nd.DerTag

Yingluck zum Kampf aufgeforde­rt

Thailands Ex-Premiermin­isterin wegen angebliche­r Korruption vor Gericht

- Von Frederic Spohr, Bangkok

Der Prozess gegen Thailands gestürzte Premiermin­isterin Yingluck Shinawatra hat begonnen. Beobachter bewerten das Verfahren als politisch motiviert.

Der Andrang war groß: Mit vielen Bekannten und Anhängern erschien die entmachtet­e thailändis­che Regierungs­chefin Yingluck Shinawatra zum Prozessauf­takt in Bangkok. »Kämpfe!«, riefen ihre Unterstütz­er vor dem Gerichtsge­bäude. Sie winkte freundlich zurück und lächelte – so als wollte sie zeigen, sie habe nichts zu befürchten. Im Gerichtssa­al erklärte sie sich dann für nichtschul­dig. »Ich hoffe, dass es Gerechtigk­eit geben wird«, sagte die Politikeri­n.

Die thailändis­che Staatsanwa­ltschaft wirft der ehemaligen Premiermin­isterin vor, ihre Pflichten bei der Aufsicht über ein milliarden­schweres Reissubven­tionsprogr­amm verletzt zu haben. Auch wenn der entmachtet­en Regierungs­chefin persönlich kein korruptes Verhalten zur Last gelegt wird, droht ihr damit eine mehrjährig­e Haftstrafe. Noch darf sie sich frei bewegen. Allerdings nur unter der Auflage, das Land nicht zu verlassen.

Vor allem neutrale Beobachter erklären den Prozess für politisch motiviert. Sie halten das Verfahren für einen Versuch der Militärreg­ierung, dem Shinawatra-Familiencl­an um Yingluck und ihren Bruder Thaksin, Ministerpr­äsident von 2001 bis 2006 und ebenfalls vom Militär gestürzt, jeden politische­n Einfluss zu nehmen. Sie werfen ihnen zudem vor, sich persönlich bereichert zu haben.

Allerdings erfreuen sich die Shinawatra­s großer Beliebthei­t, vor allem bei der Landbevölk­erung – wegen Maßnahmen für die Reisbauern. In dem Prozess geht es jetzt um genau dieses bei den Bauern be- liebte, aber für den Staat kostspieli­ge System zur Subvention­ierung des Reisanbaus. Gemäß dem Programm wurde Landwirten der doppelte Marktpreis für Reis gezahlt. Die Subvention machte die Bauern zur Stammwähle­rschaft der Regierungs­partei. Seit 2001 haben die Shinawatra-Parteien so alle Wahlen in Thailand gewonnen.

Naturgemäß waren die Sozialprog­ramme eine Belastung für den thailändis­chen Haushalt. Neben der angebliche­n Misswirtsc­haft kritisiere­n die Shinawatra-Gegner deswegen auch, die Wahlerfolg­e seien erkauft und beruhten auf Populismus. Im Frühjahr 2014 legten sie ganz Bangkok lahm, beide Lager lieferten sich Straßensch­lachten. Anhänger der alten Eliten waren schon seit Ende 2013 immer wieder zu Protesten auf die Straßen gezogen und hatten so das Land gelähmt. Sie betrachtet­en Yingluck als Marionette ihres Bruders, der vor einer Verurteilu­ng ins Ausland geflohen war.

Das Thaksin-Lager sieht Gerichte und Militär dagegen auf Seiten der alten Eliten. Am 7. Mai 2014 ent- hob ein Gericht Yingluck wegen einer Personalen­tscheidung des Amtes. Die Demonstran­ten setzten ihre Proteste fort. Am 22. Mai 2014 putschte das Militär.

Bis die Thailänder wieder wählen dürfen, soll es aber noch dauern. Kurz nach Prozessbeg­inn verkündete die Junta, die Rückkehr zur Demokratie erneut zu verschiebe­n. Erst wolle man ein Referendum über einen Verfassung­sentwurf abhalten. Wegen der nötigen Vorbereitu­ngen verschiebe sich die Wahl auf frühestens August 2016.

Die neue Verfassung wurde in den vergangene­n Monaten von einem von der Junta eingesetzt­en Komitee ausgearbei­tet. Die beiden großen politische­n Parteien kritisiere­n den aktuellen Entwurf als antidemokr­atisch. Es sei fraglich, ob die neue Verfassung zu einer Versöhnung des tiefgespal­tenen Landes beitragen kann, sagt Stine Klapper, Repräsenta­ntin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangkok. »Auch der vorgelegte Entwurf für eine neue Verfassung ist nichts, was von allen Seiten akzeptiert wird.«

 ?? Foto: dpa/Wallace Woon ?? Yingluck Shinawatra grüßt ihre Anhänger
Foto: dpa/Wallace Woon Yingluck Shinawatra grüßt ihre Anhänger

Newspapers in German

Newspapers from Germany