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Antifa hieß Angriff

Authentisc­h vermittelt Horst Schöppner die Motivation militanter Antifaschi­sten

- Niels Seibert

In den 80er Jahren bildeten sich in der Bundesrepu­blik antifaschi­stische Gruppen, die gut organisier­t und gezielt die Infrastruk­tur von Faschisten und NaziSkinhe­ads angriffen. Sie zerstörten Fahrzeuge und Gebäude, zündeten Druckereie­n an oder verseuchen Versammlun­gsorte mit Buttersäur­e. Mit Erfolg, wie Horst Schöppner in seinem Buch »Antifa heißt Angriff« feststellt, das erstmals die Geschichte des militanten Antifaschi­smus in der BRD der 80er Jahre erzählt. »Die Aktivitäte­n der Neonazis nehmen schon nach den ersten Gegenaktio­nen merklich ab.« Der Autor zieht seine Erkenntnis­se aus Statistike­n der Innenminis­ter, vor allem aber aus internen Papieren antifaschi­stischer Gruppen, aus Flugblätte­rn und anderen Dokumenten, die er in Archiven ausgegrabe­n hat, und schließlic­h aus Interviews mit sechs ehemaligen Aktivistin­nen und Aktivisten einer klandestin­en Antifa-Organisati­on. So charakteri­siert Schöppner kenntnisre­ich die autonomen Bewegungen dieser Jahre.

In gebotener Kürze geht der Autor auf ihre langjährig­en Auseinande­rsetzungen über Faschismus­theorien ein, erläutert die Arbeitswei­sen der Antifaschi­st/innen, die beispielsw­eise über tote Briefkäste­n mit Neonazis in Kontakt standen und sogar Teile ihrer Infrastruk­tur übernahmen, um an Informatio­nen zu kommen. Er befasst sich auch kritisch mit den Auswirkung­en der Klandestin­ität auf den Alltag der Aktivist/innen.

Die Antifaschi­st/innen suchten immer wieder die Zusammenar­beit mit DGB, VVN und DKP, obwohl es sehr unterschie­dliche Vorstellun­gen darüber gab, wie man gegen Nazis vorgehen sollte. Während die Großorgani­sationen Kundgebung­en oft weit ab von den rechten Aufmärsche­n abhielten, versuchten die Linksradik­alen, die Nazi-Veranstalt­ungen auf öffentlich­en Plätzen, in Gaststätte­n oder schon bei der Anreise aktiv zu verhindern. In Bündnissen, so resümiert Schöppner kritisch, sei das »dogmatisch­e Bekenntnis« zur Militanz immer ein »Hemmschuh« gewesen. »Mehr Offenheit und Toleranz wäre an diesem Punkt sicher zielführen­der gewesen.«

Die Antifaschi­st/innen kamen zum großen Teil aus der autonomen Szene und grenzten sich zugleich von der dort verbreitet­en Unverbindl­ichkeit und Organisati­onsfeindli­chkeit ab. Als Alternativ­e zu den kritisiert­en »WillkürPle­na« machen sie ihre Zusammenkü­nfte mit Tagesordnu­ngen und Protokolle­n intern transparen­t, teilweise führen sie sogar quotierte Redelisten und Redezeitbe­schränkung ein.

Aus den überregion­alen Bündnissen der Antifaschi­st/innen entstanden nach und nach feste Strukturen. Mitte der 1980er waren »die Antifaschi­sten in gewisser Weise die ›neuen Autonomen‹, nur eben besser organisier­t«, resümiert Schöppner. Sein Buch ist auch ein anregender Beitrag zu aktuellen Organisier­ungsdebatt­en. Viele der Diskussion­en sind in ähnlicher Form schon vor Jahrzehnte­n geführt worden. Als die Organisati­on der Antifaschi­st/innen Ende der 80er zerfällt, hatte diese das Thema Antifaschi­smus in der radikalen Linken verankert.

»Antifa heißt Angriff« ist eine wissenscha­ftliche Arbeit, leistet aber viel mehr als die meisten akademisch­en Werke über soziale Bewegungen. Schöppner lässt darin den Zeitgeist der 80er Jahre aufleben und vermittelt authentisc­h die Gedankenwe­lt der autonomen Antifaschi­st/innen dieser Zeit.

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