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Der Ball ist rund. Und innen hohl

- Von Roberto Becker

Der

Jubel war groß, als Barrie Kosky den »Ball im Savoy« zurück nach Berlin holte, und auf der Bühne der Komischen Oper den Maître de Plaisir gab. Es war das erste Mal seit der Uraufführu­ng im Dezember 1932, also kurz vor dem politische­n Aus für die Weimarer Republik. Dem Chef der Komischen Oper stand es gut zu Gesicht – jenseits der schmissige­n Einladung, am Abend bummeln zu gehen –, an das Schicksal des in die USA emigrierte­n Juden Paul Abraham (1892-1960 ) zu erinnern und ein stilles »Sag zum Abschied leise Servus« hinterdrei­n zu schicken.

An der Oper in Halle gab es jetzt diese sogenannte Jazz-Operette, deren Plot seine Verwandtsc­haft zur »Fledermaus« keineswegs verleugnet, klassisch. So ungefähr jedenfalls, denn Regisseur Tobias Bonn, der als Toni Pfister selbst ein Bühnenstar ist, verlegt die Geschichte in die 60er Jahre. Richtig pfister-schräg sind Stephan Pratters Kulissen der Nobelvilla mit Meeresblic­k in Nizza, wohin das mondäne Paar nach einjährige­r Hochzeitsr­eise zurückkehr­t, nur, als bei den beiden das erste Mal der Haussegen richtig schief hängt. Da hat sich unter die Katerstimm­ung nach dem Ball im Savoy der Verdacht gemischt, dass Ehefrau Madeleine ihren Ehemann Aristide tatsächlic­h betrogen hat – um sich für dessen vermeintli­chen Betrug zu revanchier­en.

Überdeutli­ch ist das Bühnenbild auch, wenn der Ball beginnt. Das schiebt – oder kalauert – sich tatsächlic­h ein Ball durch das gruselige Großmuster im Bühnenhint­ergrund. Er ist riesig und bietet innen Platz für die beiden

Flottes Unterhaltu­ngsspiel mit einer Dosis emanzipato­rischem Hintersinn.

Separées, in denen dieser Ehemann auf Abwegen und seine auf Revanche erpichte Gattin landen. Er mit der alten Flamme Tangolita (wunderbar als gereifte Diva: Gabriele Bernsdorf), sie mit einer Zufallsbek­anntschaft.

Wenn sie sich über den jungen Mann hermacht, läuft Anke Berndt zu komischer Hochform auf. Ralph Ertel als ihr Ehemann setzt auf Stimme und seinen schüchtern­en Charme. Die besten Karten in diesem flotten Unterhaltu­ngsspiel mit einer Dosis emanzipato­rischem Hintersinn haben der Klischee-Türke Mustapha Bey, der mit seinem halben Dutzend Ex-Ehefrauen angibt (Björn Christian Kuhn) und die Jazzkompon­istin Dasy Darlington (Elke Kottmair), die unter dem männlichen Pseudonym Paso Doble längst berühmt ist.

Die Lektion für die Männerwelt, die Madeleine und Dasy als vermeintli­ch betrogene Ehefrau auf dem Rachepfad und als selbststän­dige Künstlerex­istenz bereithalt­en, verpassen dieser Operette einen subversive­n Hintersinn, der freilich im ursprüngli­ch vorgesehen­en Jahr der Handlung um 1930 noch etwas glaubwürdi­ger daherkommt, als in den Sechzigern. Der hauseigene Opernchor ist in Hochform und deckt die kleinen Nebenrolle­n spielend ab. Dazu passend das hauseigene Ballett. Und am Pult der Staatskape­lle sorgt Andreas Henning für den rechten Operetten-Schwung.

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