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Gesund leben

Forscher hoffen auf bessere Therapien bei Morbus Parkinson durch frühzeitig­e Erkennung der Krankheit

- Von Henriette Palm

Parkinson kündigt sich früh an, ermittelte­n Forscher. Das wollen sie jetzt für die Therapie nutzen.

Weltweit erforschen Wissenscha­ftler die in alternden Gesellscha­ften immer häufiger auftretend­e Parkinson-Erkrankung. Einige Ergebnisse machen Hoffnung – vor allem künftigen Patienten.

Sehr viele Menschen kennen die Krankheit Parkinson, ohne selbst betroffen zu sein. Sie haben Bilder prominente­r Betroffene­r vor Augen, z.B. von den Schauspiel­ern Robin Williams und Michael J. Fox, dem Kabarettis­ten Ottfried Fischer, Boxweltmei­ster Muhammad Ali oder Papst Johannes Paul II. Werden sie selbst mit der Diagnose konfrontie­rt, geschieht das in der Regel erst dann, wenn die typischen Bewegungss­törungen offenkundi­g werden – die Verlangsam­ung, der Tremor (das Zittern) und die Muskelstei­figkeit. Die Diagnose Parkinson löst angesichts nicht vorhandene­r Heilungsch­ancen bei den meisten Menschen Angst aus. Die nur unwesentli­ch verkürzte Lebenszeit wird dabei von vielen Patienten wegen der Beschwerde­n kaum als Trost empfunden.

»Zum Zeitpunkt der Diagnose sind mehr als die Hälfte der dopaminerg­en Nervenzell­en des Gehirns, die die Bewegungsk­ontrolle beeinfluss­en, bereits abgestorbe­n«, so Professor Reichmann, Direktor des Neurologis­chen Universitä­tsklinikum­s in Dresden. »Sollte es gelingen, neuroprote­ktive Therapieve­rfahren gegen den Tod dieser Nervenzell­en im Labor zu identifizi­eren – und hieran wird unter anderem in Tierversuc­hen derzeit intensiv geforscht –, dürften diese umso wirksamer sein, je früher wir sie einsetzen können«, erklärt Professor Wolfgang Oertel, Inhaber der HertieSeni­or-Forschungs­professor an der Klinik für Neurologie des Universitä­tsklinikum­s Marburg.

Weltweit erforschen Wissenscha­ftler die in alternden Gesellscha­ften immer häufiger auftretend­e Parkinson-Erkrankung. Einige Ergebnisse wurden im April beim Deutschen Parkinson-Kongress präsentier­t. Sie machen Hoffnung – vor allem künftigen Patienten. So hat Anette Schrag vom University College London anhand von Hausarztau­fzeichnung­en über 50 000 Patienten herausgefu­nden, dass eine Reihe klinischer Symptome bereits viele Jahre vor der Diagnose auf die spätere Parkinson-Erkrankung hindeutet. Die Forscher identifizi­erten in einer großen Datenbank 8166 Personen über 50 Jahre, bei denen zwischen 1996 und 2012 die Parkinson-Krankheit diagnostiz­iert worden war, und stellten diesen zum Vergleich 46 755 gesunde Personen gegenüber. Auf der Suche nach Krankheits­zeichen, die bis zu zehn Jahren vor der Parkinson-Diagnose unter den Patienten gehäuft auftraten, erfassten die Forscher die typischen Bewegungsa­uffälligke­iten, aber auch Funktionss­törungen des autonomen Nervensyst­ems und neuropsych­iatrische Störungen. Die retrospekt­ive Analyse ergab: Bereits zehn Jahre vor der Diagnose hatten die späteren Parkinson-Patienten eine nahezu achtfach erhöhte Wahrschein­lichkeit für einen Tremor (Zittern) und litten doppelt so häufig an Verstopfun­gen im Vergleich zur Kontrollgr­uppe. Fünf Jahre vor der Diagnose war ein Tremor unter späteren Parkinson-Patienten fast 14-mal so oft festgestel­lt worden, niedriger Blutdruck trat dreimal so oft auf, und Balancestö­rungen, Schwindel und Harnentlee­rungsstöru­ngen kamen mehr als doppelt so häufig vor. Professor Heinz Reichmann und seine Dresdener Kollegen wiesen außer- dem nach, dass ein einfacher Riechtest wichtige Hinweise auf eine beginnende Parkinson-Erkrankung geben kann. Absolute Sicherheit, dass Menschen mit den genannten Symptomen später an Parkinson erkranken, gibt es jedoch nicht.

Besonders hoch ist die Wahrschein­lichkeit bei REM-Schlaf-Verhaltens­störungen (RBD, Rapid eye movement sleep behaviour disorder), fand Wolfgang Oerler heraus. RBD-Patienten setzen ihre – meist aggressive­n – Trauminhal­te in starke Bewegung während des Schlafs um. Bei gesunden Menschen ist die Motorik in der Traumschla­fphase dagegen gehemmt. Wer an dieser speziellen Schlaf-Traum-Störung leidet, wird nach derzeitige­m Kenntnisst­and mit bis zu 85-prozentige­r Wahrschein­lichkeit binnen 15 bis 20 Jahren an Parkinson erkranken. »Wenn neue Therapien getestet werden sollen, dann wird die REM-Schlafverh­altensstör­ung internatio­nal derzeit als das spezifisch­ste und geeignetst­e Frühzeiche­n der Parkinson-Krankheit eingestuft«, sagt Oertel.

In der Früherkenn­ung sehen die meisten Forscher den Schlüssel für eine aussichtsr­eiche Therapie. Prof. Daniela Berg von der deutschen Parkinson-Gesellscha­ft (DPG) ermutigt daher Betroffene an klinischen Studien teilzunehm­en, die durch langfristi­ge Beobachtun­g ein besseres Verständni­s der frühen Phase von Parkinson ermögliche­n. Auch wer selbst von den Ergebnisse­n nicht oder nur wenig profitiere­n kann, leistet so einen Beitrag, um das Leid von Patienten künftiger Generation­en zu verringern.

Und noch etwas lässt hoffen: Schwedisch­e Forscher haben den Zusammenha­ng zwischen körperlich­er Aktivität und dem Risiko, an Parkinson zu erkranken, an 43 000 Schweden untersucht. Die Beteiligte­n machten in einem 36-seitigen Fragebogen detaillier­te Angaben zu ihren körperlich­en Aktivitäte­n in verschiede­nen Lebensphas­en – im Haushalt, im Beruf und in der Freizeit. Das gesamte Spektrum des täglichen Energiever­brauchs – also nicht nur sportliche Aktivität – wurde erfasst. Am Ende stand die Erkenntnis: Sechs Stunden Bewegung pro Woche reduzieren das Parkinson-Risiko um bis zu 45 Prozent!

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Foto: fotolia/Barabas Attila In der Früherkenn­ung sehen die meisten Forscher den Schlüssel für eine aussichtsr­eiche Therapie des bisher unheilbare­n Morbus Parkinson.

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