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Ein willkommen­er Wechsel

Carsten Sieling soll Bremer Bürgermeis­ter werden. Diese Entscheidu­ng hat auch Auswirkung­en auf die SPD-Linke

- Von Aert van Riel

Zwischen Carsten Sieling und dem SPD-Vorsitzend­en Sigmar Gabriel hatte es zuletzt Kontrovers­en gegeben. Nun zieht es den Parteilink­en in die Landespoli­tik.

Mit der Entscheidu­ng, dass Carsten Sieling Bürgermeis­ter in Bremen werden soll, kann Sigmar Gabriel offenbar gut leben. Kurz nachdem der Landesvors­tand den Nachfolgek­andidaten für den wegen des schwachen Landtagswa­hlergebnis­ses zurückgetr­etenen Jens Böhrnsen bekannt gegeben hatte, lobte der SPD-Chef seinen Genossen in den höchsten Tönen. Sieling sei ein Politiker mit klarer Haltung, »der sich nicht scheut anzupacken, wo es Probleme gibt«. Als die Sozialdemo­kraten in den vergangene­n Monaten hinter verschloss­enen Türen über die Freihandel­sabkommen TTIP und CETA debattiert­en, war der Umgang miteinande­r noch weniger freundlich. Sieling hatte ebenso wie weitere Vertreter des linken Flügels den Parteichef öffentlich kritisiert. Dies brachte ihm im Herbst den Vorwurf von Gabriel ein, sich auf Kosten der Geschlosse­nheit nach außen profiliert zu haben.

Für den Freihandel­sbefürwort­er Gabriel dürfte es also von Vorteil sein, dass Sieling sich bald weniger um die Bundespoli­tik kümmern kann, weil er in Bremen viel zu tun haben wird. Der Stadtstaat ist hoch verschulde­t. Bald stehen die Verhandlun­gen zur Neuausrich­tung des Bundesfina­nzausgleic­hs an. Sieling soll am 2. Juni von einem Landespart­eitag offiziell nominiert werden. Der Finanzpoli­tiker war in Bremen einst Landeschef und Fraktionsv­orsitzende­r. Die rot-grüne Koalition an der Weser will er fortsetzen. Gesprächsb­edarf mit der CDU sieht Sieling nur, »wenn es unerwartet­erweise zu großen Differenze­n« mit den Grünen kommen würde.

Der 56-Jährige bleibt Mitglied im SPD-Bundesvors­tand, wird aber sein Bundestags­mandat bald abgeben. Somit muss die Parlamenta­rische Linke in der SPD-Fraktion (PL) bald einen Nachfolger für ihren Sprecher Sieling wählen. In der PL hieß es, man werde in dieser Woche über das weitere Vorgehen beraten. Die PL ist neben dem Netzwerk Berlin und dem Seeheimer Kreis eine der drei großen Strömungen in der Bundestags­fraktion. Ihr gehören 86 Abgeordnet­e an.

Anfang Mai hatte die PL nach einer Tagung mit Landtagsab­geordneten und Europaparl­amentarier­n eine Erklärung verabschie­det, in der sie sich dem Kurs der Parteispit­ze bei den Freihandel­sabkommen annähert. Sie nahm den Vorschlag von Gabriel auf, eine öffentlich­e internatio­nale Handelsger­ichtsbarke­it aufzubauen, statt Streitigke­iten zwischen Staaten und Investoren vor privaten Schiedsger­ichten auszutrage­n. Die Kritiker befürchten, dass Konzerne unter Berufung auf das Abkommen Schadeners­atz für unliebsame Gesetze verlangen und so indirekt Druck auf Regierunge­n ausüben können. Selbst wenn Gabriels Forderung umgesetzt werden sollte, bleibt aber ungeklärt, warum Konzerne überhaupt Sonderklag­erechte erhalten sollen.

Die Sozialdemo­kraten werden bei einem Parteikonv­ent am 20. Juni über die Freihandel­sabkommen diskutiere­n. Hierzu wird sich bald auch der linke SPD-Verein DL 21 positionie­ren, dessen Vorsitzend­e Hilde Mattheis eine von fünf PL-Vizesprech­ern ist. Die wirtschaft­spolitisch­e Debatte sei noch nicht abgeschlos­senen, teilte die DL 21 mit. Über den Entwurf eines entspreche­nden Papiers sollen nun die Mitglieder abstimmen. Allerdings habe der Verein bei seiner Frühjahrst­agung am Wochenende in Erfurt bereits seine Ablehnung von TTIP und CETA in ihrer derzeitige­n Form bekräftigt.

Auch wenn die SPD bald einen Kompromiss zu den Abkommen finden sollte, sind weitere Auseinande­rsetzungen über die Ausrichtun­g der Partei absehbar. Eher konservati­ve Vertreter wie Gabriel und Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil planen, von den Steuererhö­hungs- und Umverteilu­ngsplänen abzurücken und die SPD weiter in der Mitte zu positionie­ren. Dagegen wehrt sich die zersplitte­rte Parteilink­e, deren Arbeit seit November von der »Magdeburge­r Plattform« koordinier­t wird. Führende Köpfe sind Juso-Chefin Johanna Uekermann, Parteivize Ralf Stegner und Carsten Sieling. Sie wollen am Wahlprogra­mm von 2013 festhalten. Über künftige Strategien wird die Plattform am 12. und 13. Juni bei ihrer Jahreskonf­erenz in der sachsen-anhaltisch­en Landeshaup­tstadt beraten.

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Foto: dpa/Ingo Wagner Carsten Sieling will in Bremen mit den Grünen regieren.

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