Stars auf Stadtflucht
Uwe Ochsenknecht und Dietmar Bär als grantelndes Paar in »Große Fische, kleine Fische« im ZDF
Mit der Provinz ist das so eine Sache. In der Antike war es jener imperiale Randbereich, den die Römer allenfalls unter Kontrolle hatten. Als sich Europa nach Napoleon zivilisierte, geriet die Provinz zum Inbegriff des Abseitigen: idyllisch, aber unmodern. Bis die Globalisierung der Provinz den Ruf reparierte, medial gekennzeichnet von Stadtfluchtheften wie »LandLust« nebst allerlei Komödien und Krimis, die das Fernsehen gerade dörflich fluten.
Als Gegengewicht zum Beton der Metropolen liebt das städtische Publikum ihre Provinzen.
Als Gegengewicht zum Beton der Metropolen liebt das Publikum halt ihre Provinzen – sofern ein paar Regeln befolgt werden. Regel 1: Süddeutsche sind offen und heiter. Regel 2: Norddeutsche sind verschlossen und stur. Regel 3: Sofern die CSU nicht interveniert, herrscht in allen Himmelsrichtungen dünn besiedelte Verschrobenheit. Wer sich daran hält, schafft es ins Abendprogramm, vor allem das öffentlichrechtliche. Nur so ist zu erklären, dass dort am Donnerstag »Große Fische, kleine Fische« läuft und vermutlich gute Quoten erzielt. Ansonsten hätte die Provinzposse vom Oscar-prämierten Jochen Alexander Freydank auf den teuren Plätzen wenig verloren.
Uwe Ochsenknecht und Dietmar Bär spielen darin zwei Ostsee-Fischer, die es in baugleicher Art bei wechselnden Berufen schon Tausendmal gegeben haben dürfte. Paul und Fiete (so heißt man in der Küstenfiktion noch immer) arbeiten wortkarg auf ihrem Kutter bis sich Pauls Sohn (auf Schultheaterniveau verkörpert vom abgemagerten Axel Stein) als Fietes Kuckuckskind erweist (was dessen Wattnamen Piet erklärt). Es folgt eine inspirationsfreie Kabbelei zweier Dickköpfe um Blut, Schweiß und Kähne, die der Regisseur so künstlich herbei geschrieben hat, dass man sich fragt, ob der Ost-Berliner sich je die Mühe gemacht hat, mal auf Rügen vorbeizuschauen, um zumindest eine Ahnung davon zu erhalten, wie seine Protagonisten in der Realität ticken könnten.
Deren Habitus nämlich stammt bis ins Paar Gummistiefel, das offenbar auch sommers von fast jedem Insulaner getragen wird, aus dem Schubfach mit der Aufschrift: nordisch by nature. Im Gasthaus gibt’s statt Wein nur Bier, aber Haue, falls Städter den Dörflern doof kommen. Eingeborene sind maulfaul, fahren Oldtimer, zahlen den Landarzt mit Schnaps und reden alle im ortsüblichen … Moment – hier redet keiner Dialekt; weder die zwei Streithähne noch Jürgen Tarrachs windiger Bürgermeister oder Katharina Thalbach, die keine Funktion hat, außer ihr kanariengelbes Ölzeug in die Kamera zu halten.
Das ist nicht nur irreal in einer Gegend, deren Idiom noch aus dichtem Stimmengewirr hervorsticht; es widerspricht auch dem Branchengesetz, das – Regel Nummer Vier – zwingend einige Dialektsprecher vorschreibt. Deshalb gibt es am »Tatort« stets Nebenfiguren, die berlinern oder hessisch babbeln. Deshalb klingt das »Großstadtrevier« zuweilen, als lebte Hans Albers noch. Die Zuschauer wollen es ja so, und zwar zu Recht; Dialekte, diese wunderbaren Distinkti- onselemente entspannter Heimatkunde, sind schließlich vom Aussterben bedroht. »Große Fische, kleine Fische« dagegen hört sich synchronisiert an, was einen Grund hat: Dem ZDF ging es um Stars statt Authentizität. Tatsächlich ist es eine Freude, den pfälzisch-westfälischen Hauptdarstellern beim Grummeln zuzusehen. Nur – mit Norddeutschland hat das am Ende ebenso wenig zu tun wie mit richtig gutem Fernsehen. Provinziell kann die Provinz eben doch besser als jeder Hauptstädter.
ZDF, 21.5., 20.15 Uhr