Getrennte Wege
Die Gegner des G7-Gipfels sind gespalten, wie heftig Protest auf der Straße ausfallen muss
Vor dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau sind sich die Gipfelkritiker nicht über Aktionsformen und inhaltliche Ausrichtung einig – auch bei Attac wird debattiert.
Spätestens in zweieinhalb Wochen wird eine wichtige Frage zu klären sein: die nach den Aktionsformen. Dann nämlich startet auf Schloss Elmau in Oberbayern der G7-Gipfel. Zahlreiche Organisationen haben zum Gegenprotest aufgerufen. Doch gerade nach den Ausschreitungen bei den Blockupy-Protesten in Frankfurt am Main wird heftig darüber diskutiert, wie militant Aktionen sein dürfen. Seitdem hat sich das Thema zu einer Art Dauerbrenner entwickelt.
Auch bei Attac wird gerade intensiv darüber gestritten, wie mit gewaltsamen Protesten umgegangen werden soll – wobei das globalisierungskritische Netzwerk tief gespalten ist. In seinen Reihen gibt es Blockupy-BefürworterInnen wie KritikerInnen, die den eigenen Aktionskonsens verletzt sehen, sogar das Ende von Blockupy befürchten, sollten sich die Bilder von Frankfurt bei den G7-Gegenprotesten wiederholen.
Umso mehr besteht aus Sicht der Attac-AktivistInnen die Notwendigkeit, sich vor dem Gipfel noch einmal mit der Gewaltfrage auseinanderzusetzen – auch bei der diesjährigen Aktionsakademie in Kassel vor wenigen Tagen. »Sag, wie hast Du’s mit der Gewalt?«, so der Titel einer Diskussionsveranstaltung, die bewusst ergebnisoffen gestaltet wurde. Die Diskussion war eine Reaktion auf Frankfurt. Alle Positionen waren vertreten: »Die einen meinten, jede Form vom Gewalt sei abzulehnen. Die anderen entgegneten, kaputte Gegenstände seien unter Umständen weniger schlimm als die sozialen Missstände in Griechenland«, sagt Boris Loheide vom Organisationsteam.
So tief die Spaltung bei Attac reicht, so tief reicht sie insgesamt unter den GlobalisierungskritikerInnen – nicht nur in Bezug auf die Gewaltproblematik. An den verschiedenen Veranstalterkreisen, die zu Protesten anlässlich des G7-Gipfels in Deutschland aufrufen, zeigt sich die Zerstrittenheit in der Frage, welche Aktionsform die beste sei. Der eine Kreis, in dem sich vor allem Nichtregierungsorganisationen wie Misereor oder Oxfam sowie Umweltverbände befinden, will wenige Tage vor dem Gipfeltreffen, am 3. und 4. Juni, in München einen Alternativgipfel veranstalten, an dem sich auch Attac beteiligen wird. Zu den RednerInnen gehören die kolumbianische Menschenrechtsanwältin Liliana Uribe, der Verfechter des Rechts auf Nahrung, Jean Ziegler, und der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Hubert Weiger. Am selben Tag gibt es in München eine von der Linkspartei, den Grünen und weiteren Verbänden getragene Demonstration, die Freihandelsabkommen wie TTIP, Klimaschutz und Armut in den Mittelpunkt stellt. Und ein anderer Kreis, dem sich vor allem Aktionsbündnisse wie »Stop G7 Elmau 2015« angeschlossen haben und zu dem auch linksradikale Gruppen und kleinere Basisinitiativen gehören, plant neben einer Demonstration in Garmisch-Partenkirchen auch Blockaden. Vor acht Jahren in Heiligendamm, bei den Protesten gegen den G8-Gipfel, waren diese verschiedenen Spektren noch vereint.
Attac selbst vermeidet es, zu den Demonstrationen aufzurufen. Zwar unterstütze man die Straßenproteste, doch sehe man sich »angesichts der Zerstrittenheit der beiden Demo-Veranstalter-Kreise, der Engführung der Themen und der Unwilligkeit, im Vorfeld zu Verständigungen zu kommen, nicht in der Lage, zu einer der Demonstrationen aufzurufen«, erklärte der Bundesverband. »Wir wollten eine mittlere Position einnehmen, um eine Annäherung der gegensätzlichen Positionen zu erreichen. Leider wollten die beiden Seiten nicht miteinander verhandeln«, so Boris Loheide, der selbst »aufgrund des bergigen Geländes um Schloss Elmau« nicht an einen Erfolg einer Blockade glaubt. Von den lokalen Attac-Gliederungen mobilisieren einige nach München, andere nach Garmisch.
Immerhin: In Kassel haben TeilnehmerInnen der Aktionsakademie schon einmal zivilen Ungehorsam geübt. So führte eine Demonstration zum Gelände des Energieunternehmens Wintershall, das Fracking betreibt und deshalb in der Kritik steht. Auch gegen TTIP richtete sich der Protest. Loheide berichtet, dass einige DemonstrantInnen, die zuvor noch nie blockiert hatten, die Polizeilinie überwunden und auf dem Gelände Straßentheater veranstaltet haben. Ein Erfolg – auch wenn der Schwierigkeitsgrad »nicht immens hoch« gewesen sei. Aktionen des zivilen Ungehorsam gegen den weiträumig abgesperrten G7-Gipfel im bayrischen Bergland werden da weitaus schwieriger. Ob sich die Vielfalt der Aktionsformen positiv auf die Gegenproteste auswirkt oder ob die Uneinigkeit der GlobalisierungskritikerInnen letztlich den Staats- und Regierungschefs in die Karten spielt, wird erst auf Schloss Elmau entschieden.