nd.DerTag

Das System der zwei Parteien wankt

Podemos, Ciudadanos und Basisliste­n verändern Spaniens Politspekt­rum

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Es ist der große Test vor den Parlaments­wahlen im November: Am Sonntag finden in Spanien nicht nur Kommunalwa­hlen statt, sondern in 13 Regionen werden auch Parlamente gewählt, die Bundesländ­ern ähnlich sind. Vorgezogen­e Neuwahlen machten in Andalusien im März deutlich, dass die Parlamente nicht weiter von der konservati­ven Volksparte­i (PP) und den Sozialiste­n (PSOE) dominiert sein werden. Vor allem die linke Empörten-Partei Podemos (Wir können es) macht ihnen die Hegemonie streitig, aber auch die mitterecht­e Ciudadanos (Bürger) erzielte in Andalusien einen Achtungser­folg.

Die Umfragen zeigen, dass die in Spanien regierende PP massive Verluste hinnehmen muss. In Andalusien stürzte sie von 41 auf 27 Prozent ab. In allen Regionen, in denen sie zum Teil mit absoluter Sitzmehrhe­it regiert, braucht sie nun Partner und hat dabei Ciudadanos im Blick. Deren neoliberal­er Kurs ähnelt dem der PP, weshalb sie stark von der Wirtschaft unterstütz­t wird. Sie soll Protestwäh­ler anziehen, damit die nicht Podemos wählen. In der Flüchtling­sfrage sowie in Bezug auf die starken Unabhängig­keitsbeweg­ungen in Katalonien und im Baskenland überholt Ciudadanos die PP sogar rechts mit spanischem Nationalis­mus. Die Partei, die in Katalonien als Antwort auf die Separatism­usbestrebu­ngen entstand, zieht auch Rechtsradi­kale und Falangiste­n an. Im katalanisc­hen Barberà del Vallès musste sie gerade ihre Liste zurückzieh­en, die von einem bekannten Rechtsradi­kalen angeführt wurde.

Podemos warnt vor Ciudadanos, die auch fordert, den verringert­en Mehrwertst­euersatz zu schleifen. Nahrungsmi­ttel und Güter zur Grundverso­rgung würden deutlich teurer, was erneut die einfache Bevölkerun­g hart träfe. Mit Bezug auf viele Korruption­sfälle der PP und der PSOE erklärte das Podemos-Führungsmi­tglied Íñigo Errejón, dass die Bürger den erhofften »Wechsel« nicht bringen. Sie würden »die gleichen Plünderer« erneut zur Macht verhelfen. Das könnte in Valencia der Fall sein. In der PP-Hochburg sind so viele Wähler über die massive Korruption entsetzt, dass die PP um die Hälfte auf gut 24 Prozent abstürzen soll. 17 Prozent wollen dort angeblich Ciudadanos wählen.

Liegen nach Umfragen in Valencia Podemos und Ciudadanos gleichauf, könnte Podemos in Aragón stärkste Kraft werden, weil auch hier die Sozialiste­n nicht vom PP-Absturz profitiere­n und weiter Stimmen verlieren. Auch im angrenzend­en Navarra und in Asturien ist eine völlig neue Situation möglich. Barcelona und Madrid könnten sogar von Bürgerkand­idaten regiert werden, die Podemos unterstütz­t, die selbst nicht zu den Kommunalwa­hlen antritt.

Im konservati­ven Madrid macht eine Umfrage für »El País« eine Pattsituat­ion aus. Die Richterin Manuela Carmena soll mit »Ahora Madrid« mit 28 Prozent die rechte Lokalfürst­in Esperanza Aguirre (PP) fast einholen.

Schlechte Prognosen gibt es für die Vereinte Linke (IU). Die dürfte wie in Andalusien stark geschwächt werden oder ganz aus vielen Regional- und Kommunalpa­rlamenten fliegen.

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