Yingluck zum Kampf aufgefordert
Thailands Ex-Premierministerin wegen angeblicher Korruption vor Gericht
Der Prozess gegen Thailands gestürzte Premierministerin Yingluck Shinawatra hat begonnen. Beobachter bewerten das Verfahren als politisch motiviert.
Der Andrang war groß: Mit vielen Bekannten und Anhängern erschien die entmachtete thailändische Regierungschefin Yingluck Shinawatra zum Prozessauftakt in Bangkok. »Kämpfe!«, riefen ihre Unterstützer vor dem Gerichtsgebäude. Sie winkte freundlich zurück und lächelte – so als wollte sie zeigen, sie habe nichts zu befürchten. Im Gerichtssaal erklärte sie sich dann für nichtschuldig. »Ich hoffe, dass es Gerechtigkeit geben wird«, sagte die Politikerin.
Die thailändische Staatsanwaltschaft wirft der ehemaligen Premierministerin vor, ihre Pflichten bei der Aufsicht über ein milliardenschweres Reissubventionsprogramm verletzt zu haben. Auch wenn der entmachteten Regierungschefin persönlich kein korruptes Verhalten zur Last gelegt wird, droht ihr damit eine mehrjährige Haftstrafe. Noch darf sie sich frei bewegen. Allerdings nur unter der Auflage, das Land nicht zu verlassen.
Vor allem neutrale Beobachter erklären den Prozess für politisch motiviert. Sie halten das Verfahren für einen Versuch der Militärregierung, dem Shinawatra-Familienclan um Yingluck und ihren Bruder Thaksin, Ministerpräsident von 2001 bis 2006 und ebenfalls vom Militär gestürzt, jeden politischen Einfluss zu nehmen. Sie werfen ihnen zudem vor, sich persönlich bereichert zu haben.
Allerdings erfreuen sich die Shinawatras großer Beliebtheit, vor allem bei der Landbevölkerung – wegen Maßnahmen für die Reisbauern. In dem Prozess geht es jetzt um genau dieses bei den Bauern be- liebte, aber für den Staat kostspielige System zur Subventionierung des Reisanbaus. Gemäß dem Programm wurde Landwirten der doppelte Marktpreis für Reis gezahlt. Die Subvention machte die Bauern zur Stammwählerschaft der Regierungspartei. Seit 2001 haben die Shinawatra-Parteien so alle Wahlen in Thailand gewonnen.
Naturgemäß waren die Sozialprogramme eine Belastung für den thailändischen Haushalt. Neben der angeblichen Misswirtschaft kritisieren die Shinawatra-Gegner deswegen auch, die Wahlerfolge seien erkauft und beruhten auf Populismus. Im Frühjahr 2014 legten sie ganz Bangkok lahm, beide Lager lieferten sich Straßenschlachten. Anhänger der alten Eliten waren schon seit Ende 2013 immer wieder zu Protesten auf die Straßen gezogen und hatten so das Land gelähmt. Sie betrachteten Yingluck als Marionette ihres Bruders, der vor einer Verurteilung ins Ausland geflohen war.
Das Thaksin-Lager sieht Gerichte und Militär dagegen auf Seiten der alten Eliten. Am 7. Mai 2014 ent- hob ein Gericht Yingluck wegen einer Personalentscheidung des Amtes. Die Demonstranten setzten ihre Proteste fort. Am 22. Mai 2014 putschte das Militär.
Bis die Thailänder wieder wählen dürfen, soll es aber noch dauern. Kurz nach Prozessbeginn verkündete die Junta, die Rückkehr zur Demokratie erneut zu verschieben. Erst wolle man ein Referendum über einen Verfassungsentwurf abhalten. Wegen der nötigen Vorbereitungen verschiebe sich die Wahl auf frühestens August 2016.
Die neue Verfassung wurde in den vergangenen Monaten von einem von der Junta eingesetzten Komitee ausgearbeitet. Die beiden großen politischen Parteien kritisieren den aktuellen Entwurf als antidemokratisch. Es sei fraglich, ob die neue Verfassung zu einer Versöhnung des tiefgespaltenen Landes beitragen kann, sagt Stine Klapper, Repräsentantin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangkok. »Auch der vorgelegte Entwurf für eine neue Verfassung ist nichts, was von allen Seiten akzeptiert wird.«