Paris will keine neue Diskussion um Schiefergas
Experten sprechen sich in einem geheimen Bericht für »umweltverträgliches« Fracking aus
Seit dem Jahr 2011 ist Fracking in Frankreich per Gesetz verboten. Doch die Befürworter dieser gefährlichen Technologie versuchen, die Debatte neu zu entfachen.
So oft man das Thema Schiefergas in Frankreich schon zu den Akten gelegt hatte, so oft taucht es wieder auf. Denn die Befürworter sehen darin große wirtschaftliche Möglichkeiten, während sie mögliche negative Folgen wie schwere Umweltschäden verdrängen. Jetzt haben die Medien einen Untersuchungsbericht entdeckt, den die Regierung unter Verschluss halten wollte. Die Studie war 2012 vom damaligen Minister für »Wirtschaftlichen Wiederaufbau« und späteren Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg in Auftrag gegeben worden und wurde Anfang 2014 fertiggestellt.
Da lag Montebourg bereits im Streit mit Regierungschef Manuel Valls um die strategische Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, was im August 2014 zu Montebourgs Ablösung führte. Zu den Reizthemen hatte auch das Schiefergas gehört, das der Wirtschaftsminister nicht einfach aufgeben wollte, weil es seiner Überzeugung nach eine wertvolle Energiequelle und damit eine Chance für die Wirtschaft darstellen würde – wenn man es nur umweltverträglich fördern könnte.
Dass »hydraulisches Fracking« seit 2011 gesetzlich verboten ist, geht Montebourgs Überzeugung nach vor allem auf den Druck der Öffentlich- keit zurück, die von den Grünen einseitig informiert worden sei. Aber immer, wenn er seine Meinung zu diesem Thema öffentlich äußern wollte, wurde er von Valls zurückgepfiffen. Für den Regierungschef war entscheidend, was Staatspräsident François Hollande in einem Interview am 14. Juli 2013 erklärt hatte: »Solange ich Präsident bin, wird es in Frankreich keine Ausbeutung von Schiefergas geben.«
Montebourg hatte sich seine davon abweichende Meinung 2012 nach einem dreistündigen Gespräch mit dem texanischen Unternehmer John Thrash gebildet. Der hatte ihm gegenüber für seine Firma Ecorp geworben, die angeblich Schiefergas und -öl ohne Umweltschäden för- dern könne, weil dabei nicht wie sonst meist üblich mit giftige Chemikalien und Kies vermischtes Wasser unter hohem Druck in das Gestein gepresst wird, sondern Heptafluorpropan, das im Gegensatz zu reinem Propangas nicht entflammbar ist. Der Minister schickte darauf hin einige Mitarbeiter nach Texas und gab später die Studie in Auftrag.
Doch als deren Ergebnis Anfang 2014 vorlag, durfte Montebourg es nicht öffentlich erwähnen. In ihrem Bericht kommen die Experten zu dem Schluss, dass Fracking mit Gas im Gegensatz zur Wasser-Chemikalien-Mischung ungefährlich für das Grundwasser sei. Ihren optimistischen Schätzungen nach würden die Vorkommen in Frankreich über 30 Jahre verteilt eine Förderung von 540 Millionen bis 1,9 Milliarden Kubikmeter Schiefergas sowie von ein bis zwei Milliarden Barrel Schieferöl erlauben. Der Wert dieser Förderung betrüge jährlich 3,4 bis 9,8 Milliarden Euro. Bis zu 225 000 neue Arbeitsplätze könnten dadurch geschaffen werden.
Doch wie schon vor einem Jahr regierungsintern, hat auch jetzt wieder Umweltministerin Ségolène Royal – diesmal öffentlich – gegenüber der neue Methode starke Bedenken geäußert. »Diese vorgeschlagene Alternative ist keine Lösung«, betonte sie. »Diese Technologie ist noch nicht ausgereift und durch längere Versuche bestätigt.« Das Prinzip sei auch hier das Fracking, wenngleich nicht durch mit Chemikalien versetztes Wasser, sondern durch Gas. »Dieses Gas ist schädlich für das Klima, und wenn es in die Atmosphäre entweichen könnte, wären die Folgen katastrophal«, so die Ministerin. Außerdem müssten eine Vielzahl von Bohrungen vorgenommen werden. Damit vervielfache sich im Vergleich zur herkömmlichen Erdölförderung die Gefahr, dass später im Prozess der Schieferölförderung durch Pannen Anteile davon ins Grundwasser gelangt und dieses verseuchen.
Vermutlich wohl entscheidender ist für die Ministerin jedoch, dass die neuentfachte Diskussion von ihren Bemühungen ablenkt, die Energiewende voranzutreiben. Diese sei nämlich ihre Priorität und darauf müssten »sich auch die Investitionen konzentrieren«, so Royal.