Gerechtigkeit – 70 Jahre nach Kriegsende
Bundestag beschließt eine Stiftung zur Entschädigung von ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen
Der Bundestag-Haushaltsausschuss beschloss am Mittwoch die Einrichtung einer Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Rotarmisten, die in Nazigefangenschaft geraten waren.
Sieben Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bekennt sich Deutschland zu seiner Verantwortung gegenüber den sowjetischen Kriegsgefangenen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages beschloss am Mittwoch die Gründung einer Stiftung, die sich um die Entschädigung der noch lebenden ehemaligen gefangenen sowjetischen Soldaten kümmern soll. Dazu wird sie mit zehn Millionen Euro ausgestattet. Noch leben, so Schätzungen, 2000 Menschen, die Anspruch geltend machen können. Die jüngsten sind um die 90 Jahre alt.
Deutschland hatte im Sommer 1941 einen ideologisch und ras- sistisch motivierten Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion begonnen. Unter den Opfern des Nationalsozialismus waren gefangene Angehörige der Roten Armee nach den Juden die zweitgrößte Gruppe. Etwa drei Millionen von insgesamt rund 5,7 Millionen starben an Hunger, Krankheiten und Entkräftung. Zehntausende wurden von Wehrmacht und SS erschossen.
Bei der Entschädigung ehemaliger osteuropäischer Zwangsarbeiter durch eine im Jahr 2000 gegründete Stiftung wurden Kriegsgefangene weitgehend ausgeklammert. Eine erste Bundestagsinitiative, die überlebenden Kriegsgefangenen generell zu entschädigen, scheiterte an der damaligen schwarz-gelben Parlamentsmehrheit. Im vorigen Herbst setzten Grüne und LINKE das Thema erneut auf die Tagesordnung.
Eberhard Radczuweit von der »Kontakte«-Intitiative äußerte sich gegenüber »nd« zufrieden, dass endlich diese politische Hürde genommen wird. Doch sieht er »noch diverse Klippen« bei der Ausgestaltung des Vorhabens. So gibt es in Russland keine Interessenver- tretung für die jetzt zu Entschädigenden. Sie seien nirgends erfasst, lediglich die Namen der Kriegsgefangenen, die bei der Entschädigung der Zwangsarbeiter erfolglos einen Antrag gestellt hatten, müssten in einem Moskauer Archiv zu finden sein. In verschiedenen Ländern der einstigen Sowjetunion seien umfangreiche Recherchen notwendig. Auch, da- mit man keine ehemaligen Kollaborateure der Nazis bedenke.
Radczuweit weiß aber auch, wie wichtig es für Millionen Angehörige ehemaliger gefangener Rotarmisten, »die oft genug unter dem Vorwurf von Vaterlandsverrat leiden mussten«, ist, »aus Deutschland ein vernehmbares Zeichen der Anerkennung von Unrecht und Schuld zu empfangen«.
Jan Korte, Vizechef der Linksfraktion, der sich um das Votum Pro-Entschädigung bemühte, hält es für ein richtiges Zeichen – wenngleich es erst 70 Jahre nach dem Kriegsende komme. Jetzt gelte es, »alles schnell zu organisieren, damit die Zahlungen rasch erfolgen«. Mit Unverständnis reagiert er auf einen überparteilichen Antrag zur Entschädigung, der am Donnerstag ins Plenum eingebracht werden soll. Ausgerechnet die LINKE, von der die Initiative maßgeblich ausging, wird darin nicht eingebunden. »Das ist klein und unangemessen.«
»Zeichen der Anerkennung von Unrecht und Schuld.« Eberhard Radczuweit, Initiative »Kontakte-Kontakty e.V.«