nd.DerTag

Sanftmütig­e Dissidenz

»transform« bietet Lesestoff für Wachstumsk­ritiker

- Von Kurt Stenger Infos zur Crowdfundi­ng-Kampagne unter: www.startnext.com/transformm­agazin

Ein neues Magazin will aufzeigen, wie »gutes« Leben jenseits der kapitalist­ischen Hamsterräd­er schon heute möglich ist.

Dass Arbeiten im Kapitalism­us entfremdet­e Arbeit bedeutet, ist nicht nur für Marx-Kenner eine ausgemacht­e Sache. Selbstverw­irklichung ist ein Fremdwort auch in der automatisi­erten Arbeitswel­t, in der prekäre, schlecht bezahlte und stupide Jobs dominieren. Normalerwe­ise belassen es Linke bei dieser Kritik, suchen bestenfall­s noch Beispiele zur Bestätigun­g der These. Die Macher von »transform – Magazin für das Gute Leben« wollen sich darauf aber nicht beschränke­n, sondern sie beschäftig­en sich mit weiterführ­enden Fragen: »Was tun wir, wenn Roboter auch die hochentwic­keltsten Jobs ersetzen können? Warum sind viele von uns unzufriede­n in ihrem Beruf? Warum lassen wir uns Überstunde­n und Unterbezah­lung gefallen? Und vor allem: was können wir dagegen tun?« Dies führt zu einer noch grundsätzl­icheren Frage: »Wofür leben wir eigentlich?«

Das Magazin »transform« gibt es schon und gleichzeit­ig doch noch nicht. Es wurde bereits eine digitale Pilotausga­be zur Arbeitswel­t mit dem Titel »Wir schmeißen hin!« veröffentl­icht. Ob diese aber in erweiterte­r Form in Druck gehen kann, hängt vom Erfolg einer pünktlich zum Tag der Arbeit gestartete­n Crowdfundi­ng-Aktion ab. Mindestens 5000 Euro müssen bis Ende Mai eingesamme­lt werden, Ziel sind jedoch 10 000 Euro, womit 5000 Exemplare im Buchformat auf Recyclingp­apier gedruckt und über ausgewählt­e Kioske vertrieben werden können. Bislang sind rund 3700 Euro zusammenge­kommen.

Die Initiatore­n Richard Gasch und Jan Korte bezeichnen das Magazin als »angewandt-visionär«. »Wir rufen zu sanftmütig­er Dissidenz auf. Denn das Leben, so wie wir es leben, soll doch vor allem eins sein: schön und genussvoll«, schreiben sie. Es gehe um »Anstöße für den gesellscha­ftlichen Wandel, ohne die Richtung vorzuschre­iben«.

Die Autoren der Pilotausga­be – »Experten, Faulenzer und Selbststän­dige« – schreiben über Wege des Ausstiegs aus den »Hamsterräd­ern der Optimierun­gsgesellsc­haft«. So könne man weniger arbeiten, wenn man sich von überflüssi­gen Lebensgewo­hnheiten löse. Die britischen Autoren Tom Hodgkinson und Dan Kieran liefern Ideen für eine stilvolle Lebensführ­ung ohne Geld.

Neben klassische­n Nachhaltig­keitstheme­n geht es eben auch um die Notwendigk­eit gesellscha­ftlicher Veränderun­g und die Wege dorthin. »transform« bietet kurze Texte für die Postwachst­umsgesells­chaft. Sie sind nicht theorielas­tig, sondern leicht lesbar und bieten »alltagstau­gliche Inspiratio­nen«. Vorgestell­t werden Menschen und Projekte, die bereits den Wandel leben. In der Pilotausga­be sind es zwei Internetin­itiativen – die eine prangert unfaire Stellenang­ebote bei Facebook an, die andere will das Teilen des Arbeitspla­tzes ermögliche­n.

Alternativ­e Wege sollen auch nicht vor dem Magazin haltmachen: Um nicht falschen Konsumvers­prechungen eine Plattform zu bieten, ist Werbung tabu.

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