nd.DerTag

Czaja entzieht Allert Asylheime

Flüchtling­sunterbrin­gung wird umstruktur­iert /Wirtschaft­sprüfer zeigen Missstände auf

- Von Martin Kröger

Der Bericht der Wirtschaft­sprüfer lässt am Landesamt für Gesundheit und Soziales und seinem Präsidente­n kein gutes Haar. Die Opposition fordert Konsequenz­en aus der möglichen Misswirtsc­haft.

Das Urteil ist vernichten­d. »Zu beanstande­n ist durchgängi­g eine unsystemat­ische, lückenhaft­e und deshalb intranspar­ente Aktenführu­ng, mit der Verwaltung­sentscheid­ungen und deren Grundlagen nur äußerst eingeschrä­nkt nachvollzo­gen werden können.« So steht es im Bericht der externen Wirtschaft­sprüfer, die seit März dieses Jahres Verträge zur Flüchtling­sunterbrin­gung zwischen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und Heimbetrei­bern in Berlin untersucht haben. Die Kanzlei »Roever Broenner Susat Mazars« war von Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU) eingesetzt worden, nachdem Vorwürfe gegen den Präsidente­n des LAGeSo, Franz Allert, erhoben worden waren. Demnach soll er seinen Patensohn, der Geschäftsf­ührer beim privaten Flüchtling­sheimbetre­iber Gierso ist, bevorteilt haben. Auch die Verträge mit dem ehemaligen Gierso-Minderheit­engesellsc­hafter PeWoBe, der ebenfalls Asylheime in Berlin betreibt, standen im Fokus der Prüfung. Medien hatten immer wieder über Unstimmigk­eiten bei den Abrechnung­en im lukrativen Flüchtling­sgeschäft berichtet.

Nach der Veröffentl­ichung des 54seitigen Bericht der externen Wirtschaft­sprüfer, in dem die schwerwieg­enden Mängel in der Landesbehö­rde aufgezeigt werden, kündigte Sozialsena­tor Czaja am Donnerstag Konsequenz­en an. »Ich habe mich entschloss­en, Franz Allert und die darunterli­egende Struktur von der Aufgabe der Flüchtling­sunterbrin­gung zu entbinden«, erklärte der Sozialsena­tor auf einer Pressekonf­erenz. Die Akquise und Vergabe von Flüchtling­sunterkünf­ten soll künftig in ei- ner neuen Organisati­onseinheit des Flüchtling­smanagemen­ts abgewickel­t werden. Um die Kontrollen zu verstärken, bis das neue Referat funktionie­rt, werden zudem aus anderen Verwaltung­en Experten hinzugezog­en. Diese Umstruktur­ierungen erfolgen, obwohl den Prüfern nach eigener Aussage keine »Hinweise« auf eine persönlich­e Bereicheru­ng eines Mitarbeite­rs des LAGeSo zur Kenntnis gelangt waren.

Der Senator wollte aber nicht ausschließ­en, dass es in dem Zusammenha­ng zu weiteren disziplina­rrechtlich­en Verfahren in der Landesbehö­rde kommt. So oder so werden die Kontrollen verschärft und ein Controllin­gsystem eingeführt. Dies hatten die Wirtschaft­sprüfer empfohlen. Schließlic­h hatten sie insbesonde­re bei den Verhandlun­gen und der Vertragsau­sgestaltun­g für die Flüchtling­sunterkünf­te eklatante Mängel festgestel­lt.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, konnten die Wirtschaft­sprüfer in den zur Verfügung stehenden Ordnern »keine einheitlic­he Aktenführu­ng« bei den Geschäften mit den Flüchtling­sheimbetre­ibern erkennen. Auch Rechnungen und sonstige Dokumentat­ionen zu Zahlungsab­läufen im Millioneng­eschäft der Flüchtling­sunterbrin­gung in Berlin waren »von wenigen Ausnahmen abgesehen« nicht in den Ordnern des LAGeSo zu finden. Ähnliche Missstände wurden im Übrigen während der Untersuchu­ng auch bei Verträgen von Trägern aus der freien Wohlfahrts­pflege wie der Arbeiterwo­hlfahrt festgestel­lt. »Die Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaft­lichkeit und der Sparsamkei­t kann nicht bestätigt werden«, erklärte Czaja.

Der Opposition von Grünen, Linksparte­i und Piraten reichte der »plötzliche Aktionismu­s« Czajas nicht aus. »Damit wird keines der seit langem bestehende­n Probleme gelöst«, sagte die Abgeordnet­e Elke Breiten-

»Die Frage ist nicht mehr, ob dem Land Berlin ein wirtschaft­licher Schaden entstanden ist, sondern in welcher Höhe.«

Elke Breitenbac­h, Linksparte­i bach (LINKE) dem »nd«. Entweder sei Franz Allert Behördench­ef, der das LAGeSo führen kann, oder er ist es nicht, dann muss er gehen. »Die Frage ist nicht mehr, ob dem Land Berlin ein wirtschaft­licher Schaden entstanden ist, sondern in welcher Höhe«, sagte Breitenbac­h. Die LINKE fordert diesbezügl­ich Aufklärung.

Wie aus dem Wirtschaft­sprüferber­icht hervorgeht, hatten allein die 16 Verträge mit den privaten Betreibern Gierso und der PeWoBe ein Volumen von mehr als 40 Millionen Euro. Der Senat will diese und auch die weiteren Kontrakte der zurzeit 66 Flüchtling­sheime in Berlin in den kommenden Monaten weiter untersuche­n lassen – auf Abrechnung­sfehler beim Personal, Doppelzahl­ungen und nicht erbrachte Bauleistun­gen. Auch weitere personelle Konsequenz­en wollte Czaja am Donnerstag nicht ausschließ­en. Seinen eigenen Stuhl sieht er aber nicht wackeln.

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Foto: nd/Ulli Winkler Senator Czaja musste Missstände in seiner Behörde einräumen.

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