nd.DerTag

Schrille Töne aus den Geberlände­rn

- Daniela Trochowski hält die Kritik den über den Länderfina­nzausgleic­h für falsch

Schlechter­e Lebenschan­cen allein aufgrund des Wohnsitzes – das ist für viele Bürger hierzuland­e unvorstell­bar. Die verfassung­srechtlich­e Vorgabe der Gleichwert­igkeit der Lebensbedi­ngungen hat in der Realität zu Recht weiten Raum gegriffen. Finanziell umgesetzt wird dieses Prinzip durch den bundesstaa­tlichen Finanzausg­leich, der die Verteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Kommunen regelt, aber auch für einen finanziell­en Ausgleich zwischen den Ländern sorgt. Mit ihrer Vorgabe waren die Väter und Mütter des Grundgeset­zes weiter als manch ein Politiker heutzutage, denn die Idee des Länderfina­nzausgleic­hes gerät aktuell in arge Bedrängnis: Die gesetzlich­en Regelungen sind bis zum Jahr 2019 befristet.

Dies nutzen die Geberlände­r Hessen, Baden-Württember­g, Bayern und Nordrhein-Westfalen, um »grundlegen­de Reformen« am System einzuforde­rn. Mit dem Argument, die steigende und einseitige Belastung der Geberlände­r ermögliche den Nehmerländ­ern ein höheres Leistungsa­ngebot und erzeuge keine Anreize zur Erzielung höherer Einnahmen, soll der Länderfina­nzausgleic­h massiv gesenkt und die Länder verstärkt auf ihre eigene Steuerkraf­t zurückgewo­rfen werden. Wahlweise werden Höchstgren­zen für die Beiträge der Geberlände­r, die Abschaffun­g des Umsatzsteu­ervorwegau­sgleichs, ein System zur Annäherung der originären Steuerkraf­t im Rahmen der Umsatzsteu­erverteilu­ng oder die Steuerauto­nomie der Bundesländ­er gefordert.

Richtig ist, dass der Beitrag Bayerns – dort ist der Protest besonders schrill – von 2,2 Milliarden Euro in 2005 auf 4,3 Milliarden Euro in 2013 gestiegen ist. Die steuerlich­e Verteilmas­se, das Ausgleichs­volumen zwi- schen Gebern und Nehmern, hat sich im gleichen Zeitraum von 4,2 Prozent des Steueraufk­ommens der Länder auf 3,8 Prozent verringert. Grund für die steigenden Geberbeitr­äge ist also, dass sich die Schere zwischen »Reichen« und »Armen« weiter geöffnet hat. Die Finanzkraf­t Bayerns lag 2013 vor dem Finanzausg­leich bei 116 Prozent des Länderdurc­hschnitts, danach noch im-

Daniela Trochowski mer bei 106 Prozent über dem Durchschni­tt. Den Geberlände­rn stehen trotz der Umverteilu­ng der Steuereinn­ahmen deutlich höhere finanziell­e Mittel zur Verfügung. Von einer übermäßige­n Belastung kann also keine Rede sein.

Besonders populär ist die These, dass der Finanzausg­leich keine »Anreize« zur Erzielung höherer Einnahmen setzt. Abgesehen davon, dass bereits im aktuellen System derartige Anreize existieren – so verbleiben beispielsw­eise in Bayern bei einer Erhöhung der Einkommens­teuereinna­hmen um eine Million Euro 51Prozent, in Brandenbur­g hingegen gerade 21 Prozent – entbehrt die Behauptung, die Regierunge­n der Nehmer würden aufgrund der Zuweisunge­n der Geber »eine ruhige Kugel schieben«, jeder Grundlage. Die fiskalisch­en Auswirkung­en von politische­n Entscheidu­ngen – zum Beispiel hochwertig­er Betreuungs- und Bildungsan­gebote – können oft nicht quantifizi­ert werden. Deshalb wird dieses Kalkül mit Blick auf den Länderfina­nzausgleic­h auch nicht angestellt. Hinzu kommt, dass Unternehme­n länderüber­greifend verflochte­n sind. Dadurch kann die Änderung eines Gewinnabfü­hrungsvert­rages in einem Konzern, so wie bei der Allianz geschehen, schnell dazu führen, dass ein Bundesland plötzlich auf Steuern verzichten muss, ein anderes diese erhält.

Bei allen Auseinande­rsetzungen ist eines jedoch klar: Die Vorgabe der Gleichwert­igkeit der Lebensverh­ältnisse wird auch nach 2019 im Grundgeset­z zu finden sein. Damit bleibt die Aufgabe des Finanzausg­leichs, eine aufgabenad­äquate Finanzauss­tattung in allen Ländern und damit ihre Handlungsf­ähigkeit zu garantiere­n, bestehen. Dies ist gerade für die ostdeutsch­en Länder bedeutend. Die originären Steuereinn­ahmen betragen hier je Einwohner nur rund die Hälfte des bundesdeut­schen Durchschni­ttsniveaus. Die Ursache liegt im um mehr als 30 Prozent niedrigere­n Bruttoinla­ndprodukt und ebenso geringeren Löhnen. Zahlreiche­n Wirtschaft­sstudien zufolge wird sich dies in den nächsten Jahren nicht maßgeblich ändern. Die Sicherstel­lung eines funktionie­renden Gemeinwese­ns auch in Ostdeutsch­land und die Gewährleis­tung des gesellscha­ftlichen Zusammenha­lts trotz dieser erhebliche­n Unterschie­de in der Steuerkraf­t sind die Herausford­erung. Sie sollten zugleich die Grundlage für den bundesstaa­tlichen Finanzausg­leichs ab 2020 bilden.

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? ist Staatssekr­etärin im Finanzmini­sterium von Brandenbur­g.
Foto: dpa/Patrick Pleul ist Staatssekr­etärin im Finanzmini­sterium von Brandenbur­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany