Eltern mischen sich ein
Kita-Streik: In Mainz wollten Betroffene das Rathaus besetzen
Der Ausstand der Erzieher und Sozialarbeiter wird auch nach Pfingsten weitergehen. Viele Eltern sind wütend, dass sich in dem Konflikt nichts bewegt – und sehen die Schuld bei den Arbeitgebern.
Im anhaltenden bundesweiten Arbeitskampf bei den Sozial- und Erziehungsdiensten melden sich zunehmend auch betroffene Eltern von Kindern im Vorschulalter zu Wort und drängen die kommunalen Arbeitgeber zu Zugeständnissen an die streikenden Erzieherinnen und Sozialarbeiter. So veranstalteten mehrere hundert Eltern mit ihrem Nachwuchs am Mittwochnachmittag in Mainz einen »Sturm auf das Rathaus«. Anlass war die Sitzung des Stadtrats, die für 15 Uhr anberaumt war und bis in die Abendstunden andauerte. Ein Großteil der Eltern und Kinder musste allerdings im Foyer verharren, da Bedienste der Stadtverwaltung ihnen den Zutritt zur Besuchertribüne verweigerten.
Ein Teil der an der Aktion beteiligten Mainzer Eltern hatte am Wochenende in einem Offenen Brief an den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling und Sozialdezernent Kurt Merkator (beide SPD) in drastischen Worten die aus dem Streik resultierenden Härten und Belastungsgrenzen geschildert. »In Ihrer Stadt leiden derzeit zahlreiche Unternehmen, weil Mitarbeiter urplötzlich während laufender Projekte spontan Urlaub nehmen müssen oder nur stundenweise arbeiten können.« Noch schlimmer sei aber, dass »derzeit mehrere tausend Kinder leiden, weil ihre geregelten Tagesabläufe nicht mehr vorhanden sind und sie tagtäglich zur Betreuung herumgeschoben werden«. Sie seien das »unschuldige schwächste Glied in der Kette«.
Die Schuld an dieser Situation liege aber nicht bei den Streikenden und ihren Gewerkschaften, sondern bei den kommunalen Entscheidungsträgern. »Wir stehen inhaltlich hinter den Forderungen der Erzieherinnen.« Die Fachkräfte in den Mainzer Kindertagesstätten leisteten »hochwertige pädagogische Facharbeit, die auch wie die eines Facharbeiters bezahlt werden sollte«, so der Brief. Es dürfe nicht sein, »dass für den gekonnten Umgang mit Maschinen deutlich mehr bezahlt wird als für den gekonnten Umgang mit unseren Kindern«, so die Eltern in Anlehnung an ver.di-Chef Frank Bsirske. Die kommunalen Entscheidungsträger hätten es in der Hand, mit einem »fairen Angebot« an die Streikenden den Arbeitskampf zu beenden. Die auch von der SPD propagierte »Vereinbarkeit von Familie und Beruf« bleibe unerreichbar, solange eine schlechte Bezahlung für den Erzieherberuf den Mangel an Fachkräften fördere. »Wie eine Stadt mit ihren Kindern umgeht, sagt viel über sie aus«, so die Mainzer Eltern an die Adresse der führenden SPD-Kommunalpolitiker.
Die von den Mainzer Eltern ins Auge gefasste Rückforderung von KitaBeiträgen und Essensgeld für die Dauer des Streiks ist auch in anderen Städten im Gespräch und Gegenstand von Kontroversen. So wollen in Hessen etwa die Städte Hanau, Kaufungen und Maintal den Eltern die Gebühren anteilig erstatten. Andere Kommunen wie Frankfurt, Offenbach, Gießen und Fulda wollen den Eltern hingegen keinen Cent gewähren. Auch im von einer CDU-SPD-Koalition regierten Wiesbaden schlossen CDU-Fraktionschef Bernhard Lorenz und Sozialamtsleiterin Christa Enders dieser Tage eine Rückerstattung kategorisch aus und freuten sich darüber, dass die Stadt für die Dauer des Streiks hohe Lohnkosten einspare. Der örtliche DGB-Chef Philipp Jacks kritisierte dieses Gebaren als »Rücksichtslosigkeit gegenüber den betroffenen Eltern«. Es sei eine »absolute Frechheit«, dass die Arbeitgeberseite noch kein einziges Angebot vorgelegt habe.
Nach dem Mainzer Vorbild wollen sich nun auch in Wiesbaden betroffene und mit dem Streik solidarische Eltern öffentlich zu Wort melden und den Druck auf die kommunalen Entscheidungsträger verstärken. In Hessen rät auch ver.di den Eltern, die Kita-Gebühren zurückzuverlangen und die Spitzen der Rathäuser und Landratsämter in die Pflicht zu nehmen. Schließlich säßen viele Bürgermeister, Landräte und Dezernenten für ihre Kommunen in den maßgeblichen Gremien im kommunalen Arbeitgeberverband und hätten damit entgegen ihrer Beteuerungen maßgeblichen Einfluss auf den weiteren Verlauf des Arbeitskampfes, so die Dienstleistungsgewerkschaft.
Die kündigte am Mittwoch nach einer Streikdelegiertenkonferenz in Fulda an, den Ausstand im Sozial- und Erziehungsdienst auch über Pfingsten hinaus fortzusetzen. »Die Arbeitgeber setzen darauf, den Streik auf dem Rücken von Eltern und Kindern auszusitzen«, erklärte Bsirske.
Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) forderte ein Ende des Streiks. »Die Gewerkschaften sollten die Dauerbelastung für Kinder und Eltern schnellstmöglich einstellen und endlich Tarifverhandlungen führen«, erklärte VKA-Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann.