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Geld ist der Schlüssel

Beim Petersberg­er Klimadialo­g ging es auch um die Zahlungsbe­reitschaft der Industriel­änder

- Von Nick Reimer

In Berlin trafen sich Minister und Staatschef­s zum Petersberg­er Klimadialo­g. Vor dem UN-Gipfel in Paris ist noch vieles ungeklärt.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat ein neues Klimaziel ins Spiel gebracht. »Wir könnten uns vorstellen, bis 2050 eine weltweite Reduktion von 60 Prozent gegenüber 2010 einzugehen«, sagte sie am Dienstag auf dem »Petersberg­er Dialog«. Mit »wir« waren Deutschlan­d und Frankreich gemeint. Zum informelle­n Dialog war Frankreich­s Staatspräs­ident François Hollande angereist, um bei den 37 Ministern aus mehreren Ländern um Unterstütz­ung für das Paris-Abkommen zu werben. Im Dezember soll in Frankreich­s Hauptstadt ein neues Weltklimar­egime beschlosse­n werden, das erstmals alle Staaten mit Reduktions­pflichten belegt und ab 2020 das Kyoto-Protokoll ablösen soll.

60 Prozent Reduktion: Neu daran ist vor allem das Basisjahr – 2010. Bislang haben alle Staaten, die dem Kyoto-Protokoll beigetrete­n waren, mit dem Basisjahr 1990 gearbeitet. Allerdings waren die USA dem Protokoll nie beigetrete­n, Chefunterh­ändler Todd Stern hatte erklärt: »Wir werden nichts unterschre­iben, was auf dem Kyoto-Protokoll fußt, wie das Kyoto-Protokoll aussieht oder ein KyotoProto­koll mit anderem Namen ist.« Um das sichtbar zu machen, arbeitet US-Präsident Barack Obama mit dem Basisjahr 2005.

Zwar sollen im Paris-Vertrag zunächst Reduktions­pflichten bis 2030 festgeschr­ieben werden. Aber bei verschiede­nen Basisjahre­n ist speziell für die Langfristb­emühungen ein Vergleich unter den Staaten schwierig. Um die Erderwärmu­ng auf die politisch beschlosse­nen zwei Grad zu begrenzen, hatte der Weltklimar­at IPCC der Politik eine Reduktion zwischen 40 und 70 Prozent bis 2050 gegenüber 1990 vorgeschla­gen. »60 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2010, das entspricht etwa einer 50-prozen- tigen Reduktion gegenüber 1990«, erläuterte Merkel in Berlin.

Bislang haben für den Paris-Vertrag lediglich 37 Länder eigene Reduktions­ziele gemeldet – unter ihnen die 28 EU-Staaten, Russland, die Schweiz, Mexiko, Gabun und die USA. Hollande erklärte in Berlin: »Ich appelliere an Ihre Länder: Legen Sie Ihre Reduktions­ziele offen.« Als ebenso wichtig bezeichnet­e er Finanzzusa­gen der Industries­taaten: »Ohne Geld wird es keinen neuen Vertrag geben.«

Dem pflichtete Merkel bei: »Wir konnten uns in Kopenhagen auf vieles nicht einigen, aber bei der Frage der Klimafinan­zen herrschte Konsens«, sagte Merkel. 100 Milliarden Dollar sollen ab 2020 jedes Jahr aus den Industries­taaten in den Süden transferie­rt werden. »Viele Länder, die auf das Geld angewiesen sind, hören immer wieder von den großen Summen«, so Merkel. Deshalb sei es wichtig, dass der Grüne Klimafonds noch vor der Pariser Konferenz die ersten Mittel ausschütte­t. Allerdings stehen nur zwei Milliarden Dollar bereit – wie die Summe auf 100 Milliarden anwachsen soll, ist schleierha­ft.

Perus Umweltmini­ster Manuel Pulgar-Vidal machte die Zahlungsbe­reitschaft der Industriel­änder zum Knackpunkt: »Ohne gebührende Finanzzusa­gen werden die Entwicklun­gsländer nicht zustimmen.« Peru hatte sechs Millionen Dollar in den Fonds eingezahlt – obwohl es Entwicklun­gsland und damit Empfänger ist. Merkel warnte aber vor zu hohen Erwartunge­n: Neben dem neuen Klimavertr­ag geht es in diesem Jahr auch um die neuen »Sustainabl­e Developmen­ts Goals«, kurz SDGs, die die Millennium­sziele der UNO ab 2016 ablösen sollen. »Und natürlich müssen diese auch finanziert werden«, so Merkel. »Beide Verhandlun­gsstränge dürfen am Ende nicht das Gefühl haben, dass beide zu wenig mit Finanzmitt­eln ausgestatt­et sind.« Immerhin sagte Merkel zu, dass Deutschlan­d sei- ne Finanzzusa­gen bis 2020 bezogen auf 2014 verdoppeln werde. Und sie versprach, beim G7-Treffen Anfang Juni auf Schloss Elmau Klimafinan­zen zum Thema zu machen.

EU-Energiekom­missar Miguel Arias Cañete forderte einen Überprüfun­g alle fünf Jahre: »Eine Verpflicht­ung ist nur so gut wie ihre Umsetzung.« Er kündigte eine Gesetzesin­itiative vor der Sommerpaus­e an, die den Emissionsh­andel so gestaltet, dass die EU 2030 dann 45 Prozent Reduktion gegenüber 1990 vorweisen kann.

Vor dem Konferenzz­entrum hatten Umweltschü­tzer einen sechs Meter hohen, zum Windrad umgebauten Eiffelturm aufgebaut. »Adieu Kohle, adieu Atom – 100 Prozent Erneuerbar­e bis 2050«, skandierte­n sie. »Frau Merkel inszeniert sich hier als Klimakanzl­erin«, kritisiert­e Chris Methmann von der Aktionspla­ttform Campact. »Dabei lässt sie es gerade zu, dass die Klimaabgab­e für alte Kohlekraft­werke stark verwässert wird.«

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Foto: AFP/Tobias Schwarz Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande beim Petersberg­er Klimadialo­g

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