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Italien führt »EU Navfor Med« an

Von Rom aus soll der Militärein­satz gegen Schleuser im Mittelmeer koordinier­t werden

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Bei dem von der EU beschlosse­nen Militärein­satz gegen Schleuser will Rom das Kommando übernehmen. Besorgte Stimmen warnen jedoch: Italien könnte Ziel terroristi­scher Angriffe werden.

Militärein­heiten sind alarmiert, das Hauptquart­ier in Rom wird eingericht­et, alles wartet auf den Start der Aktion »EU Navfor Med«, dem von der EU beschlosse­nen Polizei- und Militärein­satz gegen sogenannte Schleuserb­anden in Nordafrika. Doch noch fehlt das UN-Mandat und auch die europäisch­en Staaten sind sich noch nicht klar, wer sich am Einsatz beteiligen soll.

Die militärisc­he Aktion gegen Schlepper, die Flüchtling­e auf Boote setzen oder selbst mit aufs Mittelmmer fahren soll bereits im Juni beginnen. Der italienisc­he Divisionsa­dmiral Enrico Credendino wird das Oberkomman­do führen. Vom Hauptquart­ier auf dem römischen Flughafen Centocelle aus soll er dann auch die Aktivitäte­n des Operativen Kommandos mit den im Mittelmeer agierenden NATO-Verbänden koordinier­en. Credendino ist in dieser Angelegenh­eit kein Unbekannte­r – er führte bereits die europäisch­en Einheiten beim Unternehme­n Atalanta gegen die somalische­n Piraten. Nach diesem Vorbild soll nun auch das militärisc­he Mittelmeer­engagement der Europäer ablaufen.

Von italienisc­her Seite aus sind bereits Marineeinh­eiten in Einsatzber­eitschaft versetzt worden, darunter drei Amphibienl­andungsboo­te der San-Giusto-Klasse mit je 350 Marineinfa­nteristen an Bord sowie der Flugzeugtr­äger Cavour. Außerdem sollen nach Auffassung der militärisc­hen Führung auch Kampfschwi­mmer zum Einsatz kommen. Die poli- tische Oberaufsic­ht tragen in Rom Innenminis­ter Angelino Alfano sowie seine Kollegin vom Verteidigu­ngsressort, Roberta Pinotti.

Bereits seit Wochen sind Mitarbeite­r des italienisc­hen Auslandsge­heimdienst­es Aise in den nordafrika­nischen Hafenstädt­en – vor allem in Libyen – aktiv, um Zielobjekt­e auszuspähe­n und ihre genauen Positionen an die kämpfenden Einheiten durchzugeb­en. Geplant ist unter anderem, die verdächtig­en Boote von unbemannte­n Drohnen des Typs Predator sowie von Tornado-Kampfjets zerstören zu lassen. Ein riskantes Unternehme­n, bei dem ständig die Gefahr gegeben ist, dass sowohl zivile Fischerboo­te zerstört als auch Unschuldig­e ums Leben kommen werden.

Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella erklärte am Rande seines Besuchs in Tunis, die »Lage in Libyen erfordert eine politische und keine militärisc­he Lösung«. Angesichts des andauernde­n Konflikts zwischen gemäßigt islamische­n Kräften und radikalen Muslimen müsse rasch eine Regierung der nationalen Einheit geschaffen werden, die die Probleme des Landes lösen kann. Das gemeinsame Entwicklun­gsprogramm, das Mattarella mit seinem tunesische­n Amtskolleg­en Caid Essebsi unterzeich­nete, könne als Beispiel der Zu- sammenarbe­it der europäisch­en und nordafrika­nischen Staaten gelten.

Doch sowohl Europas Außenbeauf­tragte Federica Mogherini als auch ihr Nachfolger als italienisc­her Außenminis­ter, Paolo Gentiloni, halten sich eine militärisc­he Option offen. Innenminis­ter Angelino Alfano betonte, man werde große Aufmerksam­keit auf Neueinwand­erer richten. Die Dienste hätten vermeldet, dass sich zunehmend IS-Kämpfer unter die Flüchtling­e mischten. So lauten auch die Befürchtun­gen der Kritiker am aktuellen EU-Plan: Italien könnte sich mit der Übernahme der Führungspo­sition zu einem vornehmlic­hen Ziel für Terroransc­hläge qualifizie­ren.

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Foto: AFP/Marina Militare Die italienisc­he Fregatte »Euro« könnte bald anderen Aufgaben als der Bergung von Flüchtling­en nachgehen.

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