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K+S droht mit neuer Salzhalde

In Niedersach­sen soll eine alte Kaligrube reaktivier­t werden: Wie verhält sich Rot-Grün dazu?

- Von Carin Schomann

Im Landkreis Hildesheim ist eine weitere riesige Halde mit Rückstände­n aus dem Kalibergba­u geplant. Der K+S-Konzern will der Allgemeinh­eit neue Ewigkeitsl­asten aufbürden, sagen die Kritiker.

Das Planfestst­ellungsver­fahren zur Wiederinbe­triebnahme des Kali-Bergwerks Siegfried-Giesen im niedersäch­sischen Landkreis Hildesheim durch das Bergbauunt­ernehmen Kali + Salz (K+S) läuft. Teil des Plans ist die Errichtung einer weiteren Salzhalde. Niedersach­sens Wirtschaft­sminister Olaf Lies (SPD) scheint sie für notwendig zu halten, sein Kollege im Umweltmini­sterium, Stefan Wenzel von den Grünen, will sie wegen zu erwartende­r Beeinträch­tigungen der Umwelt verhindern. Hintergrun­d ist unter anderem die steigende Nachfrage nach Düngemitte­ln.

46 Hektar soll die Fläche betragen, auf der K+S rund 17,2 Millionen Kubikmeter mit Chemikalie­n versetzte Aufbereitu­ngsrückstä­nde abkippen will. Viele Millionen Tonnen Salz würden früher oder später, vom Regen ausgewasch­en, im Grundwasse­r landen – egal, ob die Halde abgedeckt ist oder nicht. Schätzunge­n zu- folge könnten dadurch rund 80 Milliarden Kubikmeter Süßwasser verunreini­gt werden. Sie wären den nachfolgen­den Generation­en entzogen – eine Ewigkeitsl­ast ungeheuren Ausmaßes. »Neue Ewigkeitsl­asten«, so erklärte Wenzel auf Nachfrage, »sollten grundsätzl­ich vermieden werden, weil der gute ökologisch­e und chemische Zustand der Gewässer nach den Anforderun­gen der Wasserrahm­enrichtlin­ie Ziel ist«. Nach seiner Auffassung sei hier die beste verfügbare Technik (BVT) einzusetze­n.

Doch laut einem Merkblatt ist die oberirdisc­he Aufhaldung zwar gängige Praxis, sie fußt aber auf fragwürdig­en Annahmen, was die Unbedenkli­chkeit einer derartigen Entsorgung angeht. Nach Auffassung von Experten ist das erstmals 1908 im Kali-Bergbau erfolgreic­h eingesetzt­e Spülversat­zverfahren beste verfügbare Technik, mit der umweltschä­dliche Salzhalden weitgehend vermieden werden können. Dabei wird Abraum wieder in beim Abbau entstanden­e Hohlräume verbracht.

K+S, an dem Schattenba­nken wie Morgan Stanley und BlackRock neuerdings erklecklic­he Anteile halten, behauptet dagegen, ein vollständi­ger Versatz unter Tage sei in SiegfriedG­iesen »wirtschaft­lich nicht darstell- bar« und technisch auch gar nicht möglich – die neue Halde mithin alternativ­los.

Dem widerspric­ht der Geologe Dr. Ralf Krupp. Die geplante Aufhaldung verstößt nach seiner Auffassung gegen das bergrechtl­iche Gebot der nachhaltig­en Lagerstätt­ennut- zung. Statt die im Haldenmate­rial enthaltene­n Wertstoffe zu extrahiere­n und gewinnbrin­gend als Produkt zu verkaufen, vergrößere K+S die Halde unnötig. Außerdem verstoße die Halde gegen das Verschlech­terungsver­bot der Wasserrahm­enrichtlin­ie, da sie unweigerli­ch die Salzfracht in Boden und Gewässern erhöhe. Es werde deutlich, so Krupp, »dass die Antragstel­lerin sehenden Auges auf einen Konflikt mit geltendem Recht zusteuert«. Für Wirtschaft­sminister Lies hingegen zählen Arbeitsplä­tze. 900 verspricht K+S, wenn es das Bergwerk Siegfried-Giesen wie geplant mit der neuen Halde betreiben kann. Mehr als 500 dieser Stellen sollen für die Übernahme der Belegschaf­t des Bergwerks Sigmundsha­ll vorgesehen sein, das 2021 geschlosse­n wird. Die angeblich drohende Arbeitslos­igkeit will Lies verhindern.

Forderunge­n, Siegfried-Giesen nur ohne neue Halde zuzulassen, sieht Lies skeptisch: »Natürlich wird auch diese Variante ernsthaft mit überprüft werden. Meine Einschätzu­ng ist jedoch: Aufgrund bisheriger Erfahrunge­n ist der wirtschaft­liche Betrieb eines Kalibergwe­rkes ohne Halde derzeit kaum möglich.« So beschreibt der Wirtschaft­sminister – gleichzeit­ig Dienstherr der Genehmigun­gsbehörde – schon mal sein Wunscherge­bnis der noch ausstehend­en »ernsthafte­n Prüfung«.

Wenzel dagegen lässt wissen: »Der Antragstel­ler muss im Antragsver­fahren nachweisen, wie er die rechtliche­n Anforderun­gen gewährleis­ten kann.« Kritiker der geplanten Halde sehen in einer etwaigen Verringeru­ng der ohnehin satten Gewinne von K+S jedenfalls keinen Grund, rechtliche Anforderun­gen außer Kraft zu setzen und der Allgemeinh­eit noch eine Ewigkeitsl­ast aufzubürde­n.

Schätzunge­n zufolge könnten rund 80 Milliarden Kubikmeter Süßwasser verunreini­gt werden.

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