nd.DerTag

Die schwierige Frage mit dem Sofa

Blockupy fragt, wie man eine Massenbewe­gung werden kann

- Von Simon Poelchau

Nach Blockupy ist vor Blockupy. Doch was kann dieses Krisenbünd­nis besser machen, fragen die Aktivisten.

Rund zwei Monate ist es her, da spuckte Blockupy der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) in die Suppe. Mitten in dem Drama zwischen der neuen SYRIZA-geführten Regierung in Athen und den »grauen« Institutio­nen, deren Teil die EZB neben EUKommissi­on und Internatio­nalem Währungsfo­nds ist, wollte die Zentralban­k in Frankfurt am Main ihr neues Gebäude einweihen. Doch aus der Inszenieru­ng wurde nicht viel. Stattdesse­n wurde der Tag zu einem Tag des Widerstand­es gegen das autoritäre und neoliberal­e europäisch­e Krisenregi­me.

Brennende Barrikaden am Vormittag, eine 25 000 Menschen große, friedliche Demonstrat­ion am Nachmittag und irgendwo dazwischen der angekündig­te zivile Ungehorsam – Blockupy wurde trotz oder vielleicht auch wegen der Randale zum medialen Erfolg für das Bündnis. Fragt man die Aktivisten selbst, so war das Wesentlich­e jedoch, dass es das einzige transnatio­nale Event seit langem war. Nicht nur aus Hamburg, Berlin und München kamen die Aktivisten nach Frankfurt, sondern auch aus Madrid, Rom, Stockholm und Thessaloni­ki. Man denkt nicht mehr nur im bundesweit­en Rahmen, man ist jetzt zumindest europaweit vernetzt.

Doch 25 000 Menschen sind noch keine Massenbewe­gung. Wie wird man mehr? Diese Frage stellten die Krisenakti­visten am Dienstagab­end. Sie luden in die schicken Räumlichke­iten der Sophiensäl­e in Berlin-Mitte. Denn Solidaritä­t mit der griechisch­e Bevölkerun­g und Widerstand gegen die deutsche Europoliti­k zu mobilisier­en, ist eine Sisyphus-Arbeit. Man kann soviel organisier­en, wie man will, man kann, so oft wie man will, die richtigen Argumente vortragen, am Ende bleibt die einhellige veröffentl­ichte Meinung doch dieselbe: dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel ihren Job eigentlich ganz gut mache.

Was soll Blockupy nun anders machen? Soll es noch profession­ellere Pressearbe­it betreiben, wie es nd-Chefredakt­eur Tom Strohschne­ider und Tagesspieg­el-Redakteur Harald Schumann vorschluge­n? Für die Aktivistin Tine Steiniger ist dies ein zweischnei­diges Schwert. Klar, man spiele mit den Medien, wolle im Fernsehen und in den Zeitungen zu sehen und zu lesen sein. Doch noch mehr interessie­rt sie die unveröffen­tlichte Meinung der schweigend­en Bevölkerun­g, von der 20 Prozent meinen, man brauche eine Revolution, und 70 Prozent der Politik Merkels und Schäubles zustimmen.

Wie also diese noch passiven Menschen, die sich ihrem Ärger bisher nur im digitalen Stammtisch Facebook Luft verschafft, vom Sofa auf die Straße bewegen? Denn Blockupy will weitermach­en. Als erster Termin steht der 20. Juni in Berlin. Am Weltflücht­lingstag und Beginn einer Griechenla­nd-Solidaritä­tswoche will Blockupy ein Zeichen für ein anderes Europa setzen. »Dieses Europa agiert nicht in unserem Namen«, heißt es im Aufruf, den auch Künstler und Medienscha­ffende wie Spiegel-Erbe Jakob Augstein unterschri­eben haben. Das Verspreche­n von einem solidarisc­hen Europa der Demokratie und der Menschenre­chte müsse endlich erfüllt werden.

Vielleicht liegt Blockupys Schwäche auch in seiner Stärke. Als europaweit­er Krisenprot­est hat die Bewegung es bisher noch nicht geschafft, die sozialen Kämpfe im Alltag hierzuland­e sichtbar zu machen. Denn die gebe es, wie Tom Strohschne­ider meint. So könne man die Streiks der GDL-Lokführer und der Erzieherin­nen und Erzieher insofern als die größten Griechenla­nd-SoliAktion­en bezeichnen, die es bisher in Deutschlan­d gibt. Doch diese Keime der Hoffnung gehen bisher meist in dem gegenwärti­gen Medienbetr­ieb unter, der spätestens alle 48 Stunden einen neuen Aufreger braucht. Die größte Aufgabe von Blockupy wäre wohl, diese Alltagskäm­pfe zu verbinden und zusammen mit den Kämpfen in den Krisenländ­ern einen gemeinsame­n Ausdruck zu geben.

Eine Aufgabe übrigens, der sich die Aktivisten von Blockupy in der Vergangenh­eit mitunter schon gestellt haben. Am Frankfurte­r Flughafen etwa protestier­te man Mitte 2013 gegen die deutsche Abschiebep­raxis und im darauffolg­enden Winter unterstütz­te man in Berlin den Einzelhand­elsstreik. Vielleicht liegt Blockupy bei dem, was man macht, also nicht ganz falsch, sondern vielleicht sogar genau richtig.

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Foto: dpa/Arne Dedert Frankfurte­r Rauchzeich­en, die vom Sofa locken?

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