Die schwierige Frage mit dem Sofa
Blockupy fragt, wie man eine Massenbewegung werden kann
Nach Blockupy ist vor Blockupy. Doch was kann dieses Krisenbündnis besser machen, fragen die Aktivisten.
Rund zwei Monate ist es her, da spuckte Blockupy der Europäischen Zentralbank (EZB) in die Suppe. Mitten in dem Drama zwischen der neuen SYRIZA-geführten Regierung in Athen und den »grauen« Institutionen, deren Teil die EZB neben EUKommission und Internationalem Währungsfonds ist, wollte die Zentralbank in Frankfurt am Main ihr neues Gebäude einweihen. Doch aus der Inszenierung wurde nicht viel. Stattdessen wurde der Tag zu einem Tag des Widerstandes gegen das autoritäre und neoliberale europäische Krisenregime.
Brennende Barrikaden am Vormittag, eine 25 000 Menschen große, friedliche Demonstration am Nachmittag und irgendwo dazwischen der angekündigte zivile Ungehorsam – Blockupy wurde trotz oder vielleicht auch wegen der Randale zum medialen Erfolg für das Bündnis. Fragt man die Aktivisten selbst, so war das Wesentliche jedoch, dass es das einzige transnationale Event seit langem war. Nicht nur aus Hamburg, Berlin und München kamen die Aktivisten nach Frankfurt, sondern auch aus Madrid, Rom, Stockholm und Thessaloniki. Man denkt nicht mehr nur im bundesweiten Rahmen, man ist jetzt zumindest europaweit vernetzt.
Doch 25 000 Menschen sind noch keine Massenbewegung. Wie wird man mehr? Diese Frage stellten die Krisenaktivisten am Dienstagabend. Sie luden in die schicken Räumlichkeiten der Sophiensäle in Berlin-Mitte. Denn Solidarität mit der griechische Bevölkerung und Widerstand gegen die deutsche Europolitik zu mobilisieren, ist eine Sisyphus-Arbeit. Man kann soviel organisieren, wie man will, man kann, so oft wie man will, die richtigen Argumente vortragen, am Ende bleibt die einhellige veröffentlichte Meinung doch dieselbe: dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Job eigentlich ganz gut mache.
Was soll Blockupy nun anders machen? Soll es noch professionellere Pressearbeit betreiben, wie es nd-Chefredakteur Tom Strohschneider und Tagesspiegel-Redakteur Harald Schumann vorschlugen? Für die Aktivistin Tine Steiniger ist dies ein zweischneidiges Schwert. Klar, man spiele mit den Medien, wolle im Fernsehen und in den Zeitungen zu sehen und zu lesen sein. Doch noch mehr interessiert sie die unveröffentlichte Meinung der schweigenden Bevölkerung, von der 20 Prozent meinen, man brauche eine Revolution, und 70 Prozent der Politik Merkels und Schäubles zustimmen.
Wie also diese noch passiven Menschen, die sich ihrem Ärger bisher nur im digitalen Stammtisch Facebook Luft verschafft, vom Sofa auf die Straße bewegen? Denn Blockupy will weitermachen. Als erster Termin steht der 20. Juni in Berlin. Am Weltflüchtlingstag und Beginn einer Griechenland-Solidaritätswoche will Blockupy ein Zeichen für ein anderes Europa setzen. »Dieses Europa agiert nicht in unserem Namen«, heißt es im Aufruf, den auch Künstler und Medienschaffende wie Spiegel-Erbe Jakob Augstein unterschrieben haben. Das Versprechen von einem solidarischen Europa der Demokratie und der Menschenrechte müsse endlich erfüllt werden.
Vielleicht liegt Blockupys Schwäche auch in seiner Stärke. Als europaweiter Krisenprotest hat die Bewegung es bisher noch nicht geschafft, die sozialen Kämpfe im Alltag hierzulande sichtbar zu machen. Denn die gebe es, wie Tom Strohschneider meint. So könne man die Streiks der GDL-Lokführer und der Erzieherinnen und Erzieher insofern als die größten Griechenland-SoliAktionen bezeichnen, die es bisher in Deutschland gibt. Doch diese Keime der Hoffnung gehen bisher meist in dem gegenwärtigen Medienbetrieb unter, der spätestens alle 48 Stunden einen neuen Aufreger braucht. Die größte Aufgabe von Blockupy wäre wohl, diese Alltagskämpfe zu verbinden und zusammen mit den Kämpfen in den Krisenländern einen gemeinsamen Ausdruck zu geben.
Eine Aufgabe übrigens, der sich die Aktivisten von Blockupy in der Vergangenheit mitunter schon gestellt haben. Am Frankfurter Flughafen etwa protestierte man Mitte 2013 gegen die deutsche Abschiebepraxis und im darauffolgenden Winter unterstützte man in Berlin den Einzelhandelsstreik. Vielleicht liegt Blockupy bei dem, was man macht, also nicht ganz falsch, sondern vielleicht sogar genau richtig.