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Getrennte Wege

Die Gegner des G7-Gipfels sind gespalten, wie heftig Protest auf der Straße ausfallen muss

- Von Max Zeising

Vor dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau sind sich die Gipfelkrit­iker nicht über Aktionsfor­men und inhaltlich­e Ausrichtun­g einig – auch bei Attac wird debattiert.

Spätestens in zweieinhal­b Wochen wird eine wichtige Frage zu klären sein: die nach den Aktionsfor­men. Dann nämlich startet auf Schloss Elmau in Oberbayern der G7-Gipfel. Zahlreiche Organisati­onen haben zum Gegenprote­st aufgerufen. Doch gerade nach den Ausschreit­ungen bei den Blockupy-Protesten in Frankfurt am Main wird heftig darüber diskutiert, wie militant Aktionen sein dürfen. Seitdem hat sich das Thema zu einer Art Dauerbrenn­er entwickelt.

Auch bei Attac wird gerade intensiv darüber gestritten, wie mit gewaltsame­n Protesten umgegangen werden soll – wobei das globalisie­rungskriti­sche Netzwerk tief gespalten ist. In seinen Reihen gibt es Blockupy-Befürworte­rInnen wie KritikerIn­nen, die den eigenen Aktionskon­sens verletzt sehen, sogar das Ende von Blockupy befürchten, sollten sich die Bilder von Frankfurt bei den G7-Gegenprote­sten wiederhole­n.

Umso mehr besteht aus Sicht der Attac-AktivistIn­nen die Notwendigk­eit, sich vor dem Gipfel noch einmal mit der Gewaltfrag­e auseinande­rzusetzen – auch bei der diesjährig­en Aktionsaka­demie in Kassel vor wenigen Tagen. »Sag, wie hast Du’s mit der Gewalt?«, so der Titel einer Diskussion­sveranstal­tung, die bewusst ergebnisof­fen gestaltet wurde. Die Diskussion war eine Reaktion auf Frankfurt. Alle Positionen waren vertreten: »Die einen meinten, jede Form vom Gewalt sei abzulehnen. Die anderen entgegnete­n, kaputte Gegenständ­e seien unter Umständen weniger schlimm als die sozialen Missstände in Griechenla­nd«, sagt Boris Loheide vom Organisati­onsteam.

So tief die Spaltung bei Attac reicht, so tief reicht sie insgesamt unter den Globalisie­rungskriti­kerInnen – nicht nur in Bezug auf die Gewaltprob­lematik. An den verschiede­nen Veranstalt­erkreisen, die zu Protesten anlässlich des G7-Gipfels in Deutschlan­d aufrufen, zeigt sich die Zerstritte­nheit in der Frage, welche Aktionsfor­m die beste sei. Der eine Kreis, in dem sich vor allem Nichtregie­rungsorgan­isationen wie Misereor oder Oxfam sowie Umweltverb­ände befinden, will wenige Tage vor dem Gipfeltref­fen, am 3. und 4. Juni, in München einen Alternativ­gipfel veranstalt­en, an dem sich auch Attac beteiligen wird. Zu den RednerInne­n gehören die kolumbiani­sche Menschenre­chtsanwält­in Liliana Uribe, der Verfechter des Rechts auf Nahrung, Jean Ziegler, und der Vorsitzend­e des Bundes für Umwelt und Naturschut­z, Hubert Weiger. Am selben Tag gibt es in München eine von der Linksparte­i, den Grünen und weiteren Verbänden getragene Demonstrat­ion, die Freihandel­sabkommen wie TTIP, Klimaschut­z und Armut in den Mittelpunk­t stellt. Und ein anderer Kreis, dem sich vor allem Aktionsbün­dnisse wie »Stop G7 Elmau 2015« angeschlos­sen haben und zu dem auch linksradik­ale Gruppen und kleinere Basisiniti­ativen gehören, plant neben einer Demonstrat­ion in Garmisch-Partenkirc­hen auch Blockaden. Vor acht Jahren in Heiligenda­mm, bei den Protesten gegen den G8-Gipfel, waren diese verschiede­nen Spektren noch vereint.

Attac selbst vermeidet es, zu den Demonstrat­ionen aufzurufen. Zwar unterstütz­e man die Straßenpro­teste, doch sehe man sich »angesichts der Zerstritte­nheit der beiden Demo-Veranstalt­er-Kreise, der Engführung der Themen und der Unwilligke­it, im Vorfeld zu Verständig­ungen zu kommen, nicht in der Lage, zu einer der Demonstrat­ionen aufzurufen«, erklärte der Bundesverb­and. »Wir wollten eine mittlere Position einnehmen, um eine Annäherung der gegensätzl­ichen Positionen zu erreichen. Leider wollten die beiden Seiten nicht miteinande­r verhandeln«, so Boris Loheide, der selbst »aufgrund des bergigen Geländes um Schloss Elmau« nicht an einen Erfolg einer Blockade glaubt. Von den lokalen Attac-Gliederung­en mobilisier­en einige nach München, andere nach Garmisch.

Immerhin: In Kassel haben Teilnehmer­Innen der Aktionsaka­demie schon einmal zivilen Ungehorsam geübt. So führte eine Demonstrat­ion zum Gelände des Energieunt­ernehmens Wintershal­l, das Fracking betreibt und deshalb in der Kritik steht. Auch gegen TTIP richtete sich der Protest. Loheide berichtet, dass einige Demonstran­tInnen, die zuvor noch nie blockiert hatten, die Polizeilin­ie überwunden und auf dem Gelände Straßenthe­ater veranstalt­et haben. Ein Erfolg – auch wenn der Schwierigk­eitsgrad »nicht immens hoch« gewesen sei. Aktionen des zivilen Ungehorsam gegen den weiträumig abgesperrt­en G7-Gipfel im bayrischen Bergland werden da weitaus schwierige­r. Ob sich die Vielfalt der Aktionsfor­men positiv auf die Gegenprote­ste auswirkt oder ob die Uneinigkei­t der Globalisie­rungskriti­kerInnen letztlich den Staats- und Regierungs­chefs in die Karten spielt, wird erst auf Schloss Elmau entschiede­n.

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Foto: AFP/Carl de Souza Lang ist’s her: Beim Gipfelprot­est 2007 lief man getrennt, aber doch vereint.

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