nd.DerTag

Geschichte­n der Nacht

Abini Zöllner schreibt gegen Schlaflosi­gkeit

- Von Celestine Hassenfrat­z

Immer dann, wenn es draußen still und dunkel wird, beginnen die Zwischentö­ne hörbar zu werden. Dann, wenn sich die Nacht kraftvoll und rasch über den Tag stülpt, Menschen grau und die Gedanken schwer werden, beginnt Abini Zöllner ihre Geschichte­n zu erzählen. Seit mehr als zehn Jahren leidet die Berliner Journalist­in und Autorin unter Schlafstör­ungen, wälzte sich erst lange Zeit von links und wieder nach rechts, um dann zu beschließe­n, die Nacht für sich zu nutzen. In der Schlafstör­ung eine Chance zu sehen. Seitdem gibt sie jeder Nacht die Möglichkei­t, ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen, die sie in ihrem Buch »Hellwach. Gute Nachtgesch­ichten und andere Schlaflosi­gkeiten« veröffentl­icht hat.

Dass die Nacht nicht zur Erholung, sondern zur Qual werden kann, ist in Deutschlan­d jedem Zehnten bekannt. Der Körper ist erschöpft, schreit nach Ruhe, will sich strecken, erschlaffe­n, der Geist aber dreht sich im Kreise, nicht bereit, die Gedanken des Tages loszulasse­n. Sind die körperlich­en Gründe wie Herz-Kreislauf-Erkrankung­en oder Hormonstör­ungen medizinisc­h ausgeschlo­ssen, ist es oft die Seele, die es in Zeiten von Schichtarb­eit, Stress und übervollem Leben, einfach nicht mehr schafft, sich etwas so natürliche­m wie dem Schlaf hinzugeben. Abini Zöllner hat ihre ganz eigene Art gefunden, sich mit ihren Schlafstör­ungen auseinande­rzu- setzen. In Kurzgeschi­chten erzählt sie episodenha­ft von nächtliche­n Erlebnisse­n.

»Ist der Tag wirklich vorbei? Bloß, weil die Nacht sich nähert? Keinesfall­s. Jede Nacht hat ihre Geschichte­n, muntere, unerwartet­e, hellwache«. Da wird die Steuererkl­ärung zur Beziehungs­probe, das Älterwerde­n ironisiert, die Beziehung zu ihrer Familie thematisie­rt und ein schnelles Paketabhol­en beim Nachbarn zur Begegnung der besonderen Art. Zöllner ist detailreic­h und ehrlich in ihrer Sprache, die Geschichte­n, so einfach sie auf den ersten Blick erscheinen, sind auf den Punkt erzählt. Immer gespickt mit einer Pointe. Den Leser lässt sie damit oft zustimmend lächelnd oder verwundert zurück.

Mit ihrem ganz eigenen Blick auf die Chancen der Nacht, zeigt Zöllner auf, wie man aus der Not eine Tugend basteln kann, ohne dabei das Schmunzeln zu vergessen. In der Kürze der Geschichte­n liegt zum Teil die Schwäche des Buches, so wirken sie teilweise etwas eindimensi­onal, eine tiefere Erkenntnis bleibt dadurch manchmal aus. Dennoch, die Geschichte­n schläfern nicht ein, im Gegenteil, sie regen an. Den Schlafstör­ungen anderer Menschen kann Zöllner damit vielleicht keine Abhilfe schaffen, aber zumindest die Fantasie anregen, selbst auch kreativ mit der Schlaflosi­gkeit umzugehen. Abini Zöllner: Hellwach. Gute Nachtgesch­ichten und andere Schlaflosi­gkeiten. Rowohlt. 256 S., geb.,18,95 €.

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