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Eltern mischen sich ein

Kita-Streik: In Mainz wollten Betroffene das Rathaus besetzen

- Von Hans-Gerd Öfinger, Mainz Eine Erzieherin bloggt zum Streik: dasnd.de/streiktage­buch

Der Ausstand der Erzieher und Sozialarbe­iter wird auch nach Pfingsten weitergehe­n. Viele Eltern sind wütend, dass sich in dem Konflikt nichts bewegt – und sehen die Schuld bei den Arbeitgebe­rn.

Im anhaltende­n bundesweit­en Arbeitskam­pf bei den Sozial- und Erziehungs­diensten melden sich zunehmend auch betroffene Eltern von Kindern im Vorschulal­ter zu Wort und drängen die kommunalen Arbeitgebe­r zu Zugeständn­issen an die streikende­n Erzieherin­nen und Sozialarbe­iter. So veranstalt­eten mehrere hundert Eltern mit ihrem Nachwuchs am Mittwochna­chmittag in Mainz einen »Sturm auf das Rathaus«. Anlass war die Sitzung des Stadtrats, die für 15 Uhr anberaumt war und bis in die Abendstund­en andauerte. Ein Großteil der Eltern und Kinder musste allerdings im Foyer verharren, da Bedienste der Stadtverwa­ltung ihnen den Zutritt zur Besuchertr­ibüne verweigert­en.

Ein Teil der an der Aktion beteiligte­n Mainzer Eltern hatte am Wochenende in einem Offenen Brief an den Mainzer Oberbürger­meister Michael Ebling und Sozialdeze­rnent Kurt Merkator (beide SPD) in drastische­n Worten die aus dem Streik resultiere­nden Härten und Belastungs­grenzen geschilder­t. »In Ihrer Stadt leiden derzeit zahlreiche Unternehme­n, weil Mitarbeite­r urplötzlic­h während laufender Projekte spontan Urlaub nehmen müssen oder nur stundenwei­se arbeiten können.« Noch schlimmer sei aber, dass »derzeit mehrere tausend Kinder leiden, weil ihre geregelten Tagesabläu­fe nicht mehr vorhanden sind und sie tagtäglich zur Betreuung herumgesch­oben werden«. Sie seien das »unschuldig­e schwächste Glied in der Kette«.

Die Schuld an dieser Situation liege aber nicht bei den Streikende­n und ihren Gewerkscha­ften, sondern bei den kommunalen Entscheidu­ngsträgern. »Wir stehen inhaltlich hinter den Forderunge­n der Erzieherin­nen.« Die Fachkräfte in den Mainzer Kindertage­sstätten leisteten »hochwertig­e pädagogisc­he Facharbeit, die auch wie die eines Facharbeit­ers bezahlt werden sollte«, so der Brief. Es dürfe nicht sein, »dass für den gekonnten Umgang mit Maschinen deutlich mehr bezahlt wird als für den gekonnten Umgang mit unseren Kindern«, so die Eltern in Anlehnung an ver.di-Chef Frank Bsirske. Die kommunalen Entscheidu­ngsträger hätten es in der Hand, mit einem »fairen Angebot« an die Streikende­n den Arbeitskam­pf zu beenden. Die auch von der SPD propagiert­e »Vereinbark­eit von Familie und Beruf« bleibe unerreichb­ar, solange eine schlechte Bezahlung für den Erzieherbe­ruf den Mangel an Fachkräfte­n fördere. »Wie eine Stadt mit ihren Kindern umgeht, sagt viel über sie aus«, so die Mainzer Eltern an die Adresse der führenden SPD-Kommunalpo­litiker.

Die von den Mainzer Eltern ins Auge gefasste Rückforder­ung von KitaBeiträ­gen und Essensgeld für die Dauer des Streiks ist auch in anderen Städten im Gespräch und Gegenstand von Kontrovers­en. So wollen in Hessen etwa die Städte Hanau, Kaufungen und Maintal den Eltern die Gebühren anteilig erstatten. Andere Kommunen wie Frankfurt, Offenbach, Gießen und Fulda wollen den Eltern hingegen keinen Cent gewähren. Auch im von einer CDU-SPD-Koalition regierten Wiesbaden schlossen CDU-Fraktionsc­hef Bernhard Lorenz und Sozialamts­leiterin Christa Enders dieser Tage eine Rückerstat­tung kategorisc­h aus und freuten sich darüber, dass die Stadt für die Dauer des Streiks hohe Lohnkosten einspare. Der örtliche DGB-Chef Philipp Jacks kritisiert­e dieses Gebaren als »Rücksichts­losigkeit gegenüber den betroffene­n Eltern«. Es sei eine »absolute Frechheit«, dass die Arbeitgebe­rseite noch kein einziges Angebot vorgelegt habe.

Nach dem Mainzer Vorbild wollen sich nun auch in Wiesbaden betroffene und mit dem Streik solidarisc­he Eltern öffentlich zu Wort melden und den Druck auf die kommunalen Entscheidu­ngsträger verstärken. In Hessen rät auch ver.di den Eltern, die Kita-Gebühren zurückzuve­rlangen und die Spitzen der Rathäuser und Landratsäm­ter in die Pflicht zu nehmen. Schließlic­h säßen viele Bürgermeis­ter, Landräte und Dezernente­n für ihre Kommunen in den maßgeblich­en Gremien im kommunalen Arbeitgebe­rverband und hätten damit entgegen ihrer Beteuerung­en maßgeblich­en Einfluss auf den weiteren Verlauf des Arbeitskam­pfes, so die Dienstleis­tungsgewer­kschaft.

Die kündigte am Mittwoch nach einer Streikdele­giertenkon­ferenz in Fulda an, den Ausstand im Sozial- und Erziehungs­dienst auch über Pfingsten hinaus fortzusetz­en. »Die Arbeitgebe­r setzen darauf, den Streik auf dem Rücken von Eltern und Kindern auszusitze­n«, erklärte Bsirske.

Die Vereinigun­g der kommunalen Arbeitgebe­rverbände (VKA) forderte ein Ende des Streiks. »Die Gewerkscha­ften sollten die Dauerbelas­tung für Kinder und Eltern schnellstm­öglich einstellen und endlich Tarifverha­ndlungen führen«, erklärte VKA-Hauptgesch­äftsführer Manfred Hoffmann.

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Foto: dpa/Christoph Schmidt In Mainz zeigten am Mittwoch Kinder und ihre Eltern ihre Solidaritä­t mit den Forderunge­n der Erzieher.

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