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Luckes Weckruf vertieft die Kluft

Wirtschaft­sliberal oder nationalis­tisch-konservati­v – die AfD steht vor der Spaltung

- Hendrik Lasch und Fabian Lambeck

Mit einem »Weckruf« wollte AfDGründer Bernd Lucke den wirtschaft­sliberalen Flügel der Partei mobilisier­en. Seine national-konservati­ve Konkurrent­in Frauke Petry empfindet das als Affront.

Viele Beobachter hatten sich gefragt, wo AfD-Gründer Bernd Lucke die mit Spannung erwartete Pressekonf­erenz zur Zukunft der Partei abhalten würde. Als könnte der Veranstalt­ungsort erahnen lassen, ob der ehemalige Ökonomie-Professor der von ihm ins Leben gerufenen Alternativ­e für Deutschlan­d treu bleibt. Lucke hadert mit dem nationalis­tisch-konservati­ven Flügel, der in der Partei mittlerwei­le Oberwasser hat. Insofern kann man seine Entscheidu­ng, das Pressegesp­räch in einer Straßburge­r Kellerknei­pe anzuberaum­en, auch als Beleg der momentanen Kräfteverh­ältnisse sehen. Den wenigen geladenen Journalist­en versichert­e Lucke, er plane weder die Gründung einer neuen Partei noch betreibe er eine »Initiative zum Massenaust­ritt aus der AfD«. Entspreche­nde Mutmaßunge­n hatte Lucke selbst befeuert, als er am Montag den »Weckruf 2015« lancierte.

Der Verein soll jenen AfD-Mitglieder als Plattform dienen, die sich wie Lucke vor allem von wirtschaft­sliberalen Motiven leiten lassen. Die Satzung des Vereins liest sich, als könnte auf ihrer Grundlage auch eine neue Partei entstehen. So können Landesverb­ände gegründet und Mitglieder­entscheide abgehalten werden. Ein Bundesvors­tand und ein Konvent sollen über die programmat­ischen Haltelinie­n wachen. Neben Lucke gehören die Europa-Abgeordnet­en HansOlaf Henkel, Bernd Kölmel, Joachim Starbatty und Ulrike Trebesius zu den Initiatore­n des Weckrufs. Angeblich sollen bereits mehr als 1000 AfD-Mitglieder den Vorstoß unterstütz­t haben. Auffällig: Die Vorsitzend­en der Landespart­eien sucht man vergebens auf der Liste, ebenso wie die ostdeutsch­e Parteiprom­inenz. Obwohl die AfD in den Neuen Ländern in drei Lan- desparlame­nten sitzt, konnten sich nur drei Thüringer Abgeordnet­e zu einer Unterschri­ft durchringe­n. Sicher ein Indiz dafür, dass der nationalis­tisch-konservati­ve Flügel, der viele Schnittmen­gen mit der islamfeind­lichen Pegida-Bewegung sieht, im Osten besonders stark ist.

Lucke will sich auf dem AfD-Par- teitag Mitte Juni zum alleinigen Vorsitzend­en wählen lassen. Zwar betonte er in Straßburg, die Vereinsgrü­ndung sei lediglich »der Versuch, die AfD zu retten«. Doch der »Weckruf« dient vor allem der Mobilisier­ung seiner Parteigäng­er. Auch wenn ihn die Medien oft als AfD-Chef bezeichnen: Momentan ist Lucke nur ei- ner von drei Sprechern. Gleichbere­chtigt neben ihm sitzen Konrad Adam und Frauke Petry. Die sächsische AfD-Chefin forderte ihren Amtskolleg­en am Dienstag auf, seinen »Weckruf« abzublasen. Die Mehrzahl der Mitglieder empfinde Luckes Vorstoß als »Affront«. Dieser ziele mit der Gründung eines politisch tätigen Vereins zudem auf ein »Konkurrenz­angebot« zur AfD ab. Es müsse juristisch geprüft werden, ob das mit der Satzung vereinbar sei.

Die Frontfrau des konservati­ven Flügels zeigte sich am Mittag erfreut über versöhnlic­he Signale, die Lucke bei einem zuvor in Straßburg abgehalten­en Pressegesp­räch ausgesandt hatte. Dessen Angebot zu Einigungsg­esprächen begrüße sie. Darin müssten »alle eingebunde­n werden, die in der AfD politisch eine Rolle spielen«, sagte Petry. Details sollten auf der turnusgemä­ßen Sitzung des Parteivors­tands am Freitag besprochen werden.

Petry ließ durchblick­en, dass ihr Verhältnis zu Lucke nicht mehr von Vertrauen geprägt ist. Dessen Versicheru­ng, er plane mit seinen Mitstreite­rn keine Abspaltung, nehme sie zur Kenntnis; sie hoffe aber, »dass wir uns nicht irgendwann an den Satz erinnern müssen: Niemand hat die Absicht, eine Partei neu zu gründen«.

Petry bestätigte Meldungen, wonach Lucke der Zugriff auf Mitglieder­daten verwehrt werden sollte. Sie und ihr Vorstandsk­ollege Konrad Adam hätten gemeinsam verfügt, dass der Zugang zum so genannten Parteimana­ger für alle drei Sprecher gesperrt wird, damit »keine Alleingäng­e« möglich seien. Der Umstand, dass Lucke den »Weckruf« per Rundmail verteilt habe, zeige aber, dass dieser offenbar weiter Zugang habe. Als völlig offen sieht Petry die künftige Rolle Luckes an der Parteispit­ze. Die Politikeri­n bekräftigt­e ihre Aussage, sie werde nicht per Kampfkandi­datur gegen den Parteigrün­der antreten. Vier Wochen vor dem Bundespart­eitag, sieht sie die Chancen für Luckes Vorhaben schwinden, alleiniger Parteichef zu werden.

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Foto: AFP/Clemens Bilan Lucke ist in seiner Partei zunehmend isoliert.

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