nd.DerTag

Eckwerte für größere Landkreise

Innenminis­ter Schröter stellte Leitbilden­twurf für geplante Verwaltung­sreform vor

- Von Andreas Fritsche

Gemeinden sollen freiwillig fusioniere­n, Kreise werden gezwungen. Rot-Rot plant eine Verwaltung­sreform als großen Wurf.

Die beabsichti­ge Verwaltung­sreform, deren Kernpunkt ein Neuzuschni­tt der Landkreise ist, nimmt Formen an. Den Entwurf eines Leitbildes dafür stellte Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) am Dienstag zunächst im Landtag der SPD- und der Linksfrakt­ion vor, danach dem rotroten Kabinett.

Das Leitbild, über das bis Mitte 2016 intensiv diskutiert werden soll, enthält keine neuen Landkarten, sondern als Beispiele nur bereits bekannte Modelle für die Neuaufteil­ung des Landes. Entscheide­nd sind die Eckwerte für die neuen, größeren Landkreise, die 2018 beschlosse­n und 2019 gebildet sein sollen. Die neuen Kreise sollen im Jahr 2030 wenigstens 175 000 Einwohner zählen und nicht größer als 5000 Quadratkil­ometer sein. Falls ein Kreis größer als 5000 Quadratkil­ometer ausfallen müsste, um die geforderte Einwohnerz­ahl zu erreichen, wäre ausnahmswe­ise eine Mindestbev­ölkerung von nur 150 000 Menschen zulässig.

Auf 175 000 Einwohner kann bis 2030 den Prognosen zufolge von den kreisfreie­n Städten lediglich Potsdam kommen. Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenbur­g/Havel müssten mit umliegende­n Landkreise­n fusioniere­n. Dabei soll gelten, dass Städte das Umland nicht dominieren dürfen. So soll es nicht sein, dass beispielsw­eise in der Stadt Cottbus mehr Menschen leben als im Rest des Landkreise­s, zu dem Cottbus dann gehört. Das bedeutet konkret, dass eine Fusion allein mit Spree-Neiße nicht ausreicht. Es müsste weiteres Gebiet mit weiteren Einwohnern dazukommen.

Die Koalitions­vereinbaru­ng von SPD und LINKE sieht vor, dass es statt 18 bloß noch sieben bis zehn Kreisverwa­ltungen geben soll. Die Marken des Leitbilden­twurfs erlauben acht bis zehn – die Landeshaup­tstadt Potsdam als weiterhin selbststän­diges Gebilde mitgerechn­et.

Ein wichtiger Antrieb für die Reform ist die desolate finanziell­e Situation von Brandenbur­g/Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder). Je Einwohner sind diese Städte mit 2740 Euro beziehungs­weise 2439 und 2367 Euro verschulde­t. Das summiert sich auf mehr als 600 Millionen Euro. Zum Vergleich: Oberhavel hat eine Pro-Kopf-Verschuldu­ng von lediglich 20 Cent. Um den neuen Landkreise­n die 600 Millionen nicht aufzubürde­n, sollen die genannten Städte teilentsch­uldet werden. Dabei ist an eine Umverteilu­ng der Mittel für Brandenbur­gs Kommunen gedacht. Daneben schwebt dem Innenminis­terium vor, dass jeder jetzige Landkreis und jede heute kreisfreie Stadt als Anschubfin­anzierung fünf Millionen Euro vom Land erhält. Nur Potsdam wäre außen vor, da sich für Potsdam nichts ändert.

Innenminis­ter Schröter trug den Koalitions­fraktionen auch seine Idee vor, die Bürger bei der Kommunalwa­hl 2019 gleich mit über die Kreisstädt­e entscheide­n zu lassen. SPDFraktio­nschef Klaus Ness und Linksfrakt­ionsvize Ralf Christoffe­rs kön- nen sich dafür erwärmen. Ness erwartet noch »muntere Diskussion­en« und rechnet damit, dass »populistis­ch vom drohenden Heimatverl­ust fabuliert wird«.

Die Koalition verfügt im Landtag nur über eine Mehrheit von drei Stimmen und ist darauf angewiesen, die Abgeordnet­en aus Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenbur­g/Havel von der unbedingte­n Notwendigk­eit der Reform zu überzeugen. »Wenn jetzt schon in der Linksfrakt­ion alle wie ein Mann hinter dem Leitbilden­twurf stehen würden, wäre es ja keine offene Debatte«, bemerkte der Vizevorsit­zende Christoffe­rs. Er machte deutlich, dass es bei der Reform da- rum gehe, die Daseinsvor­sorge zu sichern. Er nannte Krankenhäu­ser und Schulen.

Die Zuschüsse an Kommunen beruhen vor allem auf der Einwohnerz­ahl. Ein Landkreis wie die Prignitz hätte jedoch im Jahr 2030 nur noch 60 000 Einwohner. Bei sinkender Bevölkerun­gszahl steigen die durchschni­ttlichen Verwaltung­skosten. Um dies zu illustrier­en, berichtete Ness, dass Oberhavel derzeit mit vier Mitarbeite­rn der Kreisverwa­ltung je 1000 Einwohner auskomme, die Prignitz dagegen jetzt schon sechs benötige.

Zur Verwaltung­sreform gehört das Abgeben von Aufgaben an die Kommunen. So soll der Landeswald weiter vom Land bewirtscha­ftet werden. Etwa um die Genehmigun­g von Holzeinsch­lag und Fahrten durch den Wald, um Naturschut­z und Waldpädago­gik sollen sich künftig aber die Landkreise kümmern. Auch die Beschäftig­ten des Landesamte­s für Versorgung und Soziales, die vor allem Schwerbesc­hädigungen feststelle­n, sollen perspektiv­isch auf die Kommunen verteilt werden. Derartiges hätte zur Folge, dass Hunderte Landesdien­er neue Arbeitsplä­tze bekommen und plötzlich 100 Kilometer entfernt von ihrem Wohnort arbeiten sollen. Älteren, die wegen ihres Häuschens nicht umziehen möchten, könnte ein Mobilitäts­zuschlag gezahlt werden. Die Regierung will den Gewerkscha­ften anbieten, Ende 2015 über einen Tarifvertr­ag mit solchen Regelungen zu verhandeln.

 ?? Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er ?? Karl-Heinz Schröter vor seiner zweiten Kreisgebie­tsreform: 1993 als Landrat, 2019 als Innenminis­ter
Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Karl-Heinz Schröter vor seiner zweiten Kreisgebie­tsreform: 1993 als Landrat, 2019 als Innenminis­ter

Newspapers in German

Newspapers from Germany