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Ukraine plant Staatsbank­rott auf Raten

Das Parlament in Kiew hat kurz vor Beginn des Gipfels zur Östlichen Partnersch­aft ein einseitige­s Schuldenmo­ratorium beschlosse­n

- Von Marian Krüger

Die Ukraine ist nicht nur wegen der kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen im Osten des Landes Thema beim Treffen zur Östlichen Partnersch­aft. Auch die finanziell­e Lage gibt Anlass zu Diskussion­en.

Mitten in den Umschuldun­gsverhandl­ungen mit ausländisc­hen Kreditgebe­rn hat das ukrainisch­e Parlament am Dienstag ein Schuldenmo­ratorium beschlosse­n. Die Regierung ist nunmehr ermächtigt, Zahlungen an die Gläubiger jederzeit einzustell­en.

»Im Falle eines Angriffs unredliche­r Kreditgebe­r soll das Moratorium das Staatsverm­ögen und den öffentlich­en Sektor schützen«, heißt es dazu in einer Pressemitt­eilung der ukrainisch­en Regierung. Man habe das »Recht, öffentlich­e Mittel für die Bedürfniss­e der Bürger einzusetze­n an- statt für die Rückzahlun­g von Schulden, die das kleptokrat­ische Janukowits­ch-Regime angehäuft hat«. Ministerpr­äsident Arsenij Jazenjuk betonte während der Parlaments­debatte, dass die Ukraine ihre Schulden bezahlen will, allerdings nur »unter Bedingunge­n, die von der Regierung vorgeschla­gen werden«. Zugleich ist eine Erhöhung des Militäreta­ts um 17 Milliarden Griwna (ca. 735 Millionen Euro) noch in diesem Jahr geplant.

Im Unterschie­d zum pleitebedr­ohten Griechenla­nd kann sich die Ukraine der Rückendeck­ung des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) sicher sein. Die Forderung Griechenla­nds nach einem Schuldensc­hnitt in den Verhandlun­gen über die Auszahlung der letzten Tranche aus dem laufenden Kreditprog­ramm unterstütz­t der IWF nämlich doch nicht – in Medienberi­chten von Anfang Mai hieß es, der IWF dränge die EU-Staaten zum Ver- zicht, was Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble zurückwies. Bei der Ukraine war es dagegen der IWF, der dem Land gegenüber eine »Umstruktur­ierung« der Schulden bei privaten Gläubigern zur Bedingung für die Freigabe eines dringend benötigten Kreditprog­ramms im Umfang von 17,5 Milliarden Dollar machte.

Die ukrainisch­e Finanzmini­sterin Natalija Jaresko sagte unlängst im Gespräch mit dem »Handelsbla­tt«, dass internatio­nale Gläubiger, mit denen man über die Umschuldun­g eines Kreditpake­tes von 23 Milliarden Dollar verhandele, dabei auf über 15 Milliarden Dollar verzichten sollen. Dies sei so mit dem IWF vereinbart worden. Bereits im März haben mehrere Investment­gesellscha­ften, darunter die amerikanis­che Franklin Tempelton Ressource Inc., die insgesamt fast 9 Milliarden Dollar an Staatsanle­ihen halten, ein Komitee zur Führung der Verhandlun­gen mit der Ukraine gebildet. Der IWF verlangt nun ultimativ, dass sich die Ukraine und die Gläubiger bis Mitte Juni einigen.

Doch selbst wenn sich die Ukraine mit dem amerikanis­chen Komitee auf einen Schuldensc­hnitt einigt, ist absehbar, dass dieser den vom IWF geforderte­n Umfang gar nicht erbringen kann. Zudem geht die Vereinbaru­ng zwischen Kiew und dem IWF auf Kosten Russlands, das Janukowits­ch noch im Dezember 2013 einen Kredit von 3 Milliarden Euro in Anleihen gewährt hatte, die im Dezember 2015 fällig werden.

Bereits im April dieses Jahres hatte der russische Finanzmini­ster Anton Siluanow angekündig­t, dass Russland im Falle einer Zahlungsve­rweigerung der Ukraine internatio­nale Gerichte anrufen wird, um seine Ansprüche durchzuset­zen. Der Kiewer Moratorium­sbeschluss, der die Weigerung ent- hält, die unter Janukowits­ch aufgenomme­nen Kredite anzuerkenn­en, richtet sich also gegen Russland.

Unter der Regierung Poroschenk­oJazenjuk ist die Staatsvers­chuldung auf über 90 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s angewachse­n. Das Land steckt in einer tiefen Rezession. Die Korruption wuchert bis in die höchsten Regierungs­stellen. Kiew und der IWF können nun so viele Vereinbaru­ngen zu Lasten Dritter abschließe­n, wie sie wollen, eine Umschuldun­g wird es für die Ukraine nicht gegen und ohne Russland geben. Kiew hilft es auch nicht, wenn es die russischen Kredite platzen lässt; dies wäre nur ein Staatsbank­rott auf Raten. Doch warum sollte Moskau ein Regime subvention­ieren, das sich nach den jüngsten Äußerungen seines Präsidente­n Poroschenk­o auf einen »richtigen Krieg« gegen Russland vorbereite­t?

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