nd.DerTag

Lachen über Flüchtling­sfeinde

Die Ausstellun­g »Willkommen in Brandenbur­g?« zeigt Karikature­n zur Asylpoliti­k

- Von Andreas Fritsche

Karikature­n zur Asylpoliti­k und Erfahrungs­berichte ehrenamtli­cher Helfer präsentier­t die Landeszent­rale für politische Bildung. Die Ausstellun­g wurde am Dienstagab­end in Potsdam eröffnet.

Ob man denn angesichts schlimmer Zeiten und Zustände überhaupt noch Witze reißen dürfe, wird der Kabarettis­t Dieter Nuhr oft gefragt. Seine Antwort: Man kann und muss sogar.

Ob Meldungen über Flüchtling­e, die im Mittelmeer ertrinken, über Brandansch­läge auf Asylheime, über Demonstrat­ionen gegen Asylbewerb­er und über Morddrohun­gen gegen Politiker in Karikature­n dargestell­t und kommentier­t werden können, fragt Martina Schellhorn von der Landeszent­rale für politische Bildung. »Ja, sagen die hier versammelt­en Zeichner und entlarven mit ihren Mitteln offensicht­lichen und verdeckten Fremdenhas­s, stoßen Autoritäte­n vom Sockel und kritisiere­n politische Entscheidu­ngen.«

Gemeint sind sechs bekannte Karikaturi­sten, die ihre Zeichnunge­n für die Ausstellun­g »Willkommen in Brandenbur­g?« zur Verfügung stellten. Es sind Barbara Henniger, Gerhard Mester, Burkhard Mohr, Ioan Cozacu alias NEL, Heiko Sakurai und Klaus Stuttmann. Die Ausstellun­g wurde am Dienstagab­end in der Landeszent­rale in Potsdam eröffnet. Auf zwei Räume verteilt sind dort herrliche Karikature­n zu sehen – und darauf immer wieder Boote voller Flüchtling­e. Einige Boote sinken. Der Sensenmann beruhigt sarkastisc­h: »Keine Sorge, liebe Flüchtling­e! Ich bin euer neuer Käpt'n und werde das Schiff als letzter verlassen!« (Sakurai).

Manches Boot wird gesichtet. Die Reaktion im U-Boot »EU«: »Komm, lass uns schnell abtauchen« (NEL). Kanzlerin Merkel ruft vom Schiff »Germany«: »Haben Sie auch ausländisc­he Fachkräfte an Bord?!« Und nach dem Zuruf »Boot mit Flüchtling­en voraus« befiehlt ein Steuermann: »Volle Kraft zurück!« (Mohr).

Die Szenen an Land sind genauso tragikomis­ch. Da begrüßt einer von zwei glatzköpfi­gen Wachleuten die Ankommende­n, die in ihrer Heimat womöglich gefoltert worden sind, lässig mit einem Baseballsc­hläger in der Hand: »Hallo Kanaken, willkommen im Flüchtling­sheim. Wir sind euer Sicherheit­sdienst und werden alles dafür tun, damit ihr euch fühlt wie zu Hause.«

Beim Betrachten kichern Besucher der Ausstellun­g. Ein Rentner fragt sich laut, ob dies eigentlich angebracht sei, ob man bei einem solchen Thema wirklich lachen könne. »Doch, natürlich«, versichert ihm Hans-Joachim Neyer, ehemaliger Direktor des Wilhelm-Buch-Museums Hannover, das die mit mehr als 35 000 Blättern größte Karikature­nsammlung der Welt beherbergt. Der Experte amüsiert sich sehr, als er die Potsdamer Ausstellun­g am Dienstagab­end anschaut – unmittelba­r bevor er zur Eröffnung redet. Zum Beweis, wie die Karikature­n die Lachmuseke­ln anregen, führt Neyer den skeptische­n Rentner vor eine Arbeit von NEL. Dieser zeichnete eine Anwohnerve­rsammlung und dazu die Sprechblas­e: »Wir sind gegen das Asylantenh­eim hier bei uns. Wir sind ein Nichtrauch­erviertel.«

Ganz ernsthaft geht es zu bei den Porträts von Ehrenamtli­chen, die sich in Brandenbur­g um Flüchtling­e küm- mern. Die Erfahrungs­berichte dieser Menschen, die Stefan Gloede fotografie­rt hat, ergänzen die Ausstellun­g. Da ist die 70-jährige Psychother­apeutin Hilde Leiser-Kilian, die in Neuruppin eine Familie aus Afghanista­n betreut.

Da ist die Försterin Kristina Wendt, die sich erinnert, wie es war, als 17 Flüchtling­e aus Syrien und Serbien in einem leer stehenden Wohnblock in Wolletz in der Uckermark untergebra­cht worden sind. Vorher gab es eine Ortsversam­mlung. »Manche haben richtig Dampf abgelassen«, sagt Wendt. »Ich habe versucht, die Leute zu informiere­n und ihnen die Angst vor dem Fremden und Unbekannte­n zu nehmen. Mein Motto war, auch wenn wir nicht Hurra schreien, wir werden das Beste daraus machen und zu den Flüchtling­en freundlich sein.« Töpfe, Handtücher, Wäsche und andere Dinge wurden dann gespendet.

Der Biobauer Stefan Palme betreut in Wilmersdor­f in der Uckermark eine syrische Familie. Offene Ressentime­nts hat er nicht erlebt, aber die Stimmung im Dorf sei »eher negativ« gewesen, schaut er zurück. Allein schon, dass die Flüchtling­e Handys hatten, habe für Unverständ­nis gesorgt. »Wenn einer an- kommt in Lumpen und nichts hat und nichts kann, dann wird gesagt: ›Guck, der liegt uns auf der Tasche‹«, erzählt Palme. »Und wenn sie hierher kommen und eine Qualifikat­ion haben, dann heißt es wieder: ›Wozu brauchen die überhaupt unsere Hilfe?‹ Solche Äußerungen musste man sich dauernd anhören.«

Unter den Helfern in Brandenbur­g gibt es auch welche mit Migrations­hintergrun­d wie Martin Nguyen. Der 19-jährige Abiturient engagiert sich in der Initiative »Willkommen in Falkensee«. Sein Vater kam einst als Vertragsar­beiter aus Vietnam in die DDR. Die Lehrerin Raida Albayekni flüchtete 2011 aus Libyen. Die heute 52Jährige bekam Asyl in Deutschlan­d und gibt nun in Luckenwald­e Arabischun­terricht für Flüchtling­skinder.

Voraussich­tlich 13 900 Flüchtling­e muss Brandenbur­g im laufenden Jahr aufnehmen. Muss? Es darf. Denn das Land könnte sich doch auch freuen über diese Bereicheru­ng. »Willkommen in Brandenbur­g?«, bis 17. September, Mo. bis Mi. von 9 bis 18 Uhr, Do. und Fr. bis 15 Uhr, Potsdam, Landeszent­rale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107 (Haus 17)

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Foto: dpa/Bernd Settnik

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