Czaja entzieht Allert Asylheime
Flüchtlingsunterbringung wird umstrukturiert /Wirtschaftsprüfer zeigen Missstände auf
Der Bericht der Wirtschaftsprüfer lässt am Landesamt für Gesundheit und Soziales und seinem Präsidenten kein gutes Haar. Die Opposition fordert Konsequenzen aus der möglichen Misswirtschaft.
Das Urteil ist vernichtend. »Zu beanstanden ist durchgängig eine unsystematische, lückenhafte und deshalb intransparente Aktenführung, mit der Verwaltungsentscheidungen und deren Grundlagen nur äußerst eingeschränkt nachvollzogen werden können.« So steht es im Bericht der externen Wirtschaftsprüfer, die seit März dieses Jahres Verträge zur Flüchtlingsunterbringung zwischen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und Heimbetreibern in Berlin untersucht haben. Die Kanzlei »Roever Broenner Susat Mazars« war von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) eingesetzt worden, nachdem Vorwürfe gegen den Präsidenten des LAGeSo, Franz Allert, erhoben worden waren. Demnach soll er seinen Patensohn, der Geschäftsführer beim privaten Flüchtlingsheimbetreiber Gierso ist, bevorteilt haben. Auch die Verträge mit dem ehemaligen Gierso-Minderheitengesellschafter PeWoBe, der ebenfalls Asylheime in Berlin betreibt, standen im Fokus der Prüfung. Medien hatten immer wieder über Unstimmigkeiten bei den Abrechnungen im lukrativen Flüchtlingsgeschäft berichtet.
Nach der Veröffentlichung des 54seitigen Bericht der externen Wirtschaftsprüfer, in dem die schwerwiegenden Mängel in der Landesbehörde aufgezeigt werden, kündigte Sozialsenator Czaja am Donnerstag Konsequenzen an. »Ich habe mich entschlossen, Franz Allert und die darunterliegende Struktur von der Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung zu entbinden«, erklärte der Sozialsenator auf einer Pressekonferenz. Die Akquise und Vergabe von Flüchtlingsunterkünften soll künftig in ei- ner neuen Organisationseinheit des Flüchtlingsmanagements abgewickelt werden. Um die Kontrollen zu verstärken, bis das neue Referat funktioniert, werden zudem aus anderen Verwaltungen Experten hinzugezogen. Diese Umstrukturierungen erfolgen, obwohl den Prüfern nach eigener Aussage keine »Hinweise« auf eine persönliche Bereicherung eines Mitarbeiters des LAGeSo zur Kenntnis gelangt waren.
Der Senator wollte aber nicht ausschließen, dass es in dem Zusammenhang zu weiteren disziplinarrechtlichen Verfahren in der Landesbehörde kommt. So oder so werden die Kontrollen verschärft und ein Controllingsystem eingeführt. Dies hatten die Wirtschaftsprüfer empfohlen. Schließlich hatten sie insbesondere bei den Verhandlungen und der Vertragsausgestaltung für die Flüchtlingsunterkünfte eklatante Mängel festgestellt.
Wie aus dem Bericht hervorgeht, konnten die Wirtschaftsprüfer in den zur Verfügung stehenden Ordnern »keine einheitliche Aktenführung« bei den Geschäften mit den Flüchtlingsheimbetreibern erkennen. Auch Rechnungen und sonstige Dokumentationen zu Zahlungsabläufen im Millionengeschäft der Flüchtlingsunterbringung in Berlin waren »von wenigen Ausnahmen abgesehen« nicht in den Ordnern des LAGeSo zu finden. Ähnliche Missstände wurden im Übrigen während der Untersuchung auch bei Verträgen von Trägern aus der freien Wohlfahrtspflege wie der Arbeiterwohlfahrt festgestellt. »Die Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit kann nicht bestätigt werden«, erklärte Czaja.
Der Opposition von Grünen, Linkspartei und Piraten reichte der »plötzliche Aktionismus« Czajas nicht aus. »Damit wird keines der seit langem bestehenden Probleme gelöst«, sagte die Abgeordnete Elke Breiten-
»Die Frage ist nicht mehr, ob dem Land Berlin ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, sondern in welcher Höhe.«
Elke Breitenbach, Linkspartei bach (LINKE) dem »nd«. Entweder sei Franz Allert Behördenchef, der das LAGeSo führen kann, oder er ist es nicht, dann muss er gehen. »Die Frage ist nicht mehr, ob dem Land Berlin ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, sondern in welcher Höhe«, sagte Breitenbach. Die LINKE fordert diesbezüglich Aufklärung.
Wie aus dem Wirtschaftsprüferbericht hervorgeht, hatten allein die 16 Verträge mit den privaten Betreibern Gierso und der PeWoBe ein Volumen von mehr als 40 Millionen Euro. Der Senat will diese und auch die weiteren Kontrakte der zurzeit 66 Flüchtlingsheime in Berlin in den kommenden Monaten weiter untersuchen lassen – auf Abrechnungsfehler beim Personal, Doppelzahlungen und nicht erbrachte Bauleistungen. Auch weitere personelle Konsequenzen wollte Czaja am Donnerstag nicht ausschließen. Seinen eigenen Stuhl sieht er aber nicht wackeln.