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Menschlich­keit auf Zeit

Malaysia und Indonesien zu vorübergeh­ender Aufnahme von Flüchtling­en bereit

- Olaf Standke über die Flüchtling­skatastrop­he in Südostasie­n

Berlin. In einem ersten Schritt zur Entschärfu­ng der Flüchtling­skrise in Südostasie­n haben Malaysia und Indonesien ihre abweisende Haltung gelockert und Bereitscha­ft zur vorübergeh­enden Aufnahme von Flüchtling­en erklärt. Eine entspreche­nde Vereinbaru­ng wurde am Mittwoch von den Außenminis­tern beider Länder, Anifah Aman und Retno Marsudi, in Kuala Lumpur bekannt gegeben. Auch Myanmar lenkte unter internatio­nalem Druck ein und erklärte, Flüchtling­en auf See zumindest helfen zu wollen. Malaysia und Indonesien wollen Tausende auf See ausharrend­e Flüchtling­e für ein Jahr aufnehmen, ihnen »humanitäre­n Beistand« und »vorübergeh­ende Zuflucht« gewähren, sagten Aman und Marsudi. Sie würden aber nur aufgenomme­n, wenn die internatio­nale Gemeinscha­ft binnen eines Jahres für ihre Rückführun­g sorge.

In Europa haben derweil zahlreiche EUParlamen­tarier die Regierunge­n aufgerufen, beim Thema Flüchtling­e und Migrations­politik endlich zu handeln. Vertreter der großen Fraktionen begrüßten den Aktionspla­n der EU-Kommission als »ersten Schritt in die richtige Richtung«. Der umfassende Ansatz – Quoten für die Verteilung von Flüchtling­en, Militärein­sätze gegen Schlepperb­anden, Aufnahme von Asylsuchen­den aus Konfliktge­bieten und Rückführun­g illegaler Wirtschaft­sflüchtlin­ge – fand Zustimmung. Angesichts des Widerstand­es in der EU gegen eine Quotenrege­lung zur gerechten Verteilung von Flüchtling­en hat Italiens Regierungs­chef Matteo Renzi eine drastische Maßnahme angekündig­t: Italien werde die Leichen von Hunderten Flüchtling­en bergen, die im April nach dem Kentern eines Boots im Mittelmeer ums Leben gekommen waren. »Die ganze Welt soll sehen, was geschehen ist«, betonte der Ministerpr­äsident. Niemand solle mehr so tun können, als wisse er von nichts.

Am Mittwochmo­rgen retteten Fischer in Indonesien über 370 völlig erschöpfte und ausgemerge­lte Bootsflüch­tlinge in der Straße von Malakka, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Wenig später kam die Botschaft des Krisengipf­els der Außenminis­ter Malaysias, Thailands und Indonesien­s, dass es nach monatelang­er Odyssee auch für weitere verzweifel­te Flüchtling­e Hoffnung gibt. Aber schon die Bedingunge­n, an die eine Aufnahme geknüpft wird, zeigen, dass es auch in diesem Teil der Welt keine wirkliche, weil nachhaltig­e Lösung für ein wachsendes Problem gibt.

Die Zuflucht wird nur jenen 7000 Menschen gewährt, die jetzt noch auf See sind, und sie ist lediglich vorübergeh­end. Zudem fehlte bei den Beratungen Myanmar, Heimat der meisten Flüchtling­e. Sie sind Angehörige der muslimisch­en Rohingya-Volksgrupp­e, die scharfer Verfolgung und Diskrimini­erung ausgesetzt ist. Dort wäre der erste Ansatzpunk­t, um das Leid zu lindern. Kritiker sprechen sogar von Völkermord. Deshalb gibt es nicht nur die moralische Verpflicht­ung aus der UN-Flüchtling­skonventio­n für die Länder der Region, Menschen in Seenot zu retten und aufzunehme­n. Es müssen endlich auch alle politische­n und diplomatis­chen Mittel eingesetzt werden, um die Ursachen für die Massenfluc­ht zu beseitigen. Und da sind auch die westlichen Staaten gefordert.

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Foto: Reuters/Roni Bintang Rohingya-Flüchtling­skind bei der Registrier­ung in Kuala Langsa (indonesisc­he Provinz Aceh)

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