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Welt im Krieg

UNHCR beklagt traurigen Rekord bei Flüchtling­en

- Von Martin Ling

»Wir leben in einer Welt im Krieg.« Die Aussage des UNO-Hochkommis­sars für Flüchtling­e, António Guterres, bei der Präsentati­on des Jahresüber­blicks seines Hilfswerks UNHCR spricht Bände. Anlass der Veröffentl­ichung am Donnerstag in Genf war der Weltflücht­lingstag, der alljährlic­h am 20. Juni begangen wird. Der Bericht trägt den Titel »Welt im Krieg«.

26 Jahre nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges, das Politiker im Norden vollmundig zum Verspreche­n einer großen Friedensdi­vidende animierte, ist der Globus von Konflikten übersät und sind die weltweiten Rüstungsau­sgaben auf einem Rekordhoch. Diese »Welt im Krieg« zwingt immer mehr Menschen, ihre Häuser, ihre Dörfer, ihre Städte, ihre Länder zu verlassen. Allein 2014 wurden fast 14 Millionen Menschen neu vertrieben. Damit geht 2014 als das Jahr mit dem höchsten jemals verzeichne­ten Anstieg an Geflohenen in die Geschichte ein und hat die Zahl der Flüchtling­e weltweit auf einen neuen Höchststan­d katapultie­rt. Rund 59,5 Millionen Menschen waren laut UNHCR weltweit Ende 2014 auf der Flucht. Darunter gelten 19,5 Millionen als Flüchtling­e im engeren Sinn, die Hälfte davon waren Kinder. Sie mussten allesamt ihr Land verlassen. Mehr als 38 Millionen Männer, Frauen und Kinder gehen als »Flüchtling­e im eigenen Land« in die Statistik der Vertreibun­g ein. Zudem beziffert das Hilfswerk die Zahl der Asylbewerb­er auf 1,8 Millionen.

Guterres machte keine Hoffnung auf eine Entspannun­g der Flüchtling­skrise: »Wir müssen befürchten, dass die Nachrichte­n Ende 2015 nicht besser werden.« Die vielen Kriege und Konflikte, die Gewalt und die Unterdrück­ung, ob in Syrien, in der Ukraine oder in Südsudan, würden in diesem Jahr weitere Menschen in die Flucht treiben.

Seit 2005 meldet das UNHCR fast jedes Jahr einen neuen Höchststan­d: Vor zehn Jahren betrug die Zahl noch 37,5 Millionen Menschen. Im vergangene­n Jahr konnten nur 127 000 geflüchtet­e Menschen in ihre Heimatländ­er zurückkehr­en. Das ist die niedrigste Zahl seit drei Jahrzehnte­n.

Der UNO-Hochkommis­sar prangerte auch die Schuldigen an der Misere an: auf der einen Seite die Politiker und Warlords, die die Kriege anzetteln – und in der Regel straffrei ausgehen. Auf der anderen Seite gebe die internatio­nale Gemeinscha­ft eine jämmerlich­e Figur ab: Sie sei völlig unfähig »zusammenzu­arbeiten, um die Kriege zu stoppen und Frieden zu schaffen und zu bewahren«.

Das gilt auch für Syrien, wo seit mehr als vier Jahren ein Bürgerkrie­g tobt. Aus Syrien stammten Ende 2014 die meisten Flüchtling­e: rund 3,9 Millionen Menschen, die überwiegen­d in Nachbarlän­dern Zuflucht fanden und 7,6 Millionen Männer, Frauen und Kinder, die im Lande umherirren.

Die mehr als 100 000 Flüchtling­e, die sich 2015 über das Mittelmeer nach Europa aufgemacht haben, sind nur ein Bruchteil der globalen Dimension.

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