Gesund leben
Forscher hoffen auf bessere Therapien bei Morbus Parkinson durch frühzeitige Erkennung der Krankheit
Parkinson kündigt sich früh an, ermittelten Forscher. Das wollen sie jetzt für die Therapie nutzen.
Weltweit erforschen Wissenschaftler die in alternden Gesellschaften immer häufiger auftretende Parkinson-Erkrankung. Einige Ergebnisse machen Hoffnung – vor allem künftigen Patienten.
Sehr viele Menschen kennen die Krankheit Parkinson, ohne selbst betroffen zu sein. Sie haben Bilder prominenter Betroffener vor Augen, z.B. von den Schauspielern Robin Williams und Michael J. Fox, dem Kabarettisten Ottfried Fischer, Boxweltmeister Muhammad Ali oder Papst Johannes Paul II. Werden sie selbst mit der Diagnose konfrontiert, geschieht das in der Regel erst dann, wenn die typischen Bewegungsstörungen offenkundig werden – die Verlangsamung, der Tremor (das Zittern) und die Muskelsteifigkeit. Die Diagnose Parkinson löst angesichts nicht vorhandener Heilungschancen bei den meisten Menschen Angst aus. Die nur unwesentlich verkürzte Lebenszeit wird dabei von vielen Patienten wegen der Beschwerden kaum als Trost empfunden.
»Zum Zeitpunkt der Diagnose sind mehr als die Hälfte der dopaminergen Nervenzellen des Gehirns, die die Bewegungskontrolle beeinflussen, bereits abgestorben«, so Professor Reichmann, Direktor des Neurologischen Universitätsklinikums in Dresden. »Sollte es gelingen, neuroprotektive Therapieverfahren gegen den Tod dieser Nervenzellen im Labor zu identifizieren – und hieran wird unter anderem in Tierversuchen derzeit intensiv geforscht –, dürften diese umso wirksamer sein, je früher wir sie einsetzen können«, erklärt Professor Wolfgang Oertel, Inhaber der HertieSenior-Forschungsprofessor an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Marburg.
Weltweit erforschen Wissenschaftler die in alternden Gesellschaften immer häufiger auftretende Parkinson-Erkrankung. Einige Ergebnisse wurden im April beim Deutschen Parkinson-Kongress präsentiert. Sie machen Hoffnung – vor allem künftigen Patienten. So hat Anette Schrag vom University College London anhand von Hausarztaufzeichnungen über 50 000 Patienten herausgefunden, dass eine Reihe klinischer Symptome bereits viele Jahre vor der Diagnose auf die spätere Parkinson-Erkrankung hindeutet. Die Forscher identifizierten in einer großen Datenbank 8166 Personen über 50 Jahre, bei denen zwischen 1996 und 2012 die Parkinson-Krankheit diagnostiziert worden war, und stellten diesen zum Vergleich 46 755 gesunde Personen gegenüber. Auf der Suche nach Krankheitszeichen, die bis zu zehn Jahren vor der Parkinson-Diagnose unter den Patienten gehäuft auftraten, erfassten die Forscher die typischen Bewegungsauffälligkeiten, aber auch Funktionsstörungen des autonomen Nervensystems und neuropsychiatrische Störungen. Die retrospektive Analyse ergab: Bereits zehn Jahre vor der Diagnose hatten die späteren Parkinson-Patienten eine nahezu achtfach erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Tremor (Zittern) und litten doppelt so häufig an Verstopfungen im Vergleich zur Kontrollgruppe. Fünf Jahre vor der Diagnose war ein Tremor unter späteren Parkinson-Patienten fast 14-mal so oft festgestellt worden, niedriger Blutdruck trat dreimal so oft auf, und Balancestörungen, Schwindel und Harnentleerungsstörungen kamen mehr als doppelt so häufig vor. Professor Heinz Reichmann und seine Dresdener Kollegen wiesen außer- dem nach, dass ein einfacher Riechtest wichtige Hinweise auf eine beginnende Parkinson-Erkrankung geben kann. Absolute Sicherheit, dass Menschen mit den genannten Symptomen später an Parkinson erkranken, gibt es jedoch nicht.
Besonders hoch ist die Wahrscheinlichkeit bei REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (RBD, Rapid eye movement sleep behaviour disorder), fand Wolfgang Oerler heraus. RBD-Patienten setzen ihre – meist aggressiven – Trauminhalte in starke Bewegung während des Schlafs um. Bei gesunden Menschen ist die Motorik in der Traumschlafphase dagegen gehemmt. Wer an dieser speziellen Schlaf-Traum-Störung leidet, wird nach derzeitigem Kenntnisstand mit bis zu 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit binnen 15 bis 20 Jahren an Parkinson erkranken. »Wenn neue Therapien getestet werden sollen, dann wird die REM-Schlafverhaltensstörung international derzeit als das spezifischste und geeignetste Frühzeichen der Parkinson-Krankheit eingestuft«, sagt Oertel.
In der Früherkennung sehen die meisten Forscher den Schlüssel für eine aussichtsreiche Therapie. Prof. Daniela Berg von der deutschen Parkinson-Gesellschaft (DPG) ermutigt daher Betroffene an klinischen Studien teilzunehmen, die durch langfristige Beobachtung ein besseres Verständnis der frühen Phase von Parkinson ermöglichen. Auch wer selbst von den Ergebnissen nicht oder nur wenig profitieren kann, leistet so einen Beitrag, um das Leid von Patienten künftiger Generationen zu verringern.
Und noch etwas lässt hoffen: Schwedische Forscher haben den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und dem Risiko, an Parkinson zu erkranken, an 43 000 Schweden untersucht. Die Beteiligten machten in einem 36-seitigen Fragebogen detaillierte Angaben zu ihren körperlichen Aktivitäten in verschiedenen Lebensphasen – im Haushalt, im Beruf und in der Freizeit. Das gesamte Spektrum des täglichen Energieverbrauchs – also nicht nur sportliche Aktivität – wurde erfasst. Am Ende stand die Erkenntnis: Sechs Stunden Bewegung pro Woche reduzieren das Parkinson-Risiko um bis zu 45 Prozent!