Ukraine plant Staatsbankrott auf Raten
Das Parlament in Kiew hat kurz vor Beginn des Gipfels zur Östlichen Partnerschaft ein einseitiges Schuldenmoratorium beschlossen
Die Ukraine ist nicht nur wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten des Landes Thema beim Treffen zur Östlichen Partnerschaft. Auch die finanzielle Lage gibt Anlass zu Diskussionen.
Mitten in den Umschuldungsverhandlungen mit ausländischen Kreditgebern hat das ukrainische Parlament am Dienstag ein Schuldenmoratorium beschlossen. Die Regierung ist nunmehr ermächtigt, Zahlungen an die Gläubiger jederzeit einzustellen.
»Im Falle eines Angriffs unredlicher Kreditgeber soll das Moratorium das Staatsvermögen und den öffentlichen Sektor schützen«, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der ukrainischen Regierung. Man habe das »Recht, öffentliche Mittel für die Bedürfnisse der Bürger einzusetzen an- statt für die Rückzahlung von Schulden, die das kleptokratische Janukowitsch-Regime angehäuft hat«. Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk betonte während der Parlamentsdebatte, dass die Ukraine ihre Schulden bezahlen will, allerdings nur »unter Bedingungen, die von der Regierung vorgeschlagen werden«. Zugleich ist eine Erhöhung des Militäretats um 17 Milliarden Griwna (ca. 735 Millionen Euro) noch in diesem Jahr geplant.
Im Unterschied zum pleitebedrohten Griechenland kann sich die Ukraine der Rückendeckung des Internationalen Währungsfonds (IWF) sicher sein. Die Forderung Griechenlands nach einem Schuldenschnitt in den Verhandlungen über die Auszahlung der letzten Tranche aus dem laufenden Kreditprogramm unterstützt der IWF nämlich doch nicht – in Medienberichten von Anfang Mai hieß es, der IWF dränge die EU-Staaten zum Ver- zicht, was Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zurückwies. Bei der Ukraine war es dagegen der IWF, der dem Land gegenüber eine »Umstrukturierung« der Schulden bei privaten Gläubigern zur Bedingung für die Freigabe eines dringend benötigten Kreditprogramms im Umfang von 17,5 Milliarden Dollar machte.
Die ukrainische Finanzministerin Natalija Jaresko sagte unlängst im Gespräch mit dem »Handelsblatt«, dass internationale Gläubiger, mit denen man über die Umschuldung eines Kreditpaketes von 23 Milliarden Dollar verhandele, dabei auf über 15 Milliarden Dollar verzichten sollen. Dies sei so mit dem IWF vereinbart worden. Bereits im März haben mehrere Investmentgesellschaften, darunter die amerikanische Franklin Tempelton Ressource Inc., die insgesamt fast 9 Milliarden Dollar an Staatsanleihen halten, ein Komitee zur Führung der Verhandlungen mit der Ukraine gebildet. Der IWF verlangt nun ultimativ, dass sich die Ukraine und die Gläubiger bis Mitte Juni einigen.
Doch selbst wenn sich die Ukraine mit dem amerikanischen Komitee auf einen Schuldenschnitt einigt, ist absehbar, dass dieser den vom IWF geforderten Umfang gar nicht erbringen kann. Zudem geht die Vereinbarung zwischen Kiew und dem IWF auf Kosten Russlands, das Janukowitsch noch im Dezember 2013 einen Kredit von 3 Milliarden Euro in Anleihen gewährt hatte, die im Dezember 2015 fällig werden.
Bereits im April dieses Jahres hatte der russische Finanzminister Anton Siluanow angekündigt, dass Russland im Falle einer Zahlungsverweigerung der Ukraine internationale Gerichte anrufen wird, um seine Ansprüche durchzusetzen. Der Kiewer Moratoriumsbeschluss, der die Weigerung ent- hält, die unter Janukowitsch aufgenommenen Kredite anzuerkennen, richtet sich also gegen Russland.
Unter der Regierung PoroschenkoJazenjuk ist die Staatsverschuldung auf über 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen. Das Land steckt in einer tiefen Rezession. Die Korruption wuchert bis in die höchsten Regierungsstellen. Kiew und der IWF können nun so viele Vereinbarungen zu Lasten Dritter abschließen, wie sie wollen, eine Umschuldung wird es für die Ukraine nicht gegen und ohne Russland geben. Kiew hilft es auch nicht, wenn es die russischen Kredite platzen lässt; dies wäre nur ein Staatsbankrott auf Raten. Doch warum sollte Moskau ein Regime subventionieren, das sich nach den jüngsten Äußerungen seines Präsidenten Poroschenko auf einen »richtigen Krieg« gegen Russland vorbereitet?