Zusätzlich zum Regierungsvorstoß hat auch die Notenbank angekündigt, ab 2017 keine neuen Banknoten mehr zu drucken. Das EU-Mitglied Dänemark gehört nicht der Eurozone an und hat als Währung immer noch die Krone.
Verbraucherschützer sehen das Vorhaben dagegen kritisch. »Es ist wichtig, am Bargeld festzuhalten. Alte und Demenzkranke haben Probleme mit Kartenzahlungen und Geheimnummern, können aber Geld abzählen«, sagte Vagn Jelsöe, Vizechef des Verbraucherrates, gegenüber der Tageszeitung »Politiken«. Die Regierung beschreite den »falschen Weg«. Sozial Schwache bekämen häufig nicht mal eine Bankkarte zum Bezahlen, weil sie als unzuverlässige Kunden eingestuft werden. Zudem könne man dann nicht einmal mehr dem eigenen Kind Taschengeld geben oder für eine kleinere Besorgung in die Stadt schicken, betont er. Darüber hinaus könnten elektronische Systeme jederzeit zusammenbrechen. Das Ganze sei mit dem Fahrstuhl in einem Haus zu vergleichen: Dieses habe ja trotzdem immer auch noch Treppen, sagt der Verbraucherschützer.
So ganz strikt sind die Pläne hingegen nicht. Selbst wenn etwa Kleidergeschäfte, Tankstellen und Restaurants bald kein Bargeld mehr annehmen müssen, soll es laut der sozialdemokratisch geführten Regie- rung doch noch Ausnahmen geben. Aus Rücksicht gegenüber alten Menschen soll es nämlich weiterhin möglich bleiben, etwa in Lebensmittelgeschäften oder im Gesundheitssystem mit Bargeld zu zahlen. Zudem ist laut einer Erhebung bislang nur jeder zehnte Gewerbetreibende in Dänemark daran interessiert, die Bargeldannahme ganz einzustellen.
Auch im Nachbarland Schweden ist Bargeldlosigkeit auf dem Vormarsch. In zahlreichen Bankfilialen können Kunden kein Bargeld mehr abheben, auch im Stockholmer Busverkehr kann kein Fahrschein mit Bargeld mehr gekauft werden. Der Übergang zur bargeldlosen Gesellschaft in Skandinavien verlaufe zu schnell und zu wenig hinterfragt, befand kürzlich die konservative Zeitung »SVD«. Banken machten das nicht, weil sie nett seien oder um ihre Mitarbeiter vor Raubüberfällen zu schützen. Es gehe darum, dass sie viel Geld daran verdienten, wenn das Geld ihrer Kunden ständig auf dem Konto verfügbar ist und Gewinne daraus an die Bank fließen, während die Kunden auch noch Kartengebühren zahlen müssten. Vor allem aber erhält jede Bank Einnahmen von jedem mit Kreditkarte getätigten Kauf vom Handel. So praktisch sei das bargeldlose Zahlen auf den zweiten Blick dann doch nicht mehr, kommentiert die Zeitung.